29.11.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht November 2023

Fristlose Kündigung wegen Beleidigungen in privater Whatsapp-Gruppe

BAG, Urteil vom 24.08.2023, 2 AZR 17/23

Das BAG hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob menschenverachtende und beleidigende Chats in einer privaten WhatsApp Gruppe für die Rechtfertigung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung herangezogen werden und in einem Kündigungsschutzrechtsstreit verwertet werden dürfen. Die Entscheidung liegt bisher nur als Pressemitteilung vor.

Sachverhalt

Der bei der Beklagten beschäftigten Kläger gehörte einer aus insgesamt sechs aktiven und einem ehemaligen Arbeitskollegen bestehenden Chatgruppe an. Die Kollegen waren langjährig befreundet, zwei Mitglieder sogar verwandt. Neben privaten Themen äußerte sich der Kläger in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen. Nachdem die Beklagte zufällig davon Kenntnis erlangte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos. Hiergegen wandte sich der Kläger mittels einer Kündigungsschutzklage. Er vertrat die Ansicht, der Inhalt des Chat-Verlaufs habe von der Beklagten nicht verwendet werden dürfen und dürfte auch im Rechtsstreit nicht verwertet werden, da es sich um einen rein privaten Austausch gehandelt habe.

Die Vorinstanzen gaben dem Kläger Recht. Das BAG hat das Berufungsurteil gekippt und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Berechtigte Vertraulichkeitserwartung bei privater Chat-Gruppe?

Schon die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass die beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen des Klägers u.a. über Vorgesetzte dem Grunde nach geeignet sind, eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen. Auch die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist war eingehalten. Streitentscheidend war daher die Frage, ob der Kläger berechtigterweise darauf vertrauen durfte, dass die ihm vorgeworfenen Äußerungen vertraulich bleiben. Schließlich hat der Kläger seine beleidigenden Äußerungen nicht direkt gegenüber dem Vorgesetzten ausgesprochen, sondern in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe. Die Vertraulichkeit des Wortes ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit verfassungsrechtlich geschützt.

Ab dem Zeitpunkt, an dem der Gekündigte damit rechnen muss, dass seine Äußerungen auch nach außen dringen können, kann er sich nicht mehr auf die Vertraulichkeit seines Worts berufen.

Dieser Rechtsprechung ist das BAG in der hier besprochenen Entscheidung treu geblieben. Dass das Urteil in der Öffentlichkeit Resonanz gefunden hat, liegt zum Einen an dem brisanten Sachverhalt (aufgrund der enormen Schwere der Beleidigungen) und zum Anderen daran, dass das BAG – für viele vielleicht unerwartet – die private Chatgruppe nicht von vornherein als vertraulichen/ geschützten Raum angesehen hat. Anders als das vertrauliche „Vier-Augen-Gespräch“ unter Kollegen sieht das BAG die Chatgruppe sehr viel kritischer, v.a. wegen der „Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums“ (hier: Whatsapp). So hat es den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen, damit der Kläger darlegen kann, warum er angesichts (i) der Größe der Chatgruppe, (ii) ihrer geänderten Zusammensetzung (ein ehemaliger Kollege kam erst sechs Jahre nach Gründung dazu), (iii) der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und (iv) der Nutzung des schnellen Messengerdienstes überhaupt eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Bei einem vertraulichen Gespräch unter befreundeten Kollegen darf man grundsätzlich darauf vertrauen, es werde von dem Gesagten nichts „durchsickern“. Doch sind die Umstände beim Chatten über WhatsApp anders, weil ein Chatverlauf auf dem Smartphone gespeichert wird und kopiert werden. Derjenige, der sich im Chat äußert, hat somit viel weniger Anlass, darauf zu vertrauen, dass nichts aus dem Gespräch nach außen dringt; einfach aufgrund der Tatsache, dass viel leichter etwas nach außen dringen kann.

Praxisausblick

Beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen können eine fristlose Kündigung rechtfertigen, auch wenn die Äußerung in einer privaten Chatgruppe erfolgt. Die (rhetorische) Frage des BAG, warum die Nutzung eines Messengerdienstes zu einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung führe, darf man jedenfalls dahingehend verstehen. Wer diese Dienste nutzt, muss immer damit rechnen, dass die Nachricht weitergeleitet wird.

 

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