Newsletter Gesellschaftsrecht Oktober 2016
Keine Gleichwertigkeit einer GmbH-Gründung durch einen Berner Notar
In seinem Beschluss vom 22. Januar 2016 hatte sich das AG Charlottenburg mit der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage der Wirksamkeit einer Beurkundung des Gründungsprotokolls einer GmbH durch einen schweizerischen Notar zu beschäftigen. Hintergrund dieser Entscheidung ist ein sogenannter „Beurkundungstourismus“ zu Notaren in der Schweiz zur Kostenersparnis. Die Wirksamkeit ausländischer Beurkundungen von gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten beschäftigt bereits seit längerem Rechtsanwälte, Notare und Gerichte.
Gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG bedarf der Gesellschaftsvertrag einer GmbH der notariellen Form. Diese erfordert die Beurkundung der Willenserklärungen der Gesellschafter durch einen deutschen Notar oder Konsularbeamten. Ob eine Beurkundung der Gründungsdokumente einer GmbH durch einen ausländischen Notar erfolgen kann, ist umstritten und bislang höchstrichterlich nicht entschieden. In zwei Entscheidungen zur Satzungsänderung (BGH, Beschluss vom 16.2.1981 – II ZB 8/80) und zur Geschäftsanteilsabtretung (BGH, Urteil vom 22.5.1989 – II ZR 211/88) beschäftigte sich der BGH bereits mit der Problematik ausländischer Beurkundungen. In diesen Entscheidungen stellte der BGH darauf ab, ob die Beurkundung durch einen ausländischen Notar der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig ist. Eine Gleichwertigkeit sei gegeben, wenn für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht entsprechend der tragenden Grundsätze des deutschen Beurkundungsrechts beachtet worden sei und wenn die ausländische Urkundsperson eine Tätigkeit entsprechend der Funktion des deutschen Notars ausübe. Nach einer weiteren Entscheidung des BGH (Beschluss vom 17.12.2013 – II ZB 6/13) darf ein deutsches Gericht die von einem Baseler Notar eingereichte Gesellschafterliste nicht zurückweisen. Der ausländische Notar sei als Annexkompetenz zu einer von ihm beurkundeten Anteilsabtretung zur Einreichung der Gesellschafterliste berechtigt. Ob die Beurkundung der Anteilsabtretung zulässig war, hatte der BGH aus prozessualen Gründen nicht zu entscheiden. Ferner sei nach Ansicht des BGH auch die Beurkundung der Hauptversammlung einer deutschen AG durch einen ausländischen Notar zulässig (BGH, Urteil vom 21.10.2014 – II ZR 330/13), da diese keine Beurkundung von Willenserklärungen zum Gegenstand habe.
In seiner Entscheidung zur Gleichwertigkeit der GmbH-Gründung durch einen Berner Notar wies das AG Charlottenburg die Anmeldung der GmbH zum Handelsregister zurück. Die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorausgesetzte Form der notariellen Beurkundung sei nicht eingehalten und die Gesellschaft sei daher nicht ordnungsgemäß errichtet worden. Das Beurkundungsverfahren nach dem Recht des Schweizer Kantons Bern sei dem deutschen Beurkundungsverfahren aufgrund eklatanter Abweichungen hinsichtlich tragender Grundsätze nicht gleichwertig. Dem deutschen Beurkundungsverfahren sei das Verlesen der Urkunde immanent, da es das entscheidende Abgrenzungsmerkmal der Beurkundung zur bloßen Beglaubigung darstelle. Hingegen verlange die Notariatsordnung des Kantons Bern ein Verlesen der Urkunde lediglich dann, wenn Letztere Willenserklärungen enthalte. Darüber hinaus seien Anlagen nach Berner Recht, entgegen § 9 Abs. 1 Satz 2 des deutschen Beurkundungsgesetzes, überhaupt nicht zu verlesen. Zudem sei es Aufgabe des Notars, eine inhaltliche Richtigkeit zu gewähren, für die die Kenntnisse eines ausländischen Notars grundsätzlich nicht ausreichten. Schließlich unterliege auch nur der deutsche Notar gewissen Pflichten, namentlich Melde- und Kontrollpflichten. Eine abweichende Beurteilung könne sich auch nicht dadurch ergeben, dass ein Berner Notar den deutschen Standard freiwillig anwende. Zugunsten der Rechtssicherheit könne nicht in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die konkrete Beurkundung dem deutschen Recht gleichwertig erfolgt sei.
Fazit: Die Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge durch ausländische, insbesondere schweizer Notare ist umstritten und beschäftigt regelmäßig die Gerichte. Der Beschluss des AG Charlottenburg zur Zulässigkeit der GmbHGründung durch einen Berner Notar bringt sich in diese Entscheidungen ein. In der Praxis gibt es keine einheitliche Rechtsprechung, die die Beurkundung durch ausländische, insbesondere schweizer Notare allgemein zulässt oder ablehnt. Vielmehr entscheiden die Gerichte stets anhand des konkreten Beurkundungstatbestandes im konkreten Einzelfall. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. In der Rechtspraxis ist daher zu raten, die Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge stets durch einen deutschen Notar vornehmen zu lassen. Dies auch deshalb, da die unsichere Variante der Beurkundung durch einen schweizer Notar nach der Neuordnung der deutschen Notargebühren, insbesondere der Einführung einer Konzernklausel und Gebührenobergrenzen nicht mehr zwingend mit einem auffallenden Kostenvorteil verbunden sein dürfte. Der mögliche Kostenvorteil wiegt das bestehende Rechtsrisiko der Unwirksamkeit der Beurkundung nicht auf.