Newsletter Arbeitsrecht Juli 2014
Erholungsbeihilfe (nur) für Gewerkschaftsmitglieder
BAG, Urteil vom 21. Mai 2014, 4 AZR 50/13, 4 AZR 120/13 u.a.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz findet keine Anwendung, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaft im Rahmen von Tarifverhandlungen vereinbaren, dass für Gewerkschaftsmitglieder bestimmte Zusatzleistungen zu erbringen sind.
Im Rahmen von Tarifverhandlungen bei der Adam Opel AG wurden Sanierungsvereinbarungen geschlossen, die u.a. auch eine Absenkung der Tariflöhne vorsahen. Die IG Metall machte ihre Zustimmung von einer Besserstellung ihrer Mitglieder abhängig. Dieser Forderung wurde von Arbeitgeberseite entsprochen. Die Adam Opel AG trat dem sog. Saarverein bei, der satzungsmäßig sog. Erholungsbeihilfen an Mitglieder der IG Metall leistet. Die Beitrittsvereinbarung sah vor, dass die Adam Opel AG einen Betrag i.H.v. 8,5 Mio. Euro zahlt. Der Verein sicherte zu, die Auszahlung von Erholungsbeihilfen i.H.v. 250 Euro brutto pro Jahr an die bei der Adam Opel AG beschäftigten Mitglieder der IG Metall vorzunehmen. Klägerinnen und Kläger in den vor dem Bundesarbeitsgericht anhängigen Verfahren waren keine Mitglieder der IG Metall. Sie erhielten keine Erholungsbeihilfe. Sie klagten gegen die Adam Opel AG und stützen ihr Zahlungsbegehren auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Klagen ebenso wie bereits zuvor das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 19. November 2012, 17 Sa 285/12, 17 Sa 134/12) abgewiesen. Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Das Gericht hat seine Entscheidung ausweislich der Pressemitteilung im Wesentlichen damit begründet, dass der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet sei: Die Beitrittsvereinbarung sei Bestandteil eines Sanierungspaketes unter Beteiligung der Tarifvertragsparteien gewesen. Solche Kollektivvereinbarungen seien nicht am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Leistungen, in deren Genuss nur Gewerkschaftsmitglieder gelangen sollen, in einem Tarifvertrag oder einer schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarung geregelt worden seien. Aufgrund der Angemessenheitsvermutung von Verträgen tariffähiger Vereinigungen finde eine Überprüfung anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht statt.
Erholungsbeihilfe als versteckter Tarifbonus
Die Entscheidung zeigt, welche (Um-)Wege die Tarifvertragsparteien mittlerweile beschreiten, um Gewerkschaftsmitgliedern einen Tarifbonus zu verschaffen. Selbst wenn man aber nicht den Weg über den Saarverein gewählt und die Erholungsbeihilfe als Zahlung des Arbeitgebers an Gewerkschaftsmitglieder in einem Tarifvertrag geregelt hätte, wäre dies zulässig gewesen. Das System des Tarifrechts ist darauf angelegt, zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern (sog. Außenseiter) zu differenzieren. Ein tarifvertraglicher Bonus für Gewerkschaftsmitglieder soll nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zulässig sein, sofern es dem Arbeitgeber im Tarifvertrag nicht verwehrt wird, eine Gleichstellung der Außenseiter herbeizuführen, und kein übermäßiger Beitrittsdruck zur Gewerkschaft entsteht, der die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter verletzen würde. Beides wäre vorliegend angesichts der Höhe der Erholungsbeihilfe zu verneinen.
Fazit
Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag ist im betrieblichen Alltag allgegenwärtig. Dies entwertet die Gewerkschaftsmitgliedschaft. Aus diesem Grund haben die Gewerkschaften die sog. tarifliche Differenzierungsklausel, welche ihren Mitgliedern exklusive Leistungen sichern soll, in den letzten Jahren neu für sich entdeckt. Dies hat die Diskussion, ob und gegebenenfalls inwieweit solche Differenzierungsklauseln zulässig sind, neu belebt. Rechtliche und tarifpolitische Erwägungen haben wohl dazu geführt, die tarifvertragliche Gestaltung fortzuentwickeln. Den neuen Weg über die Einschaltung eines gewerkschaftsnahen Vereins hat der Vierte Senat gebilligt.