Update Arbeitsrecht Februar 2024
Die Formulierung „Junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut“ ist keine Altersdiskriminierung nach dem AGG
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 17.10.2023 - 2 Sa 61/23
Mit Urteil vom 17. Oktober 2023 (Az. 2 Sa 61/23) hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschieden, dass in der Formulierung „junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut“ in einer Stellenausschreibung keine Diskriminierung wegen des Alters nach den §§ 1 und 7 Abs. 1 AGG zu sehen ist.
Der Sachverhalt
Der Beklagte betrieb eine Tankstelle und schaltete eine Stellenausschreibung bei Indeed, die die folgende Formulierung enthielt: „Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung.“ Im weiteren Fortgang der Stellenausschreibung waren die konkreten Anforderungen an die Bewerber formuliert und es wurde näher auf das Gehalt und die übrigen Arbeitsbedingungen eingegangen. Der im Mai 1972 geborene Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 6. Mai 2022 unter Beifügung diverser Unterlagen auf die Stelle. Am 14. Juni 2022 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er sich bei der Stellenbesetzung nicht für ihn entschieden habe. Vielmehr stellte der Beklagte zum Juli 2022 einen 48 Jahre alten Mitarbeitenden zunächst als Aushilfe und sodann in Teilzeit ein.
Der Kläger erhob in der Folgezeit Klage vor dem Arbeitsgericht Rostock (Az. 3 Ca 1363/22) und verlangte eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Er vertrat die Ansicht, der Passus „Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung“ in der Stellenausschreibung stelle eine Altersdiskriminierung und damit einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG in Verbindung mit § 1 AGG dar.
Das Arbeitsgericht Rostock hat die Klage abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger nunmehr im Wege der Berufung zum Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern.
Die Entscheidungsgründe des LAG Mecklenburg-Vorpommern
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger stehe gegen den Beklagten kein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu.
Zwar sei der persönliche Anwendungsbereich des AGG nach § 6 Abs. 1 S. 2 Fall 1 AGG eröffnet, da der Kläger als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis als Beschäftigter im Sinne des AGG anzusehen sei. § 6 Abs. 1 S. 2 Fall 1 AGG regele einen formalen Bewerberbegriff. An dem Erfordernis der subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung sei nicht mehr festzuhalten (vgl. BAG Urt. v. 11.08.2016 - 8 AZR 406/14, juris; BAG Urt. v. 11.08.2016 - 8 AZR 4/15, juris).
Es fehle gleichwohl an einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß §§ 7 Abs. 1, 1 AGG. Das Verhalten der Beklagten stelle weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 AGG dar. Eine unmittelbare Benachteiligung liege vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung liege vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Enthält eine Stellenausschreibung Formulierungen, insbesondere Anforderungen, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, kann dies die Vermutung nach § 22 AGG begründen, der erfolglose Bewerber sei im Auswahlverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden (vgl. BAG Urt. v. 11.08.2016 - 8 AZR 406/14, juris). Aus der Formulierung in der Stellenausschreibung „Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung“ folge keine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Sie sei daher nicht geeignet, die Vermutung nach § 22 AGG zu begründen, der Kläger sei im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt worden.
Eine an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Stellenausschreibung sei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zu Grunde zu legen sind (vgl. BAG Urt. v. 11.08.2016 - 8 AZR 406/14, juris). Ein durchschnittlicher Bewerber müsse die in Rede stehende Stellenausschreibung jedoch nicht so verstehen, dass der Beklagte einen altersmäßig jungen Menschen für die Stelle suche.
Zwar habe der Kläger gegenüber dem tatsächlich eingestellten Bewerber eine weniger günstige Behandlung erfahren. Jedoch beruhe dies nicht auf einem in § 1 AGG genannten Grund. Es fehle an dem von Seiten des Klägers erforderlichen Vortrag von Tatsachen, die den Schluss zulassen, seine Bewerbung sei wegen seines Alters abgelehnt worden. Mangels Indizien für eine Altersdiskriminierung greife auch die Vermutung aus § 22 AGG nicht ein. Die Formulierung in der Stellenausschreibung verstoße nicht gegen § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 AGG ausgeschrieben werden darf. Es handele sich nicht um die Darstellung von Anforderungen an einen potentiellen Bewerber, sondern um eine überspitzte, ironische, nicht ernsthaft gemeinte, in der Form eines Werbeslogans gehaltene Beschreibung der zu besetzenden Stelle in ihrem Arbeitsumfeld. Die ausdrucksstarken Adjektive „jung“ und „dynamisch“ bezögen sich auf das noch in seiner Entwicklung befindliche Team, welches erst seit den Jahren 2019 bzw. 2021 bei dem Beklagten bestand, nicht dagegen auf das Lebensalter der einzelnen Teammitglieder. Ab wann jemand noch als „jung“ im Wortsinn gelte, lasse sich nur schwer pauschalisieren und hinge letztlich von der subjektiven Einschätzung des Beurteilenden sowie der in Bezug genommenen Altersstruktur ab. Aus dem Gesamtkontext und dem Zusatz „mit Benzin im Blut“ ergebe sich, dass damit keine ernsthafte, realistische Anforderung an einen Bewerber genannt werden sollte, sondern die Formulierung vielmehr eine Selbstdarstellung des Betriebes und der Belegschaft in Form einer Werbung darstelle. Es verbiete sich, einzelne Worte für sich genommen zu betrachten und zu bewerten. Notwendig sei vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Formulierungen unter Berücksichtigung der konkreten textlichen Gestaltung. Die genannte Formulierung sei als werbende Aussage darüber zu verstehen, was ein Bewerber in seinem zukünftigen Arbeitsumfeld erwarten kann. Aus der Sicht eines objektiven Betrachters sei erkennbar, dass die Gesamtformulierung eine Werbung für den Betrieb darstelle, nicht dagegen potentielle Bewerber von einer Bewerbung abhalten sollte. Die Formulierung sei erkennbarer als sog. „Aufreißer“ gemeint gewesen, der die Leser zum Weiterlesen animieren sollte. Zudem seien die Anforderungen an potentielle Bewerber strukturmäßig an einer völlig anderen Stelle der Stellenausschreibung aufgeführt gewesen.
Beratungshinweis
Die vorliegende Entscheidung überzeugt zum einen durch eine strukturierte Vorgehensweise des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern und zum anderen durch ein praxistaugliches Ergebnis.
Zunächst stellt das Landesarbeitsgericht systematisch die Anforderungen an die Auslegung von Aussagen in Stellenausschreibungen dar. Eine an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Stellenausschreibung sei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (vgl. BAG Urt. v. 11.08.2016 - 8 AZR 406/14, BeckRS 2016, 112116, Rn. 33; BAG Urt. v. 16.12.2015 - 5 AZR 567/14, NZA 2016, 438, Rn 12).
Sodann nimmt das Landesarbeitsgericht in begrüßenswerter Weise eine trennscharfe Abgrenzung zwischen einer Beschreibung des Betriebs bzw. des Teams und den Anforderungen an den potentiellen Bewerber vor, mit dem zutreffenden Ergebnis, dass sich die Formulierung „jung und dynamisch“ vorliegend auf das noch nicht lange zusammenarbeitende und noch in seiner Entwicklung befindliche Team beziehe und nicht etwa eine Anforderung an einen potentiellen Bewerber darstelle.
Gleichwohl verdeutlicht die vorliegende Entscheidung, dass bei der Formulierung von Stellenausschreibungen auf Arbeitgeberseite Vorsicht geboten ist.