27.05.2024Fachbeitrag

Update Compliance 6/2024

Harmonisierung von Straftatbeständen bei Sanktionsverstößen – neue EU-Richtlinie schafft strenge Mindeststandards

Am 20. Mai 2024 ist die Richtlinie (EU) 2024/1226 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union in Kraft getreten. Mit der Richtlinie 2024/1226 sollen neue Mindeststandards innerhalb der Europäischen Union (EU) gesetzt werden, die bestimmte Sanktionsverstöße als Straftaten definieren. Solche Verstöße sollen mit teils deutlich höheren Strafen als bisher zu ahnden sein. Die Mitgliedstaaten sind nunmehr angehalten, die Richtlinie 2024/1226 bis zum 20. Mai 2025 in nationales Recht umzusetzen. Auch für Deutschland bedarf es signifikanter Anpassungen und Änderungen der einschlägigen Gesetze.

Hintergrund

Restriktive Maßnahmen der Union – wie etwa Wirtschafts- und Finanzsanktionen, Reisebeschränkungen und Embargos – sind ein wesentliches Instrument zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. EU-Sanktionen werden durch Verordnungen des Rates verhängt. In den zurückliegenden Jahren hat die EU eine Vielzahl von Ländern und in Folge dessen auch natürliche und juristische Personen mit Sanktionen belegt. Vor allem durch die Verschärfung der Sanktionen in Richtung Russland, Belarus und den Iran hat ihre Bedeutung für Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren an enormer Bedeutung und praktischer Relevanz gewonnen.

Bislang unterscheiden sich die nationalen Straftatbestände und Durchsetzungsvorschriften, die die Verstöße gegen die EU-Sanktion regeln, in den EU-Mitgliedstaaten erheblich. Denn die Regelungen auf dem Gebiet des Strafrechts liegen grundsätzlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund beschloss der Rat am 28. November 2022 einstimmig, den Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der EU in die Liste der „EU-Straftatbestände“ in Artikel 83 AEUV aufzunehmen. Gemäß Art. 83 Abs. 1 AEUV können das Europäische Parlament und der Rat jedoch Mindestvorschriften für solche Straftaten festlegen, die als besonders schwer zu qualifizieren sind und eine grenzüberschreitende Dimension haben.

Richtlinie 2024/1226

Die nunmehr in Kraft getretene Richtlinie 2024/1226 definiert Straftatbestände und zugehörige Sanktionen im Zusammenhang mit Verstößen gegen EU-Sanktionen, um so Mindeststandards innerhalb der EU zu schaffen.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2024/1226 regelt, welche (vorsätzlichen) Verstöße gegen EU-Sanktionen konkret unter Strafe zu stellen sind. Insbesondere Verstöße gegen ein Bereitstellungsverbot oder ein Einfriergebot, die Ermöglichung der verbotenen Einreise im Falle von Finanzsanktionen gegen gelistete Personen, der Handel mit sanktionierten Waren, das Erbringen verbotener Finanzdienstleistungen oder die Ausübung verbotener Finanztätigkeiten, die Erbringung verbotener sonstiger Dienstleistungen, die Umgehung von Sanktionen im Zusammenhang mit Finanzsanktionen sowie die Verletzung oder Missachtung von Genehmigungsbedingungen sollen von den Mitgliedstaaten künftig als Straftaten geahndet werden.

Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2024/1226 steht es den Mitgliedstaaten frei, die Strafbarkeit einer Handlung von der Erreichung eines Schwellwertes in Höhe von EUR 10.000,00 abhängig zu machen. Strafbar soll auch ein grob fahrlässiger Verstoß sein, wenn er sensitive Güter betrifft, die in der Gemeinsamen Militärgüterliste oder in Anhang I und IV der Dual-Use-Verordnung (EU) 2021/821 aufgeführt sind. Zudem müssen die Mitgliedstaaten Anstiftung und Beihilfe zur Begehung einer in der Richtlinie aufgeführten Straftat unter Strafe stellen und teils auch den Versuch ahnden, vgl. Art. 4 der Richtlinie 2024/1226.

Neben den Straftatbeständen definiert die neue Richtlinie auch die Strafen, die bei Verstößen gegen die EU-Sanktionen drohen. Für natürliche Personen können die Strafen von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr bis zu fünf Jahren reichen, abhängig von der Schwere der Straftat und dem finanziellen Wert der betroffenen Gelder oder Ressourcen. Daneben sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass flankierende Maßnahmen verhängt werden können, wie beispielsweise die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen, das Verbot Führungspositionen zu bekleiden, das Verbot für öffentliche Ämter zu kandidieren und die vollständige oder teilweise Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidung (sog. „naming and shaming“).

Für den Fall, dass eine Führungsperson eine der in Art. 3 der Richtlinie 2024/1226 definierten Straftaten verwirklicht, sind für juristische Personen ebenfalls hohe Mindest- und Höchststrafen vorgesehen. Insoweit sieht die Richtlinie die Verhängung von Geldbußen von bis zu 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres oder von bis zu EUR 40 Mio. vor. Auch hier sind die Mitgliedstaaten gehalten, flankierende Maßnahmen zu treffen, wie beispielsweise den Ausschluss von Vergabeverfahren, die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen, die vollständige oder teilweise Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidung (sog. „naming and shaming“) bis hin zur gerichtlich angeordneten Aufsicht oder Auflösung der juristischen Person.

Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten Regelungen schaffen, um Tatwerkzeuge und Erträge aus Straftaten sicherzustellen und einzuziehen, vgl. Art. 10 der Richtlinie 2024/1226. Auch die Zusammenarbeit zwischen den von den Mitgliedstaaten noch zu benennenden zuständigen Behörden, der Kommission, Europol, Eurojust und der Europäischen Staatsanwaltschaft wird von der neuen Richtlinie geregelt.

Aufgabe des deutschen Gesetzgebers

Das deutsche Recht kennt bereits vergleichsweise umfassende Straftatbestände zur Ahndung von Verstößen gegen EU-Sanktionen, vgl. §§ 17, 18 Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Obwohl in Deutschland eine hohe Regelungsdichte herrscht, wird auch hier zu Lande der Gesetzgeber vereinzelt nachschärfen müssen. Beispielsweise wird ein Teil der künftig als Straftaten zu ahnenden Handlungen in Deutschland bislang nur als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert. Auch Verstöße gegen das Umgehungsverbot werden bislang nicht explizit von §§ 17, 18 AWG erfasst.

Weiterer Umsetzungsbedarf besteht im Hinblick auf die Mindestanforderung an das Höchstmaß der gegen juristische Personen zu verhängenden Geldbußen. Derzeit können in Deutschland wegen vorsätzlicher Verstöße gegen EU-Sanktionen maximal Bußgelder in Höhe von EUR 10 Mio. verhängt werden. Diese Grenze darf zum Zwecke der Abschöpfung von Gewinnen aus dem Fehlverhalten überschritten werden. Insoweit wird der deutsche Gesetzgeber sorgfältig prüfen, ob er die Höhe des Bußgeldes an den weltweiten Gesamtumsatz der juristischen Person knüpft oder Zuwiderhandlungen mit einem Bußgeld von bis zu EUR 40 Mio. – entweder durch die Schaffung von Sonderregelungen für Verstöße gegen die von der Richtlinie 2024/1226 erfassten EU-Sanktionen oder eine Neufassung von § 30 OWiG – ahndet.

Praxishinweis

Es ist zu erwarten, dass die Richtlinie 2024/1226 die Compliance von Unternehmen stärken wird, da die Strafen für Verstöße erheblich verschärft werden. Auch dürfte die Harmonisierung der Ahndung von Verstößen gegen EU-Sanktionen auf Ebene der Mitgliedstaaten zu einer zusätzlichen Sensibilisierung und Schaffung einheitlicher und grenzüberschreitender Compliance-Standards beitragen.

Unternehmen mit Beziehungen zu sog. Risikoländern müssen unter Beachtung der Maßgaben der Richtlinie 2024/1226 ihre Compliance überprüfen und erforderlichenfalls anpassen, sofern noch nicht geschehen. Denn unzureichende Regelungen im Bereich des Außenwirtschaftsrechts oder eine fehlende Sensibilisierung innerhalb eines Unternehmens wird ab Mitte kommenden Jahres noch stärker sanktioniert werden als bisher, vor allem auf Unternehmensebene.

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