28.04.2023Fachbeitrag

Update Update IP, Media & Technology Nr. 81

Neuer EU-Richtlinienvorschlag zum Green Marketing

Im Dezember 2019 stellte die EU-Kommission den europäischen Grünen Deal vor, einen Fahrplan, der die Wirtschaft in der EU nachhaltiger und Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen soll.

Ein erklärtes Ziel des Grünen Deals ist es unter anderem, Verbraucher in die Lage zu versetzen, beim Kauf von Produkten fundierte und umweltfreundliche Entscheidungen zu treffen. Untersuchungen aus den Jahren 2014 und 2020 hatten ergeben, dass ein Anteil von 53,3 % der untersuchten umweltbezogenen Aussagen vage, irreführend oder unbegründet waren. In mehr als der Hälfte aller Fälle stellte das werbende Unternehmen keine ausreichenden Informationen zur Verfügung, um die Richtigkeit der Aussage bewerten zu können. Wenig überraschend ist daher das Ergebnis einer im Jahr 2020 durchgeführten Konsultation, nach der die Öffentlichkeit die Vertrauenswürdigkeit umweltbezogener Aussagen generell nur mit 1,57 von 4 Punkten bewertete. Ähnlich problematisch stellt sich nach Auffassung der Kommission die Verwendung von Umweltzeichen dar: Eine Studie ergab, dass derzeit über 200 solcher umweltbezogener Zeichen in der EU verwendet werden. Fast die Hälfte davon ist nicht oder nur unzureichend verifiziert. Dementsprechend schlecht ist es auch um die Vergleichbarkeit der Umweltzeichen und das Vertrauen der Verbraucher in solche Label bestellt.

Um Verbraucher vor allem besser gegen unlautere Praktiken zu schützen, legte die Europäische Kommission als Teil eines Richtlinienpakets zunächst im März 2022 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) vor. Ende März 2023 folgte nun der Entwurf für eine Richtlinie über die Substantiierung und Kommunikation von ausdrücklich umweltbezogenen Angaben (COM (2023) 166 final), die Green Claims Richtlinie, der den Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Änderung der UGP-Richtlinie ergänzt. Bislang sind beide Richtlinienentwürfe noch nicht verabschiedet. Bereits jetzt ist aber klar, dass sich die Regeln für umweltbezogene Werbung künftig deutlich ändern und verschärfen werden. Ausgenommen vom Anwendungsbereich der Green Claims Richtlinie sind nur kleine Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro.

Zusammenspiel der Richtlinienvorschläge

Der Entwurf der Kommission zur Änderung der UGP-Richtlinie soll sicherstellen, dass Händler Verbraucher nicht über ökologische und soziale Auswirkungen, die Lebensdauer oder die Reparierbarkeit von Produkten irreführen. Außerdem enthält der Vorschlag eine Ergänzung der sog. „schwarzen Liste“ um bestimmte Umweltaussagen. Die sog. „schwarze Liste“ enthält Werbeaussagen, die in jedem Fall und ohne weitere Wertung irreführend sind. Geht es nach dem Vorschlag der EU-Kommission, so werden sich dort künftig generische Begriffe wie „öko“, „grün“, „ökologisch“, „umweltverträglich“ finden, die dann nur noch verwendet werden dürfen, wenn hervorragende Umwelteigenschaften nachgewiesen werden können.

Der nun vorgelegte Vorschlag einer Green Claims Richtlinie ergänzt diese Vorgaben als speziellere Regelung mit konkreten Vorgaben für die Substantiierung, Kommunikation und Verifikation ausdrücklich umweltbezogener Aussagen von Händlern gegenüber Verbrauchern. Nach dem Willen der Kommission sollen Aussagen wie „Verpackung zu 30 % aus Kunststoff“, „bienenfreundlicher Saft“, „klimaneutraler Versand“, „Verpackung zu 30 % aus recyceltem Kunststoff“ oder „ozeanfreundlicher Sonnenschutz“ künftig den Anforderungen unterfallen, die die Green Claims Richtlinie aufstellt. Unternehmen werden danach bestimmte Mindeststandards einhalten müssen, die sich sowohl darauf beziehen, wie solche Aussagen zu belegen sind, als auch darauf, wie sie kommuniziert werden. Pauschale Bewertungen der Umweltauswirkungen eines Produkts sollen nach der Richtlinie künftig nicht mehr möglich sein, außer wenn EU-Vorschriften dies vorsehen. Vergleiche müssen auf gleichwertigen Informationen und Daten beruhen. Insbesondere aber müssen Unternehmen, die solche Umweltaussagen gegenüber Verbrauchern treffen, diese Angaben künftig unabhängig überprüfen lassen und sie müssen anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse belegt werden.

Die Vorgaben der beiden Richtlinien gelten sowohl für Waren als auch für Dienstleistungen. Der in den Richtlinien verwendete Begriff „Produkt“ umfasst beides.

Konkrete Inhalte der Green Claims Richtlinie

Substantiierung und Kommunikation umweltbezogener Aussagen

Der Vorschlag der Kommission für die Green Claims Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten künftig sicherstellen sollen, dass Händler umweltbezogene Aussagen vor ihrer Verwendung nach den folgenden Kriterien prüfen und bewerten:

•    Es muss spezifiziert werden, ob die Aussage sich auf das ganze oder nur einen Teil oder bestimmte Aspekte des Produkts bezieht;
•    Die Aussage muss sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, genaue Informationen verwenden und einschlägige internationale Normen berücksichtigen;
•    Aussagen zur Umweltverträglichkeit müssen alle umweltbezogenen Aspekte und Auswirkungen berücksichtigen, die für die Bewertung eine Rolle spielen;
•    die Bedeutung von Umweltauswirkungen, Umweltaspekten oder Umweltleistung, die Gegenstand der Aussage sind, muss aus der Perspektive des Lebenszyklus des Produkts nachgewiesen werden;
•    es sind Angaben dazu zu machen, ob das Produkt oder der Händler, über das bzw. den die Angabe gemacht wird, deutlich besser abschneidet als es der üblichen Praxis für die Produkt- oder Händlergruppe im entsprechenden Bereich entspricht;
•    erforderlich ist die Feststellung, ob die Verbesserung der Umweltauswirkungen, der Umweltaspekte oder der Umweltleistung, die Gegenstand der Aussage ist, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Umweltauswirkungen in Bezug auf den Klimawandel, den Ressourcenverbrauch und die Kreislaufwirtschaft, die nachhaltige Nutzung und den Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, die Umweltverschmutzung, die biologische Vielfalt und das Wohlergehen der Tiere und der Ökosysteme führt;
•    Informationen über die Kompensation von CO2-Emissionen müssen transparent und spezifisch sein. So muss angegeben werden, ob sich der Ausgleich auf die Verringerung oder Beseitigung von CO2-Emissionen bezieht, und es muss detailliert beschrieben werden, wie der Ausgleich erreicht wird;
•    soweit verfügbar müssen Primärinformationen über Umweltauswirkungen, Umweltaspekte und Umweltleistungen einbezogen werden, jedenfalls aber sekundäre Informationen, wenn Primärinformationen nicht zur Verfügung stehen.
Wird mit umweltbezogenen Aussagen vergleichend geworben, müssen unter anderem auch die Eigenschaften des Vergleichsprodukts oder des Vergleichshändlers einer Prüfung und Bewertung nach denselben Kriterien wie die Aussage selbst unterzogen werden.

Auch für die Form der Kommunikation von umweltbezogenen Aussagen stellt der Richtlinienvorschlag Abforderungen auf. Danach müssen

•    alle umweltbezogenen Aussagen gemäß den oben genannten Substantiierungsanforderungen bewertet und für das jeweilige Produkt oder den Händler als erheblich eingestuft worden sein;
•    sofern für die in Frage stehende Aussage relevant, Informationen darüber gegeben werden wie die Verbraucher das Produkt verwenden können, um seine Umweltauswirkungen zu verringern;
•    die Aussagen eine zeitlich begrenzte Verpflichtung für Verbesserungen innerhalb der eigenen Betriebsabläufe und Wertschöpfungsketten des Werbenden enthalten, wenn sich die Aussage auf die künftige Umweltleistung eines Produkts oder Händlers bezieht,
•    näher spezifizierte Informationen über das Produkt oder den Händler das bzw. der Gegenstand der Angabe ist, und zur Substantiierung der Aussage in physischer Form oder in Form eines Weblinks, QR-Codes oder einer gleichwertigen Information zur Verfügung gestellt werden.

Umweltzeichen und Umweltkennzeichnungssyteme

Auch für die Verwendung von Umweltzeichen schafft der Richtlinienvorschlag einen neuen Rechtsrahmen.

Umweltzeichen sind nach der Definition des Richtlinienentwurfs Nachhaltigkeitszeichen, die sich ausschließlich oder überwiegend auf umweltbezogene Aspekte eines Produkts, eines Verfahrens oder eines Händlers beziehen. Solche Umweltzeichen sollen künftig alle Anforderung an die Substantiierung und Kommunikation umweltbezogener Aussagen erfüllen müssen, die die Green Claims Richtlinie aufstellt. Allgemein müssen Umweltzeichen nach dem Richtlinienentwurf verlässlich, transparent und unabhängig geprüft sein und regelmäßig überprüft werden.

In Anbetracht der großen Anzahl von bereits genutzten Umweltzeichen sollen öffentliche Kennzeichnungssysteme künftig nur dann zulässig sein, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt werden. Neue private Kennzeichnungssysteme müssen im Vergleich zu den bestehenden Systemen einen zusätzlichen Nutzen in Bezug auf die Umweltverträglichkeit bieten. Zudem müssen solche Kennzeichnungen vorab genehmigt werden. Um eine einheitliche Anwendung in der EU zu gewährleisten, wird die Kommission zur Umsetzung Rechtsakte erlassen, die im Detail die Anforderungen an die Voraussetzungen und den Prozess der Zulassung festlegen.

Überprüfung durch akkreditierte Prüfstellen

Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass die Mitgliedstaaten unabhängige, akkreditierte Prüfstellen einrichten, die sowohl die Einhaltung der von der Richtlinie aufgestellten Anforderungen an die Substantiierung und Verwendung von umweltbezogenen Aussagen als auch die Kennzeichnungssysteme überprüfen und zertifizieren. Bei erfolgreicher Verifikation, stellt die Prüfstelle ein Zertifikat aus, das die Übereinstimmung der Aussage mit den Anforderungen der Richtlinie bestätigt.

Konsequenzen bei Verstößen

Neuerungen sieht der Richtlinienvorschlag auch in Bezug auf die Konsequenzen vor, die bei Verstößen gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie drohen. Die Mitgliedstaaten sollen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen. Insbesondere sollen diese Sanktionen

•    Bußgelder von bis zu 4 % des Jahresumsatzes eines Unternehmens umfassen, die den Verantwortlichen den wirtschaftlichen Nutzen ihrer Verstöße entziehen,
•    die Einziehung von Einkünften ermöglichen, die der Händler mit den betroffenen Produkten erzielt hat und
•    einen zeitweisen Ausschluss für maximal 12 Monate von öffentlichen Vergabeprozessen und dem Zugang zu öffentlichen Mitteln vorsehen.
Ausblick

Bis die Vorschläge der EU-Kommission in nationales Recht umgesetzt werden, wird noch einige Zeit vergehen. Der Vorschlag für die Green Claims Richtlinie muss zunächst vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligt werden. Es schließt sich dann ein Umsetzungszeitraum von in der Regel zwei Jahren an. Mit einer Umsetzung der nun angekündigten Regelungen ist daher voraussichtlich nicht vor 2026 zu rechnen.

Bleibt es bei den Vorschlägen der Kommission, wird die Verwendung umweltbezogener Aussagen durch das Erfordernis ihrer fachlichen Überprüfung und Belegbarkeit neue und hohe Compliance-Herausforderungen an Unternehmen stellen, sobald die Regelungen in nationales Recht umgesetzt sind. Obwohl noch Zeit bis zur Umsetzung bleibt, sollten Unternehmen der Entwicklung aufmerksam folgen, um rechtzeitig die Weichen für eine rechtssichere (Fortsetzung ihrer) Werbung mit umweltbezogenen Aussagen stellen zu können. Wir werden an dieser Stelle weiter berichten.

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