Update Arbeitsrecht Dezember 2021
Ein weiterer „Stolperstein“ bei der Massenentlassungsanzeige
Abhängig von der Betriebsgröße und der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer erfordert ein größerer Personalabbau häufig eine Massenentlassungsanzeige, vgl. § 17 KSchG. Wird die Massenentlassungsanzeige nicht oder nicht wirksam erstattet, sind ausgesprochene Kündigungen unwirksam.
Die erforderlichen Angaben, die im Rahmen der Massenentlassungsanzeige zu machen sind, sind in § 17 Abs. 3 KSchG geregelt. Das Gesetz differenziert dabei zwischen „Muss-und Soll-Angaben“.
Zu den „Muss-Angaben“ gehören der Name des Arbeitgebers, der Sitz und die Art des Betriebes, die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, der Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, vgl. § 17 Abs. 3, S. 4 KSchG.
Angaben über das Geschlecht, das Alter, den Beruf und die Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gehören zu den „Soll-Angaben“, vgl. § 17 Abs. 3, S.5 KSchG. Zur Übermittlung dieser Angaben stellt die Bundesagentur für Arbeit ein gesondertes Dokument zur Verfügung („Angaben für die Arbeitsvermittlung“). Die Bundesagentur für Arbeit weist in den einschlägigen Dokumenten ausdrücklich darauf hin, dass die Einreichung dieser Anlage für die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige nicht von Relevanz sei. Es stehe dem Arbeitgeber frei, die Anlagen einzureichen.
Das LAG Hessen sieht dies anders. Mit Urteil vom 25. Juni 2021 – 14 Sa 1225/20 – hat das LAG Hessen entschieden, dass ein Fehlen der vorgenannten „Soll Angaben“ zu einer Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung gemäß § 17 Abs. 1 KSchG i.V.m. § 134 BGB führt, wenn diese Angaben nicht direkt mit der Anzeige eingereicht bzw. vor Zugang der Kündigung gegenüber der Agentur für Arbeit nachgeholt werden.
Zur Begründung stützt sich das LAG auf eine richtlinienkonforme Auslegung des § 17 Abs. 3 KSchG. § 17 Abs. 3 KSchG setze die Vorschriften der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL) um. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 3 MERL verlange die Mitteilung aller zweckdienlichen Angaben. Hierzu würden auch die in § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG genannten Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gehören. Die MERL unterscheide nicht zwischen „Muss- und Soll-Angaben“.
Das Fehlen dieser Angaben führe nach Ansicht des LAG Hessen jedenfalls dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn dem Arbeitgeber diese Angaben vorlagen oder deren Ermittlung möglich gewesen wäre, ggf. müsse er entsprechende Nachforschungen anstellen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision ist beim Bundesarbeitsgericht zum Az. 2 AZR 424/21 anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht diese Entscheidung bestätigt.
Auch wenn die Ermittlung der vorgenannten „Soll-Angaben“ für die Arbeitgeber weiteren Mehraufwand bedeutet, sind sie gut beraten, bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auch diese „Soll-Angaben“ mit der Anzeige zur Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit einzureichen, um nicht die Unwirksamkeit der folgenden Kündigungen zu riskieren.