09.06.2022Fachbeitrag

Mandanteninformation Lieferkette

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – neue Compliance-Vorgaben für Unternehmen

Mit der Verkündung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes („LkSG“) am 17. Juli 2021 im Bundesgesetzblatt hat eine langwierige politische Diskussion ihr vorläufiges Ende gefunden.

Das LkSG verpflichtet eine Vielzahl von Unternehmen ab dem 1. Januar 2023, ihrer Verantwortung für die Wahrung von Menschenrechten und den Umweltschutz nachzukommen. Unternehmen sind dann gesetzlich verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass Menschenrechtsverletzungen, beispielsweise durch Kinder- und Zwangsarbeit, Sklaverei, Folter oder den Verstoß gegen Arbeitsschutzbedingungen, sowie umweltbezogene Risiken in der eigenen Lieferkette frühzeitig erkannt und vermieden, bzw. beendet werden.

Diese Rechtsentwicklung ist mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz noch nicht abgeschlossen. Auf europäischer Ebene hat die Europäische Kommission am 23. Februar 2022 ihren Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen vorgelegt. Der Vorschlag soll ein nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten fördern. Er geht in weiten Teilen deutlich über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinaus.

Im Einzelnen sieht das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz folgende Regelungen vor: 

Wer ist betroffen?

Ob auch mittelständische Unternehmen die neuen Regelungen umsetzen müssen, war im Vorfeld eine der meist diskutierten Fragen. Der Gesetzgeber hat sich letztlich dazu entschlossen, ab dem 1. Januar 2023 zunächst große in- und ausländische Unternehmen, die in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen und ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung, ihre Haupt- oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben, zur Einhaltung der im LkSG festgelegten Sorgfaltspflichten zu verpflichten.

Dieser - auf den ersten Blick unternehmensfreundlichere - Schwellenwert ist jedoch stets vor dem Hintergrund zu betrachten, dass auch kleinere Unternehmen Teil einer komplexen Lieferkette sein können und sich schon aus diesem Grunde gegenüber Kunden und Abnehmern, die selber nach dem LkSG verpflichtet sind, zu strengeren Kontrollen und erhöhten Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten verpflichten müssen.

Ab dem 1. Januar 2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer. Damit werden dann auch weite Teile des Mittelstands vom Anwendungsbereich des LkSG erfasst.

Bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahlen innerhalb von verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) werden alle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Obergesellschaft mitberücksichtigt; auch in das Ausland entsandte Arbeitnehmer werden erfasst. Leiharbeitnehmer werden dann bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl berücksichtigt, wenn sie länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigt sind.

Die neuen unternehmerischen Sorgfaltspflichten

Das LkSG verpflichtet die betroffenen Unternehmen dazu, die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten zu beachten und stellt klar, dass diese Sorgfaltspflichten sich insbesondere auf ihre Lieferkette beziehen. Die „Lieferkette“ im Sinne des Gesetzes beginnt bei der Rohstoffgewinnung und reicht bis zur Lieferung an den Endkunden. Verantwortlich im Sinne des Gesetzes sind die Unternehmen allerdings grundsätzlich nur für ihren eigenen Geschäftsbereich und ihre unmittelbaren Zulieferer. Wird jedoch ein Missstand in der Lieferkette bekannt, der auf das Handeln eines nur mittelbaren Zulieferers zurückzuführen ist, sind die Unternehmen auch insoweit verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen.

Die zuständigen Behörden sollen branchenübergreifende oder branchenspezifische Informationen, Hilfestellungen und Empfehlungen zur Einhaltung des LkSG veröffentlichen. 

Risikomanagement und Risikoanalyse

Zur Wahrung ihrer Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen ein angemessenes Risikomanagementsystem einführen und wirksam umsetzen. Hierdurch sollen Risiken erkannt und Verletzungen von geschützten Rechtspositionen (u.a. Leben, Gesundheit, gerechte Arbeitsbedingungen, Vereinigungsfreiheit sowie Schutz vor Kinderarbeit, Sklaverei, Zwangsarbeit und Folter etc.) verhindert werden. Die Unternehmen müssen zudem festlegen, wer zuständig ist, die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu überwachen. Dies kann zum Beispiel durch einen Menschenrechtsbeauftragten erfolgen. Die Geschäftsleitung hat sich regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, über die Arbeit des Menschenrechtsbeauftragten zu informieren. 

Jedes Risikomanagement muss auch eine angemessene Risikoanalyse beinhalten: Die Unternehmen werden verpflichtet, etwaige Bedrohungen für die geschützten Rechtsgüter in ihren eigenen Geschäftsbereichen sowie bei ihren unmittelbaren Zulieferern zu ermitteln. Liegen einem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die eine Verletzung von menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflichten bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen, so hat das Unternehmen aber auch insoweit eine Risikoanalyse durchzuführen.

Grundsatzerklärung und Präventionsmaßnahmen

Wer Risiken feststellt, muss angemessene Präventionsmaßnahmen ergreifen. Dazu zählt zunächst die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung durch die Geschäftsführung. Die Grundsatzerklärung soll das Verfahren beschreiben, mit dem ein Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten nachkommen will, die für das Unternehmen festgestellten relevanten Risiken und einschlägigen internationalen Abkommen nennen sowie die Erwartungen formulieren, die das Unternehmen an seine Mitarbeiter und Zulieferer in der Lieferkette richtet. 

Als weitere angemessene Präventionsmaßnahmen nennt das LkSG u.a. ausdrücklich die Entwicklung und Implementierung geeigneter Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken sowie die Durchführung von Schulungen in den relevanten Geschäftsbereichen. 

Abhilfemaßnahmen

Sind geschützte Rechte verletzt worden, müssen Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen ergreifen. Für die Behebung von Missständen bei unmittelbaren Zulieferern muss ein Konzept erstellt und umgesetzt werden. In schwerwiegenden Fällen, für die keine Abhilfe möglich ist, kann der Abbruch der Geschäftsbeziehung als ultima ratio der Abhilfe erforderlich sein.
Alle Präventionsmaßnahmen sind zudem mindestens einmal im Jahr einer Überprüfung hinsichtlich ihrer Effektivität zu unterziehen. 

Anzeigen durch unternehmensinterne Beschwerdeverfahren

Jedes betroffene Unternehmen hat darüber hinaus ein eigenes Beschwerdeverfahren (z.B. durch die Implementierung einer Whistleblowerhotline) einzurichten oder sich an einem externen Beschwerdesystem zu beteiligen. Die Wirksamkeit des Beschwerdesystems muss fortlaufend überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Dies soll allen Betroffenen ermöglichen, auf menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken und Verstöße in der Lieferkette hinzuweisen. Erlangt das Unternehmen auf diese Weise Kenntnis von einem Verstoß, muss es tätig werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verursacher ein unmittelbarer Zulieferer ist oder ein weiter entferntes Glied in der Lieferkette. 

Dokumentations- und Berichtspflichten

Die Erfüllung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten muss unternehmensintern fortlaufend dokumentiert werden. Die Dokumentation ist sieben Jahre lang aufzubewahren. 

Zusätzlich müssen die Unternehmen spätestens vier Monate nach Schluss des Geschäftsjahres auf ihrer Internetseite einen Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr veröffentlichen und diesen Bericht für einen Zeitraum von sieben Jahren kostenfrei öffentlich zugänglich machen. Aufbau und Inhalt des Berichts werden hierbei vom Gesetzgeber vorgegeben. Der Bericht ist zusätzlich der zuständigen Behörde in deutscher Sprache und elektronisch zur Prüfung und Auswertung einzureichen. Werden die Anforderungen an den Bericht nicht erfüllt, kann die Behörde das Unternehmen zur Nachbesserung anhalten. 

Klagemöglichkeiten für Betroffene

Wer geltend macht, in einer überragend wichtigen, vom LkSG geschützten Rechtsposition verletzt zu sein, kann eine deutsche Gewerkschaft oder eine Nichtregierungsorganisation zur Verfolgung seiner Ansprüche und Prozessführung ermächtigen (sog. besondere Prozessstandschaft). Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber Betroffene aus Produktionsländern dabei unterstützen, ihre Rechte vor einem deutschen Zivilgericht geltend machen zu können.

Behördliche Kontrolle

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle soll als Aufsichtsbehörde (und Bußgeldbehörde) die Umsetzung der unternehmerischen Pflichten kontrollieren.

Dabei soll die Aufsichtsbehörde einen risikobasierten Ansatz verfolgen. Dies bedeutet, dass die Behörde (neben der Aufnahme von Untersuchungen aufgrund von konkreten Hinweisen oder Anträgen) nicht nur von Amts wegen Stichproben vornimmt, sondern sich auf die Fälle mit den schwersten Risiken konzentriert. 

Des Weiteren ermächtigt das LkSG die zuständige Behörde, erforderliche Anordnungen und Maßnahmen zu treffen, um Verstöße festzustellen, zu beseitigen und zu verhindern. So kann die zuständige Behörde dem betroffenen Unternehmen z.B. konkrete Handlungen zur Erfüllung seiner Pflichten oder die Vorlage eines Maßnahmenplans zur Behebung etwaiger Missstände aufgeben. 

Soweit dies erforderlich ist, dürfen von der Behörde beauftragte Personen oder Hilfspersonen die Betriebsgrundstücke und Geschäftsräume des Unternehmens betreten und besichtigen sowie geschäftliche Unterlagen und Aufzeichnungen einsehen und prüfen. Korrespondierend hierzu können die Unternehmen sowie die zuständigen Personen grundsätzlich verpflichtet werden, der zuständigen Behörde Auskünfte zu erteilen und die entsprechenden Unterlagen – auch in Bezug auf verbundene und ausländische (Tochter-)Unternehmen und (un)mittelbare Zulieferer – herauszugeben. Ebenso sollen die Unternehmen, beziehungsweise ihre Vertreter, die Behörde bei der Durchführung der Maßnahmen unterstützen.

Darüber hinaus verfügt die zuständige Behörde auch über die im Ordnungswidrigkeitengesetz normierten Ermittlungsbefugnisse und kann unter anderem Durchsuchungen im Unternehmen durchführen und aufgefundene Beweismittel beschlagnahmen.

Neben den vorgenannten Maßnahmen können die Aufsichtsbehörden auch Zwangsgelder zur Durchsetzung von Verhaltenspflichten in Höhe von bis zu EUR 50.000,00 verhängen.

Bußgelder

Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten wird durch die Einführung umfangreicher Kontroll- und Sanktionsinstrumente abgesichert. Im Falle eines Verstoßes gegen die unternehmerischen Sorgfaltspflichten drohen den betroffenen Unternehmen empfindliche Bußgelder.

Verstöße können je nach Schwere und Bedeutung des Vorwurfs und den Umständen des Einzelfalls mit einer Geldbuße von bis zu EUR 8 Mio. belegt werden. Bei Unternehmen mit einem weltweiten, durchschnittlichen Jahresumsatz in Höhe von mehr als EUR 400 Mio. können umsatzbezogene Bußgelder bis zu einem Betrag in Höhe von 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes verhängt werden.

Ausschluss von öffentlichen Aufträgen

Schließlich sollen Unternehmen, die wegen eines rechtskräftig festgestellten, schwerwiegenden Verstoßes gegen das LkSG mit einer Geldbuße in Höhe von (in der Regel) mindestens EUR 175.000,- belegt worden sind, als weitere Sanktionsmaßnahme innerhalb eines Zeitraums von bis zu drei Jahren (und bis zu einer nachgewiesenen Selbstreinigung) von der Teilnahme an einem Wettbewerb und der Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden. 

Praxishinweise

Die Verletzung menschenrechtlich geschützter Rechtspositionen und umweltrechtlicher Sorgfaltspflichten stellte für große, international tätige Unternehmen schon in der Vergangenheit ein erhebliches Reputationsrisiko dar.

Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wird die Bedeutung der Lieferketten-Compliance für die betroffenen Unternehmen jedoch wesentlich erhöhen, da die Risiken im Falle eines Verstoßes erheblich und die drohenden Sanktionen empfindlich sind.

Vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen jetzt prüfen, ob und wenn ja welche Pflichten sie treffen und wie sie die vom Gesetzgeber vorgegebenen Anforderungen und Maßnahmen zeitnah und konsequent umsetzen können.

Eine Grundsatzerklärung ist zu erstellen, Lieferantenkodizes und Lieferverträge müssen überarbeitet und an die neuen Vorgaben angepasst werden. Mitarbeiter sind entsprechend zu schulen und die erforderliche interne, personelle Organisation ist bereit zu stellen. Schließlich müssen die neuen organisatorischen Instrumente, bestehend aus Risikomanagementsystem, Beschwerdeverfahren und Reporting im Unternehmen implementiert und regelmäßig überprüft werden.

Geschieht dies nicht, oder nicht rechtzeitig drohen – neben einem möglichen Reputationsverlust – empfindliche Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

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