25.02.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Februar 2022

Klageverzichtsprämie im Sozialplan

BAG, Urteil vom 07. Dezember 2021 – 1 AZR 562/20

Wenn sich Unternehmen dazu entscheiden, Betriebe oder wesentliche Betriebsteile zu schließen oder andere Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG zu vollziehen, ist ein Sozialplan zu vereinbaren, soweit für den betroffenen Betrieb ein Betriebsrat besteht (§ 112 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 BetrVG). Der Sozialplan dient dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer. Geht die Betriebsänderung mit einem Personalabbau einher, werden im Sozialplan vor allem Abfindungsregelungen getroffen, um den Verlust der Arbeitsplätze zu kompensieren. In diesem Kontext müssen sich Unternehmen mit der Frage auseinandersetzen, ob und in welcher Höhe die jeweilige Sozialplanabfindung gedeckelt werden soll. Zugleich besteht im Fall von Betriebsänderungen das Risiko, dass Arbeitnehmer – auch wenn sie infolge einer Kündigung Abfindungsansprüche nach einem Sozialplan beanspruchen können – gegen die auszusprechenden Kündigungen Kündigungsschutzklagen erheben. Um den damit zusammenhängenden Aufwand, insbesondere die Durchführung langwieriger Kündigungsschutzverfahren, zu vermeiden, kann sich die Vereinbarung einer sogenannten Klageverzichtsprämie anbieten, die dem jeweiligen Arbeitnehmer zugesagt wird, wenn er darauf verzichtet, die gegen ihn ausgesprochene Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit eine solche Klageverzichtsprämie einer im Sozialplan geregelten Kappungsgrenze unterfällt. Hiermit hatte sich nun jüngst das Bundesarbeitsgericht auseinanderzusetzen.

Sachverhalt

Der 1961 geborene klagende Arbeitnehmer war seit dem Jahr 1987 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Die Arbeitgeberin entschied sich im Jahr 2019 dazu, den Beschäftigungsbetrieb des Klägers zu schließen. Diesbezüglich wurde mit dem im Betrieb gebildeten Betriebsrat ein Sozialplan abgeschlossen. Der Sozialplan sah für Arbeitnehmer, die betriebsbedingt gekündigt wurden, eine Abfindung vor, deren Höhe sich nach der Betriebszugehörigkeit, dem Bruttomonatseinkommen und einem nach dem Lebensalter zu berechnenden Faktor bemaß. In diesem Zusammenhang sah der Sozialplan einschränkend vor: „Der sich daraus ergebende Abfindungsbetrag (Gesamtabfindung) wird auf einen max. Höchstbetrag von 75.000,00 € pro Arbeitnehmer beschränkt. Für Mitarbeiter, die 62 Jahre und älter am Stichtag 30. Juni 2019 sind, beträgt der Höchstbetrag 45.000 €.“

Zusätzlich schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie“. Diese Betriebsvereinbarung enthielt unter anderem folgende Regelung: „Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 5. Juni 2019 fallen und Ansprüche auf eine Abfindung haben, gekündigt werden und keine Kündigungsschutzklage erheben, haben Anspruch auf eine höhere Abfindung.“

Nachdem der Kläger die betriebsbedingte Kündigung erhalten hatte, erhob er keine Kündigungsschutzklage. Die Arbeitgeberin zahlte sodann eine Sozialplanabfindung in Höhe von 75.000,00 € an den Kläger. Der Kläger machte sodann unter anderem geltend, dass er einen Anspruch auf Zahlung erhöhter Abfindungsbeträge habe. Dies begründete er einerseits damit, dass er eine erhöhte Abfindung infolge des Klageverzichts nach den Regelungen der „Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie“ in Höhe von 26.635,12 € brutto beanspruchen könne, weil diese nicht unter den Höchstbetrag aus dem Sozialplan falle. Zudem machte er hilfsweise die Zahlung einer um weitere 26.213,45 € brutto höheren Abfindung aus dem Sozialplan selbst geltend, da die Deckelung der Sozialplanabfindung eine Altersdiskriminierung darstelle und somit unwirksam sei.

Der Kläger blieb sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz mit seiner Klage erfolglos. Die Revision des Klägers vor dem Bundesarbeitsgericht hatte dagegen teilweise Erfolg.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der erhöhten Abfindung nach der „Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie“ in Höhe von 26.635,12 € brutto habe. Die Höchstbetragsregelung des Sozialplans (75.000 €) finde hierbei keine Anwendung. Das Bundesarbeitsgericht führt zur Begründung sowohl den Wortlaut der Betriebsvereinbarung als auch den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelung an. Insbesondere habe die Betriebsvereinbarung keinen eindeutigen Verweis auf die Kappungsgrenze des Sozialplans enthalten. Dies habe zur Folge, dass der im Sozialplan geregelte Höchstbetrag ausschließlich für die Sozialplanabfindung, nicht aber für die nach der Betriebsvereinbarung erhöhte Abfindung gelte.

Im Übrigen blieb der Kläger mit seiner Revision erfolglos. Der Kläger habe – abgesehen von der Erhöhung wegen des Klageverzichts – keinen Anspruch auf eine höhere Sozialplanabfindung in Höhe von weiteren 26.213,45 € brutto, da für diese wirksam eine Höchstgrenze von 75.000 € vereinbart worden sei. Eine vom Kläger angeführte Altersdiskriminierung wegen der Festlegung eines Höchstbetrags für die Sozialplanabfindung besteht – so das Bundesarbeitsgericht – im vorliegenden Fall nicht, da mit der Kappung in Höhe von 75.000 € ein legitimes Ziel gemäß §§ 3 Abs. 2, 10 S. 1 AGG i. V. m. § 75 BetrVG verfolgt werde. Die Festlegung einer maximal zu zahlenden Abfindung solle dem Umstand Rechnung tragen, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel gleichermaßen verteilt werden. Da die Abfindungen für Arbeitnehmer der Altersgruppe von 51 bis 60 Jahren wegen der höheren Faktoren und ihrer regelmäßig längeren Betriebszugehörigkeit typischerweise besonders hoch ausfielen, bezwecke die Regelung die Sicherstellung von Verteilungsgerechtigkeit. Die Kappungsgrenze stelle vor diesem Hintergrund ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Verfolgung dieses legitimen Zwecks dar.

Praxishinweise

Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lassen sich zwei wesentliche Schlussfolgerungen für den Abschluss von Sozialplänen und Klageverzichtsprämien ziehen:

Zum einen hat das Bundesarbeitsgericht angedeutet, dass eine im Sozialplan vereinbarte Kappungsgrenze sich durchaus auch auf die Klageverzichtsprämie in einer gesonderten Betriebsvereinbarung erstrecken kann. Wichtig ist hierbei jedoch, dass eine konkrete Bezugnahme in der Betriebsvereinbarung auf die Kappungsgrenze des Sozialplans erfolgt. Arbeitgebern ist es daher dringend anzuraten, eine klare Bezugnahme zwischen den einzelnen Regelungen herzustellen, sofern eine Anrechnung beabsichtigt ist. Anderenfalls besteht das Risiko, dass keine Deckelung erfolgt und somit in finanzieller Hinsicht unvorhergesehene zusätzliche Belastungen für das Unternehmen bestehen. Zu beachten ist ferner, dass eine Klageverzichtsprämie im Sozialplan selbst nicht enthalten sein darf. Eine entsprechende Regelung muss also, sofern sie beabsichtigt ist, stets in einer gesonderten Vereinbarung getroffen werden.

Zum anderen hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass Kappungsgrenzen in Sozialplänen jedenfalls nicht grundsätzlich eine Altersdiskriminierung begründen. Diesbezüglich kommt es jedoch auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, unter anderem auf die Altersstruktur im betroffenen Betrieb, an. Es ist insbesondere zu prüfen, ob unter Anwendung der Kappungsgrenze eine hinreichende „Verteilungsgerechtigkeit“ gewährleistet werden kann.

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