Update Compliance 27/2022
Bundestag verabschiedet Hinweisgeberschutzgesetz – so geht es weiter
Nun ging es doch schneller als erwartet: Der Bundestag hat am 16. Dezember 2022 das Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet. Einen Tag vorher hatte der Regierungsentwurf des Gesetzes den Rechtsausschuss passiert, der allerdings noch Ergänzungsbedarf anmeldete. Die vom Rechtsausschuss vorgeschlagene Fassung winkte der Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition am Freitagmorgen durch. Noch ist das Gesetz aber nicht am Ziel: Der Bundesrat muss noch zustimmen.
Hintergrund
Das Hinweisgeberschutzgesetz dient der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht. Zentrales Anliegen ist es, hinweisgebende Personen im Nachgang zu einer Meldung vor Repressalien zu schützen, etwa vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder anderen arbeitsrechtlichen Maßnahmen, vor Mobbing, Ausgrenzung, negativer Leistungsbeurteilung u. ä.
Darüber hinaus müssen private und öffentliche Beschäftigungsgeber Meldestellen zur Entgegennahme von Informationen auf Verstöße einrichten und betreiben.
Wie viele andere EU-Mitgliedstaaten hat auch Deutschland die am 17. Dezember 2021 abgelaufene Umsetzungsfrist verpasst. EU-Vertragsverletzungsverfahren laufen gegen mehrere Staaten. Ziel der Richtlinie ist es, den Schutz von Personen, die Hinweise auf Rechtsverletzungen in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung geben, zu verbessern und europaweit zu vereinheitlichen.
Kurzfristige Ergänzungen des Gesetzes auf Vorschlag des Rechtsausschusses im Überblick
Nachdem der Regierungsentwurf noch einen Tag zuvor den Rechtsausschuss mit einigen Ergänzungsvorschlägen passiert hatte, hat der Bundestag den Entwurf und die Vorschläge des Rechtsausschusses am 16. Dezember 2022 verabschiedet:
Umstritten war seit jeher, welche Verstöße gemeldet werden können, um die Schutzwirkung des Hinweisgeberschutzgesetzes auszulösen. Die Unionsfraktionen plädierten bis zuletzt für einen engen Anwendungsbereich, orientiert an der EU-Richtlinie, die als Mindestmaß die Einbeziehung von Verstößen gegen EU-Recht und auf EU-Recht basierendes nationales Recht vorschrieb. Der Regierungsentwurf bezieht darüber hinaus vor allem Informationen über Straftaten jeder Art und schwere Ordnungswidrigkeiten mit ein. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses wurden in letzter Minute auch noch Hinweise auf Äußerungen von Beamtinnen und Beamten, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen, miteinbezogen.
Während der Regierungsentwurf ausdrücklich keine Verpflichtung vorsah, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen sollen, ist dies auf Vorschlag des Rechtsausschusses nunmehr sogar Pflicht: Beschäftigungsgeber wie auch der Bund müssen Meldekanäle vorhalten, die die anonyme Kontaktaufnahme und die für die hinweisgebende Person anonyme Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und interner bzw. externer Meldestelle ermöglichen. Diese Pflicht soll allerdings erst ab dem 01.01.2025 gelten.
Zudem sollen Beschäftigungsgeber "Anreize" dafür schaffen, dass sich hinweisgebende Personen vor einer Meldung an eine externe Meldestelle des Bundes oder des Landes zunächst an die jeweilige interne Meldestelle beim Beschäftigungsgeber wenden. Der Rechtsausschuss befürchtete offenbar, dass es einen Ansturm auf die externen Meldestelle beim Bund und bei den Ländern geben könnte, den es einzudämmen gelte. Grundsätzlich sollen Hinweisgeber aber die Wahl haben zwischen "externer" und "interner" Meldung.
Auch bleibt es dabei, dass Whistleblower, die Informationen über Verstöße in die Öffentlichkeit bringen, den Schutz des Gesetzes nur dann in Anspruch nehmen können, wenn sie sich mit ihrem Anliegen zuvor erfolglos an eine externe Meldestelle gewendet haben.
Der Rechtsausschuss hat schließlich erfolgreich durchgesetzt, dass hinweisgebende Personen einen Entschädigungsanspruch haben, wenn sie durch verbotene Repressalien einen Schaden erleiden, der nicht Vermögensschaden ist. Der Regierungsentwurf hatte lediglich einen Schadenersatzanspruch für Vermögensschäden vorgesehen.
Wie geht es weiter?
Da es sich beim Hinweisgeberschutzgesetz um ein Zustimmungsgesetz handelt, muss ihm der Bundesrat noch zustimmen. Geschieht dies, wird das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet.
Ab diesem Zeitpunkt haben Beschäftigungsgeber mit 250 oder mehr Beschäftigen drei Monate Zeit, die Vorgaben des Gesetzes umzusetzen. Für Unternehmen mit 50-249 Beschäftigten gilt eine längere Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Öffentliche Stellen sind bereits seit dem 18. Dezember 2021 verpflichtet, interne Meldestellen vorzuhalten, weil die EU-Whistleblowerrichtlinie seit Ablauf der Umsetzungsfrist für die öffentliche Verwaltung unmittelbar gilt – so jedenfalls die Ansicht des Schrifttums.
Der Bund muss sog. externe Meldestellen beim Bundesamt für Justiz, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und beim Bundeskartellamt einrichten. Dies ist teilweise schon geschehen.
Einrichtung von internen Meldestellen: Pragmatische Lösung für Konzerne
Beschäftigungsgeber können interne Meldestellen entweder selbst einrichten oder diese Aufgabe auf Dritte übertragen. Mehrere private Beschäftigungsgeber mit 50-249 Beschäftigten können für die Entgegennahme von Meldungen und für die weiteren Maßnahmen eine gemeinsame Stelle einrichten und betreiben.
Für Konzerne hält das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz eine pragmatische Lösung bereit. Innerhalb eines Konzerns kann ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs "Dritter" im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes auch eine bei einer anderen Konzerngesellschaft eingerichtete unabhängige Meldestelle für mehrere selbständige Konzernunternehmen tätig sein. Eine solche Konzernlösung sehen jedoch nicht alle EU-Staaten vor. Transnationale Konzerne müssen daher auf das jeweils geltende nationale Recht achten.
Ob die Konzernlösung langfristig "hält", ist ungewiss, denn die EU-Kommission sieht sie kritisch und nicht mit der EU-Hinweisgeberrichtlinie vereinbar. Es wird eines EuGH-Urteils brauchen, um hier Klarheit zu schaffen.
Anforderungen an die interne Meldestelle
Die Aufgaben der internen Meldestelle liegen in der Entgegennahme und der Verarbeitung von Informationen auf Verstöße und die Durchführung von Folgemaßnahmen. Die mit den Aufgaben der internen Meldestelle beauftragten Personen müssen in dieser Funktion unabhängig agieren können und über die erforderliche Fachkunde verfügen. Die Meldestelle muss ein Fristenmanagement (insbesondere im Hinblick auf die Rückmeldefristen gegenüber hinweisgebenden Personen) sowie ein Löschkonzept vorsehen. Des Weiteren hat sie Folgemaßnahmen durchzuführen. Als Folgenmaßnahmen sieht das Hinweisgeberschutzgesetz u.a. interne Untersuchungen und die Abgabe des Verfahrens an eine andere Abteilung des Beschäftigungsgebers oder eine Behörde vor. Darüber hinaus erwähnt der Gesetzestext die Verweisung der hinweisgebenden Person an eine zuständige Stelle und den Abschluss des Verfahrens mangels Beweisen oder aus anderen Gründen. Abschließend ist der Katalog an Folgemaßnahmen nicht.
Wichtig ist, dass Beschäftigungsgeber und Kommunen die Aufgaben der internen Meldestelle zwar auf Dritte verlagern können, sich dadurch ihrer eigenen Pflicht, erforderliche Maßnahmen durchzuführen oder Verstöße abzustellen, nicht entledigen können. Insoweit ist bei der Auslagerung der Aufgaben der internen Meldestelle ein Kommunikationskonzept vorzusehen, das sich auch in einer internen Hinweisgeberrichtlinie dokumentiert finden sollte.
Unterliegt ein Beschäftigungsgeber im Hinblick auf die Einrichtung von Meldestellen mehreren Gesetzen, neben dem Hinweisgeberschutzgesetz etwa auch dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder dem Wertpapierhandelsgesetz, können die Funktionen der Meldestelle nach dem jeweiligen Gesetz in einer einzigen Meldestelle gebündelt werden. Es ist nicht erforderlich, für jeden Regulierungsbereich eine eigene Meldestelle vorzusehen. Allerdings hat die Meldestelle genau darauf zu achten, unter welches Rechtsregime eingehende Hinweise fallen und danach die Folgemaßnahmen auszurichten. Die können nämlich unterschiedlich ausfallen – je nachdem, welches Gesetz konkret Anwendung findet. Datenschutz und (Kollektiv-) Arbeitsrecht sind ohnehin stets mitzuberücksichtigen.
Ausblick
Interne Meldestellen und Hinweisgeberschutzkonzepte müssen – die Zustimmung des Bundesrats vorausgesetzt - also im Frühjahr 2023 eingerichtet und betrieben werden, ansonsten drohen Bußgelder bis zu EUR 100.000,00. Auch wenn die Anforderungen an die Einrichtung und den Betrieb interner Meldestellen hoch sind, gehören derartige Whistleblower-Hotlines bereits seit langem zu einem funktionierenden und angemessenen Compliance Management System.
Unternehmen haben ein Interesse daran zu erfahren, wo potentielle Rechtsverstöße aus dem Betrieb heraus oder zum Nachteil des Unternehmens begangen werden, um diese schnell abzustellen. Das die Verarbeitung eingehender Meldung von großer Sorgfalt, Verantwortung und Vertraulichkeit geprägt ist, versteht sich von selbst. Nur so können auf der einen Seite ernste Meldungen aufgeklärt und Verstöße abgestellt und auf der anderen Seite Missbrauch der Whistleblower-Hotline durch böswillige Denunziation vermieden werden.
Heuking Kühn Lüer Wojtek berät Mandanten bereits seit Jahren bei der Einrichtung von Hinweisgebersystemen und nimmt Aufgaben von internen Meldestellen wahr. Darüber hinaus führen wir für unsere Mandanten interne Untersuchungen zur Aufklärung von Verdachtsfällen durch und vertreten unsere Mandanten gerichtlich und außergerichtlich zur Durchsetzung ihrer Interessen.