Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Dezember 2020
Das gesetzliche Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers in der Gesellschaftsinsolvenz
OLG Rostock, Beschluss vom 2. Juni 2020 – 2 W 4/20
Das OLG Rostock hat sich mit der Frage befasst, inwieweit das in § 88 Abs. 1 S. 1 AktG analog verankerte Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers auch in der Insolvenz der Gesellschaft weiterhin Geltung beansprucht.
Nach § 88 Abs. 1 S. 1 AktG trifft den Vorstand einer Aktiengesellschaft das aus einer Treuepflicht des Organs begründete Wettbewerbsverbot, welches analog für Geschäftsführer einer GmbH angewandt wird. Dem Geschäftsführer ist es demnach nicht gestattet, Geschäftschancen für sich zu nutzen oder Geschäfte zu betreiben, die in den Geschäftszweig der Gesellschaft fallen. Eine Begrenzung sieht § 88 Abs. 1 S. 1 AktG – jedenfalls seinem Wortlaut folgend – nicht vor.
Sachverhalt und Prozessgeschichte
Die Antragsgegnerin war (Mit-)Geschäftsführerin eines Unternehmens für Pflegedienstleistungen. 2018 wurde über das Vermögen dieser GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Anschluss kündigte die Antragsgegnerin ihren Anstellungsvertrag, eine förmliche Niederlegung des Geschäftsführeramts erfolgte indes nicht. In der Folgezeit betrieb die Antragsgegnerin einen neu gegründeten Pflegedienst und bewarb diesen bei Kunden der insolventen Gesellschaft. Aufgrund dieser Vorgänge erwirkte der Antragsteller auf Basis des in § 88 Abs. 1 S. 1 AktG (analog) niedergelegten, gesetzlichen Wettbewerbsverbots eine einstweilige Verfügung, die es der Antragsgegnerin untersagte, konkurrierende Tätigkeiten auszuüben, während sie noch Geschäftsführerin der insolventen GmbH ist. Das OLG Rostock bestätigte die Entscheidung in erster Instanz.
Ende des Wettbewerbsverbots erst mit Beendigung der Organstellung
Nach Ansicht des OLG Rostock gelte das gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 AktG analog bestehende Wettbewerbsverbot eines Geschäftsführers unabhängig von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Beendigung der Organstellung fort. Es sei allgemein anerkannt, dass erst die Beendigung der Organstellung das Wettbewerbsverbot entfallen lasse, daher berühre die (Insolvenz-)Verfahrenseröffnung den Fortbestand des Wettbewerbsverbots nicht.
§ 80 Abs. 1 InsO: (Keine) Auswirkungen auf Wettbewerbsverbot
Auch aus dem in § 80 Abs. 1 InsO niedergelegten Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsrechte auf den Insolvenzverwalter könne nicht gefolgert werden, dass das Wettbewerbsverbot mit Verfahrenseröffnung ende. Der Ansicht der Antragstellerin, dass nicht die förmliche Organstellung als solche, sondern vielmehr die mit ihr zusammenhängenden Informationsmöglichkeiten und Geschäftsführerbefugnisse für das Wettbewerbsverbot maßgeblich seien, folgte das OLG nicht. § 80 Abs. 1 InsO betreffe bereits nicht das Verhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und ihrem Organ, sondern das (Außen-)Verhältnis zwischen Insolvenzschuldnerin und dem Insolvenzverwalter. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über, allerdings bleibe ein Sonderverhältnis des Geschäftsführers zur Gesellschaft bestehen. Dieses ermögliche weiterhin Handlungsmöglichkeiten des Geschäftsführers und rechtfertige insoweit das Wettbewerbsverbot. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens könne der Geschäftsführer ohne Involvierung des Insolvenzverwalters Verträge für und im Namen der Gesellschaft schließen. Die Überleitung der Verfügungsmacht auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO bewirke lediglich, dass derart eingegangene Verpflichtungen keinen Anspruch eines Dritten (des Vertragspartners) gegen die Insolvenzmasse begründe. Darüber hinaus könne die GmbH auch Inhaber höchstpersönlicher Rechtspositionen sein, die als solche nicht dem Insolvenzbeschlag und der Befugnis des Insolvenzverwalters unterliegen, sondern nach wie vor in den (alleinigen) Befugnisbereich eines Geschäftsführers fallen.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Rostock bestätigt die herrschende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, nach der ein GmbH-Geschäftsführer bis zur Beendigung seiner Organstellung einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot unterliegt. Will also ein Geschäftsführer die Geltung dieses Wettbewerbsverbots vermeiden, kommt nur eine Amtsniederlegung in Betracht, wobei hierbei fraglich sein kann, ob diese – u.a. im Falle der Gesellschaftsinsolvenz – zur Unzeit erfolgt. Im Allgemeinen ist eine Klarstellung zur Reichweite des Wettbewerbsverbots im Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers ratsam. Einzelfallbezogen kann eine einvernehmliche Verständigung zwischen den Beteiligten (Gesellschafter, Insolvenzverwalter, ggf. Insolvenzgericht) zielführend sein.