Update Vertriebsrecht Nr. 2
Neues zur kaufrechtlichen Mängelhaftung für Aus-und Einbaukosten im Rahmen der Nacherfüllung ab dem 1. Januar 2018
Der Bundesrat hat am 9. März 2017 das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ (BT-Drs. 18/11437) gebilligt. Die damit einhergehenden Änderungen des BGB treten damit am 1. Januar 2018 in Kraft. Mit dem Gesetz werden zum einen die allgemeinen Regeln des Werkvertragsrechts im BGB um spezifische Regelungen eines Bauvertragsrechts ergänzt. Bestandteil des Gesetzesentwurfes sind aber auch wesentliche Änderungen zur kaufrechtlichen Mängelhaftung des Verkäufers: Der Gesetzgeber schafft neue Regelungen zu den Aus- und Einbaukosten, die künftig auch bei einem Kaufvertrag zwischen Unternehmern (B2B-Geschäft) im Rahmen der Nacherfüllung verschuldensunabhängig vom Verkäufer zu ersetzen sind.
I. Hintergrund und aktuelle Rechtslage: § 439 BGB - eine Norm, zwei Rechtsfolgen
Der Ausbau einer mangelhaften und der Einbau der im Wege der Nacherfüllung gelieferten mangelfreien Kaufsache können Kostenpositionen erheblichen Ausmaßes begründen. Nicht selten stehen sie in keiner Relation zum Kaufpreis. Wer hat für die Kosten aufzukommen, wenn der Käufer eine mangelhafte Sache verbaut hat oder hat verbauen lassen und sich dann ein nicht behebbarer Mangel zeigt? Schuldet der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung neben der Lieferung der mangelfreien Ware auch die Kosten für den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der mangelfreien Kaufsache?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte 2011 zur Auslegung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) entschieden, dass der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber einem Verbraucher verpflichtet ist, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen, die Ersatzsache einzubauen und die Kosten für beides zu tragen (vgl. EuGH NZBau 2008, 2037). Der Bundesgerichtshof (BGH) legte daraufhin den § 439 BGB richtlinienkonform aus und bejahte eine Ersatzpflicht des Verkäufers für Aus- und Einbaukosten, wenn es sich beim Käufer um einen Verbraucher handelte (vgl. BGH NJW 2012, 1073).
Für einen Kaufvertrag zwischen Unternehmern gilt dies nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 2008, 2837) bislang nicht. Zwar ist ein Werkunternehmer, der mangelhaftes Baumaterial gekauft und dieses bei einem Besteller verbaut hat, aufgrund des Werkvertrages zum Ausbau des mangelhaften und zum Einbau von mangelfreiem Baumaterial verpflichtet. Von seinem Lieferanten kann der Werkunternehmer hingegen nur die Lieferung des neuen, mangelfreien Baumaterials verlangen. Die Aus- und Einbaukosten muss der Werkunternehmer (der in diesem Fall auch gleichzeitig Käufer des mangelhaften Baumaterials ist) grundsätzlich selber tragen. Die Kosten für den Aus- und Einbau erhält er von dem Verkäufer nur dann ersetzt, wenn dem Verkäufer ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann. Dies scheidet jedoch regelmäßig in den Fällen aus, in denen die Kaufsache bereits mangelhaft vom Hersteller an den Verkäufer geliefert wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, der die Sache an den Werkunternehmer verkauft (vgl. BGH NJW 2008, 2837).
II. Verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers für Aus- und Einbaukosten gemäß § 439 Abs. 3 BGB n.F. auch beim B2B-Geschäft
Das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ soll die unterschiedliche Behandlung von B2B-Geschäft und Verbrauchsgüterkauf beenden und den Nacherfüllungsanspruch des Käufers gemäß dem nun neu eingefügten § 439 Abs. 3 BGB n.F. einheitlich auf die Aus- und Einbaukosten erstrecken. Nicht nur Verbrauchern, sondern auch Unternehmern soll dann ein verschuldensunabhängiger Anspruch gegen den Verkäufer der mangelhaften Kaufsache auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten zustehen.
1. Kaufsache muss gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck eingebaut oder angebracht worden sein
Voraussetzung ist, dass die mangelhafte Kaufsache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck eingebaut oder an eine andere Sache angebracht worden ist. Der Verkäufer ist dann im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. Es sollen mithin sowohl die Fälle mangelhafter Kabel-, Fliesen- oder Parkettlieferungen als auch Maler- und Lackierarbeiten mit mangelhaften Farben oder Lacken erfasst sein.
2. Haftung des Verkäufers nur bei Gutgläubigkeit des Käufers
Der Verkäufer haftet allerdings für die Aus- und Einbaukosten nur, wenn der Käufer die mangelhafte Kaufsache gutgläubig eingebaut oder verarbeitet hat. Kennt der Käufer den Mangel zum Zeitpunkt des Einbaus oder des Anbringens oder ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, sind seine Rechte ausgeschlossen.
III. Rückgriff des Verkäufers gemäß § 445a BGB n.F. für Aufwendungsersatz in der Lieferkette auch beim B2B-Geschäft
Darüber hinaus wird durch eine neue Regelung in § 445a BGB n.F. die erleichterte Möglichkeit des Verkäufers, seinen Lieferanten in Regress zu nehmen, auch auf solche Kaufverträge erstreckt, bei denen der letzte Käufer in der Lieferkette ein Unternehmer ist. Voraussetzung ist, dass der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits bei Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war. Bislang besteht diese bevorzugte Rückgriffsmöglichkeit auf den Lieferanten gemäß § 478 Abs. 2 BGB nur, wenn es sich bei dem letzten Rechtsgeschäft in der Lieferkette um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Der Gesetzgeber will also darauf hinwirken, dass die bei Erfüllung von Nacherfüllungspflichten anfallenden Aufwendungen in der Lieferkette möglichst bis zum Verursacher des Mangels weitergereicht werden können.
IV. Verjährung von Rückgriffsansprüchen: Ablaufhemmung gemäß § 445 b BGB n.F.
Diese in § 445a BGB n.F. bestimmten Rückgriffsansprüche verjähren gemäß § 445b BGB n.F. in zwei Jahren ab Ablieferung der Sache. Gemäß § 445b Abs. 2 BGB n.F. soll die Verjährung der Ansprüche des Verkäufers gegen seinen Lieferanten frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt eintreten, in dem der Verkäufer die Ansprüche des Käufers erfüllt hat. Diese Ablaufhemmung endet spätestens fünf Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem der Lieferant die Sache dem Verkäufer abgeliefert hat.
V. Kann die Haftung des Verkäufers für Aus- und Einbaukosten vertraglich abbedungen werden?
Für die Praxis ist es für die von der Gesetzesänderung betroffenen Händler, Zulieferer und Bauhandwerker von besonderer Bedeutung, ob die Haftung des Verkäufers für Aus-und Einbaukosten von den Parteien vertraglich abbedungen werden kann. Nach der Begründung des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/8486, S. 36) soll es jedenfalls möglich bleiben, die Haftung des Verkäufers für Aus- und Einbaukosten durch eine Individualvereinbarung abzubedingen. Es bleibt damit theoretisch möglich, die Haftung mittels im Einzelnen ausgehandelter Vertragsbedingungen auszuschließen oder zu beschränken. An das Aushandeln in diesem Sinne stellt der BGH aber bekanntlich hohe Anforderungen.
1. Ausschluss oder Beschränkung in AGB gegenüber Verbrauchern gemäß § 309 Nr. 8 b) cc) BGB n.F. unwirksam
Für einen formularmäßigen Ausschluss oder eine formularmäßige Beschränkung im Rahmen von AGB sieht das Gesetz eine neue Regelung in § 309 Nr. 8 b) cc) BGB n.F. vor. Demnach ist eine Klausel in AGB unwirksam, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen die Verpflichtung des Verkäufers ausgeschlossen oder beschränkt wird, die Aus- und Einbaukosten zu tragen oder zu ersetzen. Dieses Klauselverbot gilt unmittelbar für die Verwendung von AGB gegenüber Verbrauchern.
2. Ausschluss oder Beschränkung in AGB im B2B-Bereich?
Bei AGB im B2B-Bereich gelten die Klauselverbote des § 309 BGB nicht unmittelbar, sondern entfalten ihre Wirkung gegebenenfalls mittelbar über die Generalklausel des § 307 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH sind die in § 309 BGB enthaltenen Verbote auch im B2B-Bereich grundsätzlich zu beachten (vgl. BGH NJW 2007, 3774). Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn sie durch die besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Verkehrs angezeigt ist. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.
Nach der Begründung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/8486, S. 37) soll ein formularmäßiger Ausschluss oder Beschränkung der Rechte des Käufers gemäß § 439 Abs. 3 BGB n.F. daher grundsätzlich wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders der AGB unwirksam sein. Allerdings kann es durchaus zu diskutieren sein, ob eine Risikoverteilung, die sich vor der Reform aus dem Gesetz ergab – nämlich keine verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers für Aus- und Einbaukosten – tatsächlich als unangemessene Benachteiligung zu werten ist. Fälle, in denen eine Klausel wegen der besonderen Interessen und Bedürfnissen des unternehmerischen Verkehrs oder mit Blick auf im Handelsverkehr geltende Gewohnheiten und Bräuche ausnahmsweise als angemessen angesehen werden können, werden, so ausdrücklich die Begründung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/8486, S. 37), durch die Rechtsprechung zu konkretisieren sein.
VI. Fazit
Der Gesetzgeber schafft mit dem „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ wesentliche Neuerungen im BGB mit hoher praktischer Relevanz. Die Position von (Unternehmer) Käufern wird gestärkt. Händler und Zulieferer müssen die neue Rechtslage bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen. Inwieweit die formularmäßige Abbedingung möglich ist, sollte im Einzelfall geprüft werden.