Update Compliance 9/2024
Ein Jahr Hinweisgeberschutzgesetz – eine Standortbestimmung
Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, kurz: Hinweisgeberschutzgesetz, ist zu wesentlichen Teilen vor einem Jahr, am 2. Juli 2023, in Kraft getreten.
Was hat sich seitdem getan?
Hinweisgeberschutzgesetzgebung in Europa
Das HinSchG dient der Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie. Inzwischen haben alle EU-Mitgliedstaaten, teilweise mit erheblicher Verzögerung, die EU-Richtlinie vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, umgesetzt. Zuletzt erfolgte die nationale Umsetzung der Richtlinienvorgaben in Estland am 24. Mai 2024 und in Polen am 19. Juni 2024.
Interne Meldestellen in Deutschland
Insgesamt müssten gemäß der Gesetzesbegründung des HinSchG weitaus mehr als 90.000 Beschäftigungsgeber in Deutschland die Pflichten des Hinweisgeberschutzgesetzes erfüllen, insbesondere eine interne Meldestelle zur Entgegennahme von Meldungen eingerichtet haben. Diese Pflicht trifft nicht nur private Beschäftigungsgeber, sondern auch öffentliche Stellen und Kommunen. Dies wird teilweise direkt aus der EU-Whistleblowing-Richtlinie abgeleitet, auf Bundesebene und auch in vielen Bundesländern gibt es des Weiteren auch Umsetzungsgesetze zum HinSchG.
Eine zentrale Meldestelle im Konzern genügt – oder nicht?
Nach wie vor unklar und umstritten ist die Frage, ob innerhalb eines Konzerns mit mehreren verpflichteten Beschäftigungsgebern eine gegebenenfalls internationale übergreifende zentrale Konzernmeldestelle ausreichend ist zur Erfüllung der Pflichten des HinSchG. Die EU-Kommission verneint dies, manche Mitgliedstaaten (auch Deutschland) haben ihre Gesetze insoweit offengelassen.
Bislang noch keine Bußgelder verhängt
Zwar sieht das HinSchG erhebliche Bußgelder insbesondere für den Fall der Nichteinrichtung der geforderten Meldestellen vor. Die bundesweite Abfrage der Aufsichtsbehörde gegenüber verpflichteten Beschäftigungsgebern (wie sie beispielsweise im Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes erfolgte), die Einleitung entsprechender Ordnungswidrigkeitenverfahren oder gar die Verhängung von Bußgeldern wegen der Nichteinrichtung, nicht rechtzeitigen oder gar nicht ordnungsgemäßen Einrichtung von internen Meldestellen wurde bislang jedoch jedenfalls nicht öffentlich bekannt gemacht. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies noch lange auf sich warten lässt.
Befürchtete „Meldeschwemme“ ist ausgeblieben
Die externe Meldestelle des Bundes hat ausweislich ihres ersten Jahresberichts, der das 2. Halbjahr 2023 abbildet, in diesem Zeitraum 410 Hinweisgebermeldungen entgegengenommen – und damit viel weniger als erwartet.
Insgesamt ist auch nach unserer Erfahrung eine besonders von Unternehmen befürchtete "Meldeschwemme", insbesondere im Falle von anonymen Hinweisgebermeldungen, ausgeblieben. Mit einer sorgfältigen und klaren Kommunikation können Missverständnisse über Sinn, Zweck und Nutzungsmöglichkeiten verhindert und der Anteil substantiierter Hinweise erheblich gesteigert werden. Wo die Whistleblower-Hotline zur Bagatell-Reporting-Line verkommt oder Denunziantentum Vorschub leistet, wird oftmals schlicht schlecht kommuniziert.
Allerdings lässt sich ebenfalls beobachten, dass Unternehmen eingehende Meldungen ernst nehmen und ihnen nachgehen. Die Fälle, in denen wir missbräuchliche Kreditkartennutzung, sexuelle Übergriffe, Mobbing, Veruntreuungen und Korruption durch Folgemaßnahmen aufdecken und abstellen konnten, sind sichtbar gestiegen.
Anonyme Whistleblowermeldung kann Anlass für eine Durchsuchung geben
Das LG Nürnberg-Fürth hat entschieden, dass eine über ein Hinweisgebersystem eingereichte anonyme Anzeige grundsätzlich ausreichende Grundlage eines rechtmäßigen Durchsuchungsbeschlusses sein kann.
Aufgrund der Parallelen zwischen Ermittlungsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren und Folgemaßnahmen im Meldeverfahren bietet die genannte Entscheidung auch Anhaltspunkte für die Prüfung der Stichhaltigkeit von anonymen Hinweisgebermeldungen an externe Meldestellen und die Angemessenheit etwaiger Folgemaßnahmen im Rahmen des Meldeverfahrens. Aus den Ausführungen des Gerichts kann jedenfalls der Schluss gezogen werden, dass Beschäftigungsgeber die Durchführung von Folgemaßnahmen (wie etwa interne Untersuchungen) nicht bereits deshalb unterlassen dürfen, weil eine glaubhafte Meldung anonym eingegangen ist, oder nicht durch weitere Beweismittel gestützt werden kann.