16.04.2021Fachbeitrag

Update Shareholder Activism Nr. 2

Der Fall GameStop – Handlungsmöglichkeiten für börsennotierte Unternehmen nach deutschem Recht im Falle eines Short Squeeze

In den vergangenen Wochen und Monaten hat die Aktie der US Gesellschaft GameStop Corporation weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Hintergrund waren exorbitante Kurssteigerungen bei extrem hoher Volatilität, ausgelöst durch Aktienkäufe einer Vielzahl von Kleinanlegern, die zu einem Short Squeeze der stark leerverkauften GameStop Aktie führten. Ähnliche Kursentwicklungen traten auch bei weiteren US-Aktien auf, die eine hohe Leerverkaufsquote aufwiesen. Auch in Deutschland kam es in der Vergangenheit schon zu spektakulären Kursanstiegen in Folge von sogenannten Short Squeezes (Zwangseindeckungen von Leer-Verkäufern), insbesondere etwa bei der Volkswagen Stammaktie im Jahr 2008. Auch hierzulande ist zu beobachten, dass Aktienanlagen insbesondere bei jungen Anlegern zunehmend Interesse finden, die mobil vernetzt und internetaffin in entsprechend großer Zahl schnell zu einem bedeutenden Marktfaktor werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn ihre gebündelte Kaufnachfrage auf eher niedrig kapitalisierte Aktienwerte trifft. Es ist daher damit zu rechnen, dass es auch in Deutschland künftig häufiger zu vergleichbaren GameStop-Fällen kommen wird. Börsennotierte Gesellschaften sind daher gut beraten, sich auch auf solche Szenarien frühzeitig vorzubereiten, um so gegebenenfalls schnell von entsprechenden Aktionen zum Vorteil der betroffenen Aktiengesellschaft handeln zu können.

Zum Hintergrund

Spekulationen rund um Aktien und Optionen des Computerspiel-Herstellers GameStop haben in der Vergangenheit für erheblichen Aufruhr an der Börse und in den Medien gesorgt. Der Aktienkurs von GameStop wurde von Kleinaktionären, die sich u.a. über das Börsenforum WallStreetBets der Internetplattform Reddit verabredeten Aktien und Optionen von GameStop zu kaufen, extrem in die Höhe getrieben. Hedge-Fonds hatten zuvor in einem großen Umfang auf einen Fall der Kurse gesetzt und sich in diesem Zusammenhang Papiere vom GameStop geliehen und weiterverkauft (sog. Short Selling bzw. Leerverkauf). Hedge-Fonds sind beim Short Selling darauf angewiesen, dass Wertpapierleiher ihnen, gegen Zahlung einer Leihgebühr und der Stellung entsprechender Sicherheiten, Aktien leihen. Steigt der Kurs der Aktie, werden die zu leistenden Sicherheiten entsprechend angepasst (durch sog. Margin Calls) und die Short Seller müssen zusätzliche Sicherheiten aufbringen. Sind sie dazu nicht mehr in der Lage, kann der Wertpapierverleiher die verliehenen Aktien zurückverlangen. Dies führte bei GameStop schließlich dazu, dass Short Seller gezwungen waren, ihre Leerverkaufspositionen zu schließen und Aktien zu stark gestiegenen Preisen gekauft wurden. Dies wiederum trieb den Kurs immer weiter in die Höhe (sog. Short Squeeze). Leerverkäufer machten milliardenschwere Verluste, während sich Aktionäre zumindest kurzzeitig über einen entsprechenden Kurszuwachs (Kurs von über 345 US-Dollar Ende Januar; gegenüber einem Kurs von 12 US-Dollar noch Mitte Dezember 2020) freuen konnten. Nach Einführung von Kaufbeschränkungen durch (Neo-) Broker wie Robinhood und Trade Republic brach der Kurs erheblich ein, ist aber auch derzeit noch hoch volatil. Wie nun bekannt wurde, plant GameStop nun kurzfristig die Durchführung einer Kapitalerhöhung auf dem deutlich erhöhten Kursniveau, um so erhebliche Mittel für die Gesellschaft einzunehmen. Hierdurch kann GameStop letztlich von den Kurskapriolen sogar profitieren und frisches Eigenkapital mit geringerer Verwässerung der Aktionäre aufnehmen, als dies noch auf dem Kurslevel vor dem Short Squeeze möglich gewesen wäre.

Wie könnten deutsche Unternehmen entsprechende Situationen für sich nutzen?

Die bisherige Berichterstattung zum Phänomen Short Squeeze und GameStop beschränkt sich größtenteils auf die Themen Leerverkäufe, mögliche Marktmanipulationstatbestände und Regulierungsbedarf, welche in zahlreichen Artikeln und Newslettern bereits umfangreich und erschöpfend beleuchtet und diskutiert wurden. Jedoch ergeben sich auch für das betroffene börsennotierte Unternehmen Handlungsmöglichkeiten. Um von der gestiegenen Nachfrage nach den Unternehmensaktien durch Anleger und Leerverkäufer, die sich eindecken müssen, im Unternehmensinteresse zu profitieren, können über eine Kapitalerhöhung neue Aktien unter Nutzung des erhöhten Kursniveaus und der größeren Aktiennachfrage ausgegeben werden.

Kapitalerhöhung ja, aber wie?

Da typischerweise ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität benötigt wird, bietet sich aufgrund des in solchen Fällen knapp bemessenen Zeitfensters eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen um 10 % aus genehmigten Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechtes der Aktionäre an. Eine solche Kapitalerhöhung setzt grundsätzlich eine entsprechende Ermächtigung in der Satzung, ein entsprechendes noch ungenutztes genehmigtes Kapital sowie Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat über die Durchführung der Kapitalerhöhung voraus.

Ablauf der Kapitalerhöhung

Zur Durchführung einer Kapitalerhöhung aus genehmigten Kapital muss zunächst entsprechendes genehmigtes Kapital i.S.d. § 202 AktG vorhanden sein, um dessen Nennbetrag der Vorstand einer Aktiengesellschaft das Grundkapital der Gesellschaft durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen erhöhen darf. Dieses kann entweder schon Inhalt der Gründungssatzung sein (für höchstens fünf Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft), § 202 Abs. 1 AktG, oder durch Satzungsänderung beschlossen werden (für höchstens fünf Jahre nach Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister), § 202 Abs. 2 S. 1 AktG. Ein für den letzteren Fall entsprechender Hauptversammlungsbeschluss wird in der Regel im Rahmen der ordentlichen Hauptversammlung gefasst und erfordert grundsätzlich eine Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Zusätzlich ist der Änderungsbeschluss zur Eintragung im Handelsregister anzumelden und wird auch erst mit Eintragung wirksam, vgl. § 181 Abs. 1, 3 AktG. Der Nennbetrag des genehmigten Kapitals darf dabei die Hälfte des zur Zeit der Ermächtigung vorhandenen Grundkapitals nicht übersteigen. Ist genehmigtes Kapital vorhanden, kann der Vorstand, unter Einholung der Zustimmung des Aufsichtsrats, beschließen, neue Aktien in Höhe von bis zu 10% des Grundkapitals unter Ausschluss des Bezugsrechtes auszugeben. Im Rahmen des angestrebten Emissionspreises ist dabei mit Blick auf den Bezugsrechtsausschluss zu beachten, dass sich dieser am aktuellen Börsenpreis zu orientieren hat, was in etwa bei einer Abweichung von bis zu 5 % vom Börsenpreis noch angenommen wird, vgl. zum Ausgabebetrag § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG. Als Referenzwert wird hierfür grundsätzlich der Durchschnittswert aus den letzten fünf Tagen des liquidesten Handelsplatzes, sofern die Aktie mehrfach notiert ist, i.d.R. Xetra, vor Ausgabe der jungen Aktien herangezogen. Zu beachten ist daher, dass eine solche Kapitalerhöhung aufgrund dieser Beschränkungen bei der Festlegung des Ausgabepreises der neuen Aktien erst erfolgen kann, wenn die Volatilität der Aktie wieder deutlich zurückgegangen ist.

Ein Wertpapierprospekt ist diesem Zusammenhang aufgrund der Ausnahme des Art. 1 Abs. 5 UAbs. 1 lit. a) Verordnung (EU) 2017/1129 (Prospektverordnung) von der Prospektpflicht regelmäßig nicht erforderlich. Das Bezugsrecht bestehender Aktionäre kann darüber hinaus durch die Möglichkeit eines vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses ausgeschlossen werden, vgl. § 186 Abs. 3 AktG. Der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss kann dabei unmittelbar durch Ermächtigungsbeschluss, vgl. § 203 Abs. 1 i.V.m. § 186 Abs. 3 Satz 1 AktG, oder durch Beschluss des Vorstandes, vgl. § 203 Abs. 2 AktG, erfolgen.

Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist schließlich gemäß § 203 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 188 Abs. 1 AktG vom Vorstand sowie vom Aufsichtsratsvorsitzenden zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Über den Verweis des § 203 Abs. 1 AktG auf die §§ 185 bis 191 AktG ist für die Ausgabe neuer Aktien zusätzlich die Zeichnung neuer Aktien durch schriftliche Erklärung gem. § 185 AktG, die Leistung des Mindestbetrages gem. §§ 188 Abs. 2 AktG und die Anmeldung der Durchführung der Erhöhung zum Handelsregister gem. § 188 Abs. 1 i.V.m. § 203 Abs. 3 S. 4 AktG (Wirksamwerden der Kapitalerhöhung mit Eintragung, vgl. § 189 AktG) erforderlich. Im Anschluss daran dürfen neue Aktien ausgegeben werden, vgl. § 191 AktG.

Da Kapitalerhöhungen, die zur Ausgabe neuer stimmberechtigter Aktien führen, oft auch Veränderungen in Bezug auf wesentlichen Beteiligungen nach sich ziehen, ist stets zu prüfen, ob nicht etwaige Veröffentlichungen bzw. Mitteilungen z.B. an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, insbesondere nach § 40 WpHG, zu machen sind. Nach Ausgabe der neuen Aktien ist ebenfalls daran zu denken, einen Antrag auf Zulassung zum Handel an der Börse innerhalb eines Jahres gem. § 69 Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) zu stellen. Auch sollte die Möglichkeit zur Schaffung neuen genehmigten Kapitals in der nächsten Hauptversammlung wieder eröffnet werden, um auch in Zukunft flexibel agieren zu können.

Fazit

Börsennotierte Gesellschaften, die ähnlich wie im GameStop-Fall von einem Short Squeeze betroffen sind, sollten die Möglichkeit der Durchführung einer 10%-Kapitalerhöhung aus genehmigten Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechtes prüfen, um so im Unternehmensinteresse von der Situation zu profitieren und das Unternehmen durch das erhöhte Eigenkapital zu stabilisieren. Hierzu ist eine sorgfältige Vorbereitung bereits im Vorfeld angezeigt, um so in der Lage sein, die kurzfristig auftretenden erheblichen Aktienkursbewegungen für das Unternehmen im Fall der Fälle dann auch schnell nutzen zu können. Auf diesem Wege kann eine Leerverkaufs-Attacke analog zum Fall GameStop letztlich sogar vorteilhaft für das Unternehmen sein.

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