Update Arbeitsrecht Mai 2024
„Kleinerer“ Betriebsrat bei Bewerbermangel möglich
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24. April 2024 – 7 ABR 26/23 (bislang nur als Pressemeldung vorliegend)
Die Größe des Betriebsratsgremiums richtet sich nach der Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb. Beispielsweise sind in einem Betrieb mit 101 bis 200 Arbeitnehmern 7 Betriebsratsmitglieder zu wählen. Tritt der praktisch äußerst seltene Fall ein, dass der Betrieb nicht ausreichend viele wählbare Arbeitnehmer hat – etwa weil eine Vielzahl der Beschäftigten dem Betrieb weniger als sechs Monate angehört (§ 8 BetrVG) –, so ist nach § 11 BetrVG die „nächstkleinere“ Betriebsratsgröße zu grunde zu legen. Das Gesetz schweigt jedoch zu dem Fall, dass dem Betrieb zwar ausreichend viele (passiv) wählbare Arbeitnehmer angehören, die Zahl der Bewerber jedoch hinter der vorgesehenen Betriebsratsgröße zurückbleibt. Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass auch in diesem Fall ein „kleinerer“ Betriebsrat errichtet werden kann.
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin ist Trägerin einer Klinik mit etwa 170 beschäftigten Arbeitnehmern. § 9 BetrVG sieht bei dieser Belegschaftsstärke eine Betriebsratsgröße von 7 Mitgliedern vor.
Bei der im Frühjahr 2022 eingeleiteten Betriebsratswahl kandidierten allerdings lediglich drei Arbeitnehmerinnen. Gewählt wurde deshalb ein Betriebsrat mit drei Mitgliedern.
Die Klinikträgerin hält diese Wahl für nichtig und hat vor Gericht eine entsprechende Feststellung begehrt. Dem hat weder das Arbeitsgericht Hamburg noch das Landesarbeitsgericht Hamburg entsprochen: Beide hielten die Betriebsratswahl für wirksam.
Entscheidung
Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Nach Auffassung des Senats steht es der Wahl eines Betriebsrates nicht entgegen, wenn sich nicht genügend Bewerber für das Betriebsratsamt finden. Das folge vor allem aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgedrückten Willen des Gesetzgebers, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar seien, Betriebsräte gewählt würden. Bei der Betriebsratsgröße sei in der Konstellation von weniger Kandidaten als zu besetzenden Betriebsratssitzen auf die (jeweils) nächstniedrigere Stufe des § 9 BetrVG so lange zurückzugehen, bis die Zahl von Bewerbern für die Errichtung eines Gremiums mit einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern ausreiche.
Einordnung / Fazit
Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts kann nicht überzeugen. Auch wenn bislang lediglich eine Pressmitteilung vorliegt, ist zu vermuten, dass sich das Gericht hier eine in der Literatur schon länger vertretene Auffassung zu eigen gemacht hat, nach der § 11 BetrVG bei unzureichender Bewerberzahl analog anzuwenden ist. Allerdings ist die Interessenlage eine gänzlich andere. § 11 BetrVG regelt den Fall, dass ein Betriebsrat – in Ermangelung einer ausreichenden Zahl wählbarer Arbeitnehmer – nicht gebildet werden kann. Hier geht es jedoch um den Fall, dass er sich nicht – in der vorgesehenen Größe – bilden will. Dieser (fehlende) Wille ist zu respektieren. Die Einsetzung eines Betriebsrates um jeden Preis sieht das Gesetz nicht vor. Die Praxis wird sich dennoch mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die immerhin für Rechtsklarheit sorgt, arrangieren müssen.