Arbeitsrecht Oktober 2015
Die Freistellung des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten
BAG, Urteil vom 18.3.2015 – 7 ABR 4/13
Das Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet die Arbeitgeber, die erforderlichen Kosten des Betriebsrats zu übernehmen (§§ 40 Abs. 1, 80 Abs. 3, 111 S. 3 BetrVG). Dazu gehören auch die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die der Betriebsrat in Anspruch nimmt. Diese Kostenübernahmeverpflichtung des Arbeitgebers für gegen sich selbst gerichtete Beratung kann ein enormes Konfliktpotential haben – insbesondere wenn die Beratung (teure) Beschlussverfahren zur Folge hat.
Die Arbeitsgerichte sind bei der Frage, ob die Einschaltung eines Rechtsanwaltes im Rahmen eines Beschlussverfahrens erforderlich ist, zumeist großzügig. Das BAG hat jetzt mit der zitierten Entscheidung nochmals darauf hingewiesen, dass die Prüfung der Erforderlichkeit vom Betriebsrat nicht allein anhand seiner subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen ist. Der Betriebsrat ist vielmehr gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzuwägen. Der Betriebsrat darf das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht bei der Wahl seiner Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung nicht missachten. Er hat deshalb wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er gegebenenfalls bei eigener Kostentragung anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder die Kosten tragen müssten.
Insofern wiederholt das BAG seine ständige Rechtsprechung, wonach Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats vom Arbeitgeber dann nicht zu erstatten sind, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung von vornherein offensichtlich aussichtslos erscheint oder die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten rechtsmissbräuchlich erfolgt und deshalb das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht missachtet wird. Diese Hürde wird allerdings nur in Ausnahmefällen gerissen und scheitert eher an handwerklichen Fehlern des Betriebsrats.
Interessenabwägung des Betriebsrats
In der vorliegenden Entscheidung hat das BAG die Kostenübernahme für die Einleitung eines Beschlussverfahrens mit dem Ziel der Einsetzung einer Einigungsstelle, in welcher die Beschwerde eines Mitarbeiters behandelt werden sollte, als nicht erforderlich nach § 40 Abs. 1 BetrVG erachten, weil zuvor kein Versuch der Einigung unternommen wurde. Für die Bildung einer Einigungsstelle nach § 99 ArbGG fehlt grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse, wenn die Betriebsparteien in einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit nicht den nach § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG vorgesehenen Versuch einer gütlichen Einigung unternommen, sondern sofort die Einigungsstelle angerufen haben.
Das BAG hat gleichzeitig klargestellt, dass ein Arbeitgeber nur dann die Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zugunsten des Betriebsrats zu tragen hat, wenn die Beauftragung auf einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss basiert. Der Betriebsrat muss sich als Gremium mit dem entsprechenden Sachverhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt haben. Insoweit liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Betriebsrat.
Ordnungsgemäße Beschlussfassung
Im Falle einer Rechtsverfolgung über mehrere Instanzen bedarf es nicht nur vor der erstmaligen Beauftragung eines Anwalts eines wirksamen Beschlusses des Betriebsrats, sondern grundsätzlich auch, bevor im Namen des Betriebsrats ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies gilt erst Recht, wenn der Betriebsrat in der ersten Instanz unterlegen war. Nicht zuletzt im Kosteninteresse des Arbeitgebers muss der Betriebsrat prüfen, ob und gegebenenfalls mit welchen Argumenten ein Rechtsmittel gegen eine zu seinen Lasten ergangene Entscheidung erfolgversprechend ist. Ob das Verfahren in der nächsten Instanz fortgesetzt werden soll, kann der Betriebsrat nicht bereits bei der Einleitung des Verfahrens, sondern erst dann beurteilen, wenn er die Gründe der anzufechtenden Entscheidung kennt und sich damit auseinandergesetzt hat.
Diese formelle Argumentation ist auch deshalb bedeutsam, weil die fehlende Beschlussfassung durch eine nachträgliche Genehmigung nicht geheilt werden kann.
Fazit
Die Grundkonstellation, wonach der Arbeitgeber die gegen ihn selbst gerichtete Beratung des Betriebsrats zu vergüten hat, birgt per se Konfliktpotential. Oftmals sind es dann die formellen Argumente, die einem Arbeitgeber erfolgversprechende Argumentationen liefern können, um eine Kostentragung abzulehnen.