15.12.2017Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Dezember 2017

Die neue BGH-Rechtsprechung zur D&O Versicherung – Schadensvorsorge ohne Risiken?

BGH, Urteil vom 5.4.2017 – IV ZR 360/15

Directors & Officers Versicherungen sind in der Unternehmenspraxis als Schadensvorsorge nicht mehr wegzudenken. In der Praxis ist es jedoch häufig so, dass die in Anspruch genommenen Organmitglieder ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung nicht konsequent verfolgen. Hierdurch drohte, das Versicherungsverhältnis leer zu laufen. Hier hat der BGH mit einer jüngeren Entscheidung für Klarheit gesorgt.

Das Unternehmen, welches die D&O-Versicherung für seine Führungsorgane schließt, ist Versicherungsnehmer. Das Organmitglied, der Prokurist oder der leitende Angestellte, der als Schuldner für die fahrlässig begangene Pflichtverletzung haftet, ist die versicherte Person. In diesem Dreiecksverhältnis steht der Deckungsanspruch streng genommen lediglich der versicherten Person aus der D&O-Versicherung und nicht der Gesellschaft zu.

In der Praxis besteht jedoch häufig das Bedürfnis, dass das Unternehmen als Versicherungsnehmer direkt seine Ansprüche gegen die Versicherung geltend machen kann. Ein erleichterter Zugriff geschädigter Unternehmen auf D&O-Versicherungen wurde bereits durch zwei Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2016 ermöglicht. Hiernach wurde entschieden, dass sich Unternehmen den Deckungsanspruch der versicherten Person gegen den Versicherer abtreten lassen können (vgl. hierzu auch den Beitrag im Newsletter Gesellschaftsrecht I aus dem Oktober 2016, Seite 10 f.).

Die vorgenannten Entscheidungen des BGH waren hilfreich, halfen aber nicht dort, wo die versicherte Person sich nicht rührte und insbesondere keinen Versicherungsschutz gegenüber dem D&O-Versicherer geltend machte. Üblicherweise werden nämlich in den D&O-Versicherungsverträgen Klauseln verwendet, die die Geltendmachung des Versicherungsanspruchs ausschließlich demjenigen vorbehalten, dessen Interesse versichert ist. Bleibt die versicherte Person untätig, bleibt auch die Geltendmachung dem Versicherungsnehmer aufgrund dieser Klausel versperrt.

Der BGH hat nun seine bisherige Rechtsprechung auf vorgenannte Fälle erweitert (vgl. Urteil v. 5.4.2017 – IV ZR 360/15).

Das oberste Bundesgericht räumt dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit ein, den Versicherungsschutz direkt und unmittelbar und vor allem persönlich gegen den Versicherer durchzusetzen, obwohl die ausschließliche Befugnis zur Geltendmachung des Versicherungsschutzes nur der versicherten Person zusteht. Die Feststellung, ob und inwieweit dem Versicherten ein Deckungsanspruch zusteht, liege auch in seinem wirtschaftlichen Interesse und nicht nur im Interesse des Unternehmens.

Unklar, ob bei D&O-Versicherung Haftungsprivilegierung leitender Angestellter entfällt

Die neue Rechtsprechung des BGH lässt derzeit allerdings noch offen, ob eine leitende Führungskraft, die kein Organmitglied ist, bei bestehender D&O-Versicherung bei der Haftung privilegiert werden kann. Bisher wird bei Fehlen einer Haftpflichtversicherung der Haftungsumfang zum Schutz des Arbeitnehmers begrenzt. Anderenfalls müsste der Arbeitnehmer für sein fahrlässiges Handeln gegenüber dem Arbeitgeber den Schaden bis zur vollen Höhe erstatten.

Berücksichtigt man die neue Rechtsprechung des BGH, die einen Direktanspruch des Unternehmens gegen den Versicherer ausdrücklich zulässt, müsste streng genommen auch bei der freiwilligen D&O-Versicherung die Haftungsprivilegierung entfallen.

Fazit

D&O-Versicherungen enthalten in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen Abtretungsverbote sowie Klauseln über die ausschließliche Befugnis zur Geltendmachung des Versicherungsanspruchs durch die versicherten Personen. Die Versicherungen können die Deckungszusage jedoch nicht auf Basis dieser Klauseln verweigern, wenn sich der Versicherungsnehmer den Freistellungsanspruch abtreten lässt oder die versicherte Person ihre Ansprüche nicht bei der D&O-Versicherung geltend macht. Hier kann der Versicherungsnehmer die Haftungs- und Deckungsansprüche gegenüber der D&O-Versicherung direkt und in einem einzigen Verfahren durchsetzen. Mit der jüngsten Entscheidung konnte der BGH jedoch noch nicht alle praxisrelevanten Fragen beantworten, die sich insbesondere im Rahmen der Haftungsprivilegierung von abhängig beschäftigten Führungskräften stellen.

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