30.01.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Januar 2023

Der Arbeitgeber kann bei grob fehlerhafter oder unterbliebener Bestellung eines Wahlvorstands den einstweiligen Abbruch der zu erwartenden nichtigen Betriebsratswahl verlangen

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.10.2022 – 23 TaBVGa 1094/22

Wurde der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl nicht nur fehlerhaft, sondern in nichtiger Weise oder überhaupt nicht bestellt, hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Unterlassung der Durchführung der anstehenden Betriebsratswahl. Handlungen eines derart usurpierenden Wahlvorstands muss der Arbeitgeber in seinem Betrieb nicht dulden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber den Abbruch und die Untersagung der Durchführung einer Betriebsratswahl verlangen kann.

Die Arbeitgeberin betreibt einen Lieferdienst von Supermarkt-Waren mitsamt Warenlager, dessen Sortiment mit Fahrradkurieren verteilt wird. Im November 2021 wurde für mehrere Standorte in Berlin bereits ein einheitlicher Betriebsrat gewählt. Dessen Wahl hat der Arbeitgeber angefochten, da er von unabhängigen Einzelbetrieben ausging. Das Anfechtungsverfahren ruht aufgrund einer Verfahrensvereinbarung der dortigen Beteiligten.

Trotz des bereits bestehenden Betriebsrats, der unabhängig von dem Anfechtungsverfahren momentan im Amt ist, leitete eine Gruppe von Personen, die sich „Wahlvorstand“ nannten, im Oktober 2022 für den Betrieb eines Warenlagers sowie weitere Standorte Betriebsratswahlen ein. Die Arbeitgeberin begehrt den Abbruch dieser Wahlen im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Sie ist der Auffassung, dass das als „Wahlvorstand“ agierende Gremium nicht auf einer Wahlversammlung unter Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs gewählt worden sei, da bereits eine Wahlversammlung nicht stattgefunden habe. Die sich als Wahlvorstand gerierenden Personen könnten gar keinen Wahlvorstand bilden, weil zwei der Arbeitnehmer noch nicht einmal bei der Arbeitgeberin beschäftigt seien. Zudem könne neben dem bereits gewählten Betriebsrat kein weiterer Betriebsrat bestehen, sodass die anstehende Betriebsratswahl nichtig sein werde.

Der vermeintliche Wahlvorstand verteidigt seine Bestellung unter Berufung auf einen Beschluss des im November 2021 gewählten Betriebsrats, der als unbeglaubigte Kopie nicht zu den Akten gegeben wurde.

Vor dem Arbeitsgericht hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg, da eine voraussichtliche Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl nicht feststellbar sei und der Arbeitgeber selbst in dem gegen den Betriebsrat geführten Wahlanfechtungsverfahren von eigenständigen Einzelbetrieben ausgehe. Hiergegen wehrte sich der Arbeitgeber mit der sofortigen Beschwerde zum Landesarbeitsgericht.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht ließ sich von der Existenz der behaupteten Beschlussfassung durch den im November 2021 gewählten Betriebsrat nicht überzeugen und bejahte einen Anspruch des Arbeitgebers auf Abbruch der von dem Wahlvorstand eingeleiteten Betriebsratswahl.

Das Gremium, das sich als Wahlvorstand gerierte war in dieser Funktion überhaupt nicht oder in nichtiger Weise bestellt, sodass die Arbeitgeberin wegen Missachtung der Vorgaben der §§ 16, 17 BetrVG Handlungen eines inexistenten Wahlvorstands in seinem Betrieb nicht hinnehmen musste.

Ferner können Personen, die nicht Arbeitnehmer der Arbeitgeberin sind, mangels Wahlberechtigung im Betrieb der Arbeitgeberin keinen Umständen zu Wahlvorstandsmitgliedern in diesem Betrieb gewählt werden (gemäß § 16 I i.V.m. § 7 S. 1 BetrVG). Das Gericht stellt klar, dass ein Wahlvorstand nur für einen bestimmten Betrieb gewählt oder bestellt werden und ausschließlich aus Wahlberechtigten des Wahlbetriebs bestehen kann.

Ein Grund, neue Betriebsratswahlen zu veranlassen lag ebenfalls nicht vor, weil die Amtszeit des im November 2021 gewählten Betriebsrats nicht abgelaufen ist und auch keine Gründe für eine außerhalb der regelmäßigen Wahlperiode durchzuführende Betriebsratswahl vorlagen (§ 13 I, II BetrVG).

Nach Auffassung des Gerichts ist die Nichtigkeit einer von einem Gremium aus nicht bestellten oder gewählten Wahlvorstandsmitgliedern initiierten und durchgeführten Betriebsratswahl zwingend zu erwarten gewesen. Eine solche Wahl würde unter Außerachtlassung der elementaren demokratischen Grundprinzipien der Betriebsverfassung erfolgen. Dementsprechend war diese sofort zu unterbinden.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Hinweise

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung und zeigt nochmals auf, dass es sich für Arbeitgeber lohnen kann, frühzeitig gegen fehlerhaft durchgeführte Betriebsratswahlen vorzugehen.

Vor dem Hintergrund, dass die ständige Rechtsprechung bei der Frage, ob eine Betriebsratswahl in grober und offensichtlicher Weise gegen wesentliche Wahlvorschriften verstößt und damit nichtig ist, sehr zurückhaltend ist, kommt es immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. So ging das Landesarbeitsgericht auch hier vor.

Von den Aussagen der vorliegenden Entscheidung ist deshalb auch strikt die Bewertung der Frage zu trennen, ob eine trotz einzelner Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands eingeleitete und durchgeführte Betriebsratswahl ebenfalls nichtig ist. Die Kriterien werden in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte sowie im juristischen Schrifttum kontrovers diskutiert. Im Gegensatz dazu war im hiesigen Fall hingegen unter keinem Aspekt überhaupt ein Wahlvorstand im Betrieb der Arbeitgeberin gewählt oder bestellt worden.

Das Urteil zeigt Arbeitgebern eine Option auf, wie sie frühzeitig die Durchführung einer Betriebsratswahl verhindern können, ohne mit den doppelten Kosten einer erneut durchzuführenden Betriebsratswahl belastet zu werden (§ 20 III 1 BetrVG). Je größer der Betrieb und die Anzahl der Arbeitnehmer, desto eher können Fehler bei Betriebsratswahlen unterlaufen. Hier kann es sinnvoll sein, überflüssige Kostenrisiken, die bei der Neudurchführung einer Wahl entstehen, von vornherein auszuschließen und entweder den ordnungsgemäßen Gang der Betriebsratswahl präventiv sicherzustellen oder den Wahlvorstand und Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung zum Abbruch der fehlerhaften Wahl zu verpflichten.

 

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