Update Arbeitsrecht Mai 2021
Kündigung wegen behördlicher Quarantäne-Anordnung ist sittenwidrig
ArbG Köln, Urteil vom 15.04.2021 – 8 Ca 7334/20
Die Kündigung eines Arbeitnehmers, welcher aufgrund behördlich angeordneter häuslicher Quarantäne zum Zwecke des Infektionsschutzes aufgrund der Covid19-Pandemie seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, ist auch außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes regelmäßig unwirksam.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer befand sich auf telefonische Anordnung des Gesundheitsamts als Kontaktperson einer positiv auf Covid-19 getesteten Person in häuslicher Quarantäne. Hierüber informierte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, einen kleinen Dachdeckerbetrieb mit weniger als zehn Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber vermutete, der Arbeitnehmer wolle sich lediglich vor der Erbringung seiner Arbeitsleistung „drücken“ und bezweifelte die telefonische Quarantäneanordnung. Er forderte den Arbeitnehmer auf, eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes beizubringen oder anderenfalls umgehend zur Arbeit zu erscheinen. Die Vorlage einer schriftlichen Bestätigung war dem Arbeitnehmer allerding nicht möglich. Eine solche wurde ihm auf seine telefonische Nachfrage hin zwar in Aussicht gestellt, wegen Überlastung des Gesundheitsamtes aber erst am vorletzten Tag der Quarantäne schriftlich erlassen und übersendet.
Als die schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes auch nach mehreren Tagen noch nicht vorlag und der Arbeitnehmer wegen der behördlichen Quarantäneanordnung nicht zur Arbeit erschien, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Hiergegen wehrte sich der Arbeitnehmer.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln
Das Arbeitsgericht Köln hielt die Kündigung für sittenwidrig und gab der Kündigungsschutzklage statt.
Aufgrund der geringen Betriebsgröße und der Nichterfüllung der sechsmonatigen Wartefrist, war das Kündigungsschutzgesetz in dem vorliegenden Fall nicht anwendbar. Für die Rechtswirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung bedurfte es daher keiner sozialen Rechtfertigung in Form eines Kündigungsgrundes. Aus der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes folgt jedoch nicht die grenzenlose Zulässigkeit von Kündigungen. Grenzen setzen hier beispielsweise die Sittenwidrigkeit, der Grundsatz von Treu und Glauben oder das Maßregelungsgebot. Auch wenn solche Fälle in der Praxis eher eine untergeordnete Rolle spielen, genießen Arbeitnehmer damit einen gewissen Schutz vor willkürlichen oder sachfremden Kündigungen.
So hat das Arbeitsgericht Köln im vorliegenden Fall entschieden, dass die Kündigung des Arbeitnehmers als auf sachfremden Motiven beruhende willkürliche Kündigung gem. §§ 138, 242 BGB rechtsunwirksam ist. Eine behördlich angeordnete Quarantäne begründet zwar per se keinen Sonderkündigungsschutz für die Dauer der Quarantäne. Eine Kündigung im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer behördlich angeordneten Quarantäne erweist sich aber dann als unwirksam, wenn der Arbeitgeber – wie in dem vorliegenden Fall – aufgrund des verzögerten Eingangs der schriftlichen behördlichen Bestätigung der Quarantäne diese bezweifelt und den Arbeitnehmer insofern der Drucksituation aussetzt, entweder gegen die behördliche Quarantäne zu verstoßen oder aber seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Es könne von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz allein deswegen verliert, weil die behördliche Quarantäne-Anordnung dem Arbeitnehmer zunächst nur telefonisch (d.h. ohne Nachweismöglichkeit ggü. dem Arbeitgeber) übermittelt wird und deren schriftliche Bestätigung erst deutlich später erfolgt, so das Arbeitsgericht Köln. Denn insoweit handle es sich um einen zeitlichen Ablauf, auf den der Arbeitnehmer nicht den geringsten Einfluss habe.
Praxishinweis
Aus der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes folgt keine grenzenlose Zulässigkeit von Kündigungen. Bei Ausspruch von Kündigungen hat ein Arbeitgeber auch bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu beachten. Nicht immer kann die Anordnung einer Quarantäne durch die Gesundheitsämter sofort schriftlich belegt werden. Daraus aber auf einen „Schwänzer“ zu schließen, wie im vorliegenden Fall, ist nicht gerechtfertigt.