16.12.2019Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Dezember 2019

Kündigung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund wegen gravierender Compliance-Verstöße

OLG Hamm, Urteil vom 29.05.2019 – 8 U 146/18

Das OLG Hamm (Urteil vom 29.05.2019 – 8 U 146/18) setzt sich in seinem nun veröffentlichten Urteil mit der Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrages bei Verstößen gegen Compliance-Vorschriften auseinander. Dabei entschied das OLG Hamm, dass Verstöße gegen unternehmensinterne Compliance-Vorschriften einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Zudem stärkte es unternehmensinterne Compliance-Abteilungen. Deren Arbeit wird insofern erleichtert, als dass der Zeitdruck aus § 626 Abs. 2 BGB, die Kündigung binnen zweier Wochen auszusprechen, nun im Lichte und zu Gunsten umfassender Ermittlungen gesehen werden muss.

Problemaufriss

Der Kläger wehrt sich gegen die Kündigung seines Geschäftsführer-Dienstvertrages bei der Beklagten. Eine unternehmensinterne Richtlinie verlangte bei Provisionszahlungen von mehr als 3 Prozent des Nettoauftragsvolumens die vorherige Zustimmung des Bereichsvorstandes. Über ein Geschäft mit einer erhöhten Provision, welche durch eine fiktive Reklamationsforderung verdeckt werden sollte, war der Kläger informiert. Diese Reklamationsgutschrift unterzeichnete er im Anschluss. Der Kläger verteidigte sich mit der Behauptung, sein Mitgeschäftsführer habe die Zahlung durch eine Haftnotiz an den Unterlagen genehmigt, weshalb er selber die Unterlagen nur noch oberflächlich angesehen habe. Die anschließenden Ermittlungsarbeiten der Compliance-Abteilung dauerten zehn Wochen aufgrund von Urlaub und Dienstreisen. Erst nach Abschluss dieser Ermittlungen und nach der hierzu einberufenen Gesellschafterversammlung wurde dem Kläger fristlos gekündigt.

Entscheidung des OLG Hamm

Nach Ansicht des OLG ist die fristlose Kündigung wirksam und ein Schadenersatzanspruch besteht nicht. Das Verhalten des Klägers stelle in mehrfacher Sicht einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB dar. Der Kläger habe durch sein Verhalten gegen bestehende Interessenwahrungs- und Vermögensbetreuungspflichten verstoßen sowie das besondere Vertrauensverhältnis zur Gesellschaft verletzt. Zudem sei die Provisionsabrede und deren Autorisierung ein Verstoß gegen die unternehmensinternen Compliance-Vorschriften gewesen. Der Kläger könne nicht zuverlässig über Haftnotizen kommunizieren oder sein Verhalten damit begründen, denn das sorgfältige Lesen von Unterlagen stelle eine weitere Pflicht dar, gegen die grob verstoßen worden sei. Zudem könne er sich nicht darauf berufen, dass sein Mitgeschäftsführer die Zahlung gebilligt habe, da ein kollusives Zusammenwirken über nicht dispositive Regelungen pflichtwidrig sei.

Eine Kündigung kann auch nach 10 Wochen noch fristgerecht i.S.d. § 626 Abs. 2 BGB sein, wenn erst sorgfältig ermittelt werden muss. Die Frist beginnt dabei nicht mit Aufnahme der Ermittlungen, sondern wenn zuverlässige und vollständige Tatsachen vorliegen, die die Entscheidung zur Fortsetzung oder Beendigung des Dienstverhältnisses ermöglichen. Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund setzt keine Abmahnung voraus. Zudem wäre diese aufgrund der nicht notwendigen Schutz- und Dokumentationsfunktion bei Leitungsorganen von Kapitalgesellschaften entbehrlich.

Fazit

Die Arbeit von Compliance-Abteilungen wird durch dieses Urteil erleichtert, da sich der Beginn der 2-Wochen-Frist aus § 626 Abs. 2 BGB zugunsten interner Ermittlungsarbeiten nach hinten verschieben kann. Durch die gewonnene Zeit können Befragungen und Ermittlungen sorgfältig vorbereitet und ausgeführt sowie Haftungsrisiken wegen ungerechtfertigter Kündigungen verringert werden. Durch das Urteil wird zudem Compliance als (internes) Regelungswerkzeug gestärkt, da Verstöße gegen unternehmensinterne Compliance-Vorschriften als schwerwiegende Pflichtverletzung gewertet werden können. Wichtig ist nun für die Praxis, interne Compliance-Richtlinien sorgfältig zu prüfen und zu überarbeiten, da diese für alle Beteiligten an Bedeutung gewinnen. Für leitende Angestellte und Geschäftsführer ist es durch dieses Urteil unumstößlich, sich mit den unternehmenseigenen Compliance-Vorschriften intensiv(er) auseinanderzusetzen.

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