21.02.2025Fachbeitrag

Update Kartellrecht 1/2025

Bundeskartellamt veröffentlicht Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung im Kraftstoffgroßhandel: Kritische Betrachtung der Preisnotierungssysteme – ein Präzedenzfall für Maßnahmen nach dem neuen § 32f GWB?

Das Bundeskartellamt hat am 19. Februar 2025 den Abschlussbericht der im April 2022 initiierten Sektoruntersuchung zu den Wettbewerbsbedingungen bei Raffinerien und im Kraftstoffgroßhandel veröffentlicht (hier abrufbar).

Während sich der bereits im November 2022 veröffentlichte Zwischenbericht (hier abrufbar) auf den Raffineriebereich fokussierte, stellt der nun veröffentliche Abschlussbericht schwerpunktmäßig die Ermittlungsergebnisse auf der Ebene des Kraftstoffgroßhandels dar.

Preisnotierungssysteme im Fokus

Der Abschlussbericht identifiziert wettbewerbliche Risiken bei der derzeitigen Ausgestaltung von Preisnotierungen im Kraftstoffgroßhandel.

Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes werden Preisnotierungen über die gesamte Wertschöpfungskette der Mineralölindustrie zur Festsetzung von Preisen verwendet. So werden Kraftstoffe auf der Großhandelsebene überwiegend mittels langfristiger Lieferverträge („Termverträge“) bezogen, die auf Preisnotierungen verweisen, sodass der Verkaufspreis im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht feststeht. Demgegenüber wird nur ein geringer Teil der Kraftstoffe auf der Großhandelsebene über den sog. Spotmarkt – zur Bedienung des kurzfristigen Bedarfs – zu Fixpreisen gehandelt. Da insbesondere Tankstellen ihre Mengen im Wesentlichen über Termverträge beschaffen, wirken sich die dort zugrunde gelegten Preisnotierungen mittelbar auch auf die Abgabepreise im Kraftstoffeinzelhandel aus.

Preisnotierungen werden für die deutschen Kraftstoffgroßhandelsmärkte tagesaktuell von der S&P Global Commodity Insights („Platts“) sowie die Argus Media erstellt. Für die Berechnung der Notierungen sind diese Anbieter auf (freiwillige) Informationen von Marktteilnehmern zu Transaktionen, Geboten und Angeboten auf dem Spotmarkt angewiesen, die neben den berechneten Notierungen ebenfalls veröffentlicht werden.

Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen sieht das Bundeskartellamt in der Berechnungs- und Veröffentlichungspraxis der Preisnotierungen folgende wettbewerbsrechtliche Risiken:

  • Kollusionsgefahr: Die bestehenden Marktstrukturen und die derzeitige transparente Ausgestaltung der Preisnotierungssysteme begünstigten die Gefahr, dass sich Marktteilnehmer über den hierdurch möglichen Informationsaustausch stillschweigend auf ein wettbewerbswidriges (zu hohes) Preisniveau einigen.
  • Manipulationsgefahr: Daneben setze die Berechnungsweise der Preisnotierungssysteme Möglichkeiten und Anreize zur Manipulation von Preisnotierungen zum eigenen Vorteil des meldenden Marktteilnehmers. So könnten die Marktteilnehmer durch selektive Meldungen Einfluss auf die Höhe einer Preisnotierung nehmen, vor allem, da die Preisnotierungen teilweise nur auf einer geringen Datenbasis beruhten (regional zum Teil nur durch ein einziges Unternehmen).

Preisänderungen an Tankstellen

Ergänzend zu den Untersuchungen zum Kraftstoffgroßhandel hat des Bundeskartellamt Ermittlungen zum Tankstellenmarkt durchgeführt und den Effekt der immer häufigeren Preisänderungen an Tankstellen auf das Verhalten der Verbraucher untersucht. Das Bundeskartellamt hat insoweit Hinweise gefunden, dass es Verbrauchern trotz der Verfügbarkeit von Tank-Apps weniger als noch vor 10 Jahren gelingt, in „Preistälern“ zu tanken. Die immer häufiger werdenden Preisänderungen führen aus Sicht des Bundeskartellamts jedenfalls zu einer zunehmenden Preisintransparenz. Insoweit wird das Bundeskartellamt weitere Untersuchungen in diesem Bereich durchführen und anschließend ggf. weitere Handlungsschritte (etwa regulatorischer Natur) erwägen.

Ausblick – (strukturelle) Anordnungen ohne Kartellverstoß?

Aus dem Abschlussbericht ergibt sich, dass das Bundeskartellamt Anhaltspunkte für eine erhebliche Störung des Wettbewerbs auf den Kraftstoffgroßhandelsmärkten in Deutschland sieht. Vor diesem Hintergrund sieht das Bundeskartellamt die folgenden Schritte vor:

  • Stärkere Regulierung durch (europäischen) Gesetzgeber: Das Bundeskartellamt empfiehlt strengere gesetzliche Anforderungen für Preisnotierungssysteme, um Preisnotierungen vor Manipulation und Kollusion zu schützen.
  • Überarbeitung der Principles for Oil Price Reporting Agencies („IOSCO-Grundsätze“): Hilfsweise regt das Bundeskartellamt eine Initiative der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der IOSCO-Grundsätze für Ölpreismeldestellen an, die bislang wettbewerbliche Risiken nicht hinreichend adressierten. Erforderlich sei jedenfalls ein Verbot der Offenlegung von Informationen, die Rückschlüsse auf das individuelle Preissetzungsverhalten zulassen, sowie die verbindliche Festsetzung von Mindestschwellen für die Berechnung von Preisnotierungen.
  • Anlass für Maßnahmen nach § 32f GWB?
    Das Bundeskartellamt erwägt schließlich ausdrücklich, – vorbehaltlich etwaiger Anmerkungen und Stellungnahmen der Stakeholder – in einem weiteren Verfahren zu prüfen, ob im Sinne des § 32f Abs. 3 S. 1 GWB eine Störung des Wettbewerbs bei dem Vertrieb von Kraftstoffen auf der Großhandelsebene besteht. In diesem Fall kann das Bundeskartellamt, soweit die sonstigen Befugnisse des Bundeskartellamts zur Beseitigung der Störung nicht ausreichen, den zu der Störung beitragenden Unternehmen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben.

    § 32 f GWB wurde erst mit der 11. GWB-Novelle eingeführt und ist am 7. November 2023 in Kraft getreten. Anwendungsfälle gibt es bisher noch nicht. Im Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge aus dem Oktober 2024 hielt das Bundeskartellamt eine Anwendung der Befugnisse gemäß § 32f GWB noch nicht für erforderlich. Nach dem Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Siedlungsabfälle/ Aufbereitung von Hohlglas aus dem Dezember 2023 beabsichtigte das Bundeskartellamt zwar die weitere Prüfung, ob eine Verpflichtungsverfügung nach § 32f Abs. 2 GWB (niedrigere Umsatzschwellen für die Fusionskontrolle in dem betreffenden Wirtschaftszweig) gegen die Rethman-Gruppe zu erlassen ist. Eine solche Verfügung ist aber bisher noch nicht ergangen. Die Preisnotierungssysteme auf den deutschen Kraftstoffgroßhandelsmärkten könnten daher zum ersten Fall werden, in dem das Bundeskartellamt sein neues Instrumentarium nach § 32f GWB zur Anwendung bringt.
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