29.01.2025Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Januar 2025

Betriebsratsanhörung bei einer Probezeitkündigung

LAG Niedersachsen, Urteil vom 05.11.2024 – 10 Sa 817/2

In der Praxis kommt es häufig vor, dass sich Arbeitgeber noch während der Probezeit von einem Arbeitnehmer trennen wollen. In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses muss hierfür kein Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes vorliegen. Wenn allerdings ein Betriebsrat besteht, muss dieser auch im Falle einer Probezeitkündigung ordnungsgemäß angehört werden. Wie dies zu erfolgen hat, zeigt das jüngste Urteil des LAG Niedersachsen vom 5. November 2024.

Sachverhalt

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung. Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung Folgendes ausgeführt: Die Kündigung verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot. Dafür habe die Klägerin keine hinreichenden Umstände dargelegt. Zwar komme eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis in Betracht, wenn ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und Rechtsausübung bestehe, was bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Maßnahme und der Rechtsausübung der Fall sein könne. Zwischen der Mitteilung der Klägerin von dem Arbeitsplatzkonflikt und der Kündigung bestehe jedoch kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Aus der Betriebsratsanhörung ergebe sich zudem, dass die Kündigung wegen des Verhaltens der Klägerin und nicht wegen ihrer Beschwerden bei Stationsleitung oder Betriebsrat erfolgt sei. Letzterer sei zur Kündigung ordnungsgemäß angehört worden, auch wenn nach Ansicht der Klägerin der Arbeitgeber die Kündigungsgründe nicht im Detail dargelegt habe.

Entscheidung

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Die Kündigung sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam. 

Die Kündigung sei aber auch nicht wegen einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung unwirksam; diese sei nicht zu beanstanden. Die Kündigung erfolgte in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG. Bei einer Kündigung in der Wartezeit sei die Substantiierungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet.

Der Betriebsrat werde immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss habe er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen könne.

Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen zu stellen sind, sei deshalb zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden, und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen, zu differenzieren. In der ersten Konstellation genüge die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrundeliegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt worden sind. In der zweiten Konstellation reiche die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber sei in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen.

Im Streitfall habe der beklagte Arbeitgeber die Kündigung gegenüber dem Betriebsrat wie folgt begründet: „Es gab in der Vergangenheit öfters sehr laute Streitereien auf den Kontrollspuren mit Kollegen. Gespräche mit der Stationsleitung wurden in dieser Thematik ebenfalls geführt, eine Besserung ist jedoch nicht eingetreten."

Hierbei handele es sich zwar um substantiierbare Tatsachen und nicht um ein bloßes Werturteil. Näherer Angaben bedurfte es gleichwohl nicht, um es dem Betriebsrat zu ermöglichen, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen. Hierfür sei es zum Beispiel unerheblich, an welchen Tagen und mit welchen Kollegen die Klägerin stritt oder wann und mit wem hierzu Gespräche geführt wurden. Der Betriebsrat sei darüber informiert worden, dass der Arbeitgeber mehrere laute Streitereien unter Beteiligung der Klägerin zum Anlass für die Kündigung nehmen wollte, nachdem sie den Eindruck gewonnen hatte, dass hierzu mit ihr geführte Gespräche die Situation nicht verbessert hatten.

Dies stelle für den Betriebsrat eine ausreichende Tatsachengrundlage dar, um – gegebenenfalls nach Anhörung der Klägerin gemäß § 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG – Stellung zu beziehen, ohne weitere Nachforschungen anstellen zu müssen. Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat vorsätzlich falsch oder irreführend unterrichtet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Praxistipp

Die Entscheidung des LAG Niedersachsen verdeutlicht die Anforderungen an die Betriebsratsanhörung bei Wartezeitkündigungen. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass sie dem Betriebsrat die subjektiven Gründe für die Kündigung mitteilen und diese so beschreiben, dass der Betriebsrat die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe ohne zusätzliche Nachforschungen prüfen kann. Dies ist besonders wichtig, damit eine Probezeitkündigung im Ergebnis nicht aus formellen Gründen scheitert.

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