Update Arbeitsrecht April 2023
LAG Nürnberg: Abberufung vom Amt des Abfallbeauftragten – Direktionsrecht des Arbeitgebers
LAG Nürnberg, Urteil vom 21. Februar 2023 – 5 Sa 76/22
Es gibt eine Vielzahl möglicher Sonderbeauftragter in Betrieben und Unternehmen. Manche dieser Ämter sind weithin bekannt, so wie das des Datenschutzbeauftragten. Es gibt aber auch Sonderbeauftragte, die in der Öffentlichkeit eher ein Schattendasein führen. Zu diesen dürfte auch der Betriebsbeauftragte für Abfall (kurz: Abfallbeauftragter) zählen.
Nicht jeder Betrieb muss einen Abfallbeauftragten ernennen. Verpflichtet sind Betriebe hierzu nur in den in § 59 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) geregelten Fällen. Dies betrifft beispielsweise Betreiber von Anlagen, in denen regelmäßig gefährliche Abfälle anfallen. Das Amt des Abfallbeauftragten kann entweder intern durch einen Arbeitnehmer oder durch einen externen Dienstleister besetzt werden.
Gibt es im Betrieb einen internen Abfallbeauftragten, muss der Arbeitgeber einiges beachten: Zunächst besteht zugunsten des Abfallbeauftragten ein Sonderkündigungsschutz (§ 60 Abs. 3 S. 1 KrWG i.V.m. § 58 Abs. 2 BImSchG). Ebenso darf der Abfallbeauftragte wegen der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden (§ 60 Abs. 3 S. 1 KrWG i.V.m. § 58 Abs. 1 BImSchG). Schließlich ist insbesondere vor der Bestellung und Abberufung der Betriebs- bzw. Personalrat zu unterrichten (§ 60 Abs. 3 S. 1 KrWG i.V.m. § 55 Abs. 1a BImSchG).
Nun hat das LAG Nürnberg entschieden, dass die Abberufung eines Arbeitnehmers vom Amt des Abfallbeauftragten nicht den Regeln für die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitsgebers unterliege. Das bedeutet insbesondere: Der Arbeitgeber ist bei seiner Entscheidung über die Abberufung – anders als es § 106 GewO vorsieht – nicht an die Grenzen billigen Ermessens gebunden.
Sachverhalt
Der Kläger ist seit Dezember 1993 bei dem Beklagten beschäftigt. Im März 1994 wurde der Kläger durch den Beklagten zum Abfallbeauftragten ernannt. Zum 31.03.2017 widerrief der Beklagte die Bestellung des Klägers als Abfallbeauftragter und ernannte stattdessen einen externen Abfallbeauftragten. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage. Der Beklagte habe die der Abberufung angeblich zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung nicht ausreichend substantiiert dargelegt.
Entscheidung des LAG Nürnberg
Anders als zuvor das Arbeitsgericht Nürnberg wies das LAG Nürnberg die Klage insoweit ab. Die Abberufung des Klägers als Abfallbeauftragter sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Zunächst stellte das LAG Nürnberg in seiner Entscheidung heraus, dass es sich bei dem Abfallbeauftragten – genau wie beim Datenschutzbeauftragten – um ein sogenanntes Funktionsamt handelt. Führe ein Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis das Amt aus, werde der Arbeitsvertrag für die Dauer der Ausführung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen um die mit dem Amt verbundenen Aufgaben erweitert. Sobald das Amt – etwa durch Widerruf der Bestellung – entfalle, sei die Tätigkeit nicht mehr Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung. Insoweit entfalle auch der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch. Anderes könne lediglich dann gelten, wenn im Arbeitsvertrag explizit der Arbeitnehmer die Tätigkeit des Abfallbeauftragten übernehme. Dies sei hier aber nicht der Fall.
Darüber hinaus – so das LAG Nürnberg – erfolge die Abberufung vom Amt des Abfallbeauftragten nicht im Wege des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts. Die Abberufung und Bestellung richte sich vielmehr unabhängig vom Grundverhältnis (Arbeitsverhältnis) allein nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Diese knüpfen die Abberufung des Abfallbeauftragten jedoch nicht an irgendwelche materiellen Voraussetzungen; insbesondere nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Die Abberufung selbst sei auch nicht als Benachteiligung im Sinne des § 58 Abs. 1 BImSchG zu verstehen.
Schließlich führe auch eine unterbliebene bzw. nicht ordnungsgemäß erfolgte Beteiligung des Personalrats nicht zur Unwirksamkeit der Abberufung. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 3 KrWG i.V.m. § 55 Abs. 1a S. 2 BImSchG. Denn anders als § 102 Abs. 1 BetrVG sei insoweit bei einer Nichtbeteiligung nicht die Unwirksamkeit der Maßnahme vorgesehen.
Hinweise
Gegen das Urteil des LAG Nürnberg wurde bereits Revision beim BAG eingelegt (Az.: 5 AZR 68/23). Wir werden über den Ausgang des Verfahrens beim BAG berichten.
Ungeachtet dessen gilt: Auch wenn die Abberufung vom Amt des Abfallbeauftragen nicht den Regeln für die Ausübung des Direktionsrechts unterliegen mag, ist im Anschluss an die Abberufung dennoch der nachwirkende Kündigungsschutz zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 3 S. 1 KrWG i.V.m. § 58 Abs. 2 S. 2 BImSchG). Ein Jahr lang – vom Zeitpunkt der Beendigung der Bestellung an gerechnet – ist die ordentliche Kündigung des (ehemaligen) Abfallbeauftragten ausgeschlossen.
Darüber hinaus ist die Entscheidung des LAG Nürnberg nicht ohne Weiteres auf die Abberufung des Datenschutzbeauftragten übertragbar. Denn – anders als beim Abfallbeauftragten – sieht § 6 Abs. 4 S. 1 (i.V.m. § 38 Abs. 2 BDSG) vor, dass die Abberufung des Datenschutzbeauftragten nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig ist.