Update Compliance 7/2024 und Update ESG 1/2024
Umweltschutz durch strengere Regelungen zu Umweltkriminalität – die neue Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt
Umweltkriminalität wird weltweit als eine der häufigsten Arten des organisierten Verbrechens eingeordnet und führt laut den europäischen Behörden jährlich zu Schäden in dreistelliger Milliardenhöhe – mit wachsender Tendenz. Dem soll nun eine neue europäische Richtlinie durch die Verbesserung von Ermittlung und Strafverfolgung von Umweltstraftaten in der EU mithilfe neuer Straftatbestände, strengerer Sanktionen und die Verbesserung der Zusammenarbeit der europäischen Strafverfolgungsbehörden entgegenwirken. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben sich zu diesem Zweck kürzlich auf die „Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt“ geeinigt, die zum 20. März 2024 in Kraft getreten ist. Diese Richtlinie zur Bekämpfung von Umweltkriminalität legt neue Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen im Bereich der Umweltkriminalität und entsprechende Sanktionen fest. Die Mitgliedstaaten wie auch Deutschland haben nun ca. zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die jeweiligen Gesetzgeber müssen zu diesem Zweck die folgenden Mindestanforderungen der Richtlinie in das jeweilige nationale Recht überführen:
Neue Straftatbestände
Während die zuvor geltende Richtlinie zur Bekämpfung von Umweltkriminalität aus dem Jahr 2008 lediglich neun strafbare Handlungen vorsah, nennt die neue Richtlinie zur Bekämpfung von Umweltkriminalität zwanzig verschiedene Handlungen, deren Sanktionierbarkeit die Mitgliedstaaten innerhalb der zweijährigen Umsetzungsfrist gemäß dem jeweiligen nationalen Recht sicherstellen müssen. Als „neue“ Kategorien von Verstößen wurden unter anderem der illegale Holzhandel, das illegale Recycling umweltschädlicher Schiffsteile, die illegale Wasserentnahme und schwerwiegende Verstöße gegen die Rechtsvorschriften der EU über Chemikalien und Quecksilber aufgenommen.
Außerdem sieht die Richtlinie „qualifizierte Straftaten“ für den Fall von sogenannten Ökoziden beziehungsweise vergleichbaren Folgen vor, wenn eine in der Richtlinie genannte Straftat vorsätzlich begangen wird und diese entweder zu Zerstörung oder zu dauerhaftem oder irreversiblem, großflächigem und erheblichem Schaden eines Ökosystems führt.
Härtere Sanktionen
Gemäß den Regelungen der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten des Weiteren die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die vorgesehenen Umweltdelikte mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen sowohl gegen Individuen als auch gegen juristische Personen geahndet werden können.
Die Verhängung von Sanktionen gegen juristische Personen sieht die Richtlinie dann vor, wenn eine Straftat zugunsten dieser juristischen Person von einer natürlichen Person begangen wurde, die entweder allein oder als Teil eines Organs der betroffenen juristischen Person gehandelt hat und die eine leitende Stellung innerhalb dieser juristischen Person innehatte. In diesem Fall sollen juristische Personen gemäß den Vorschriften der Richtlinie mit Geldstrafen oder Geldbußen die im Höchstmaß mit mindestens 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes oder alternativ mindestens EUR 40 Mio. sanktioniert werden können. Die Möglichkeit der Verhängung solcher Bußgelder geht somit über das Bußgeld „nur“ in Höhe von höchstens EUR 10 Mio. hinaus, welches derzeit in Deutschland gegen juristische Personen im Wege der sogenannten Verbandsgeldbuße der §§ 30, 130 OWiG verhängt werden kann. Jedenfalls in Bezug auf die Bußgelder gegen juristische Personen besteht somit Anpassungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber.
Darüber hinaus sieht die Richtlinie sowohl für Individuen als auch für juristische Personen weitere Sanktionen, beispielsweise die Pflicht zur Schadensbeseitigung oder zum Ersatz des verursachten Umweltschadens, den Ausschluss vom Zugang zu öffentlichen Finanzierungen sowie Zuwendungen oder die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen vor. Gegen Individualpersonen soll des Weiteren ein Verbot der Bekleidung von Leitungspositionen oder öffentlicher Ämter verhängt werden können, gegen juristische Personen eine Unterstellung unter gerichtliche Aufsicht sowie eine Verpflichtung zur Einrichtung umweltbezogener Compliance-Systeme. Zudem kommt als Sanktion gegen juristische Personen auch ein Verbot zur Ausübung der Geschäftstätigkeit sowie die gerichtlich angeordnete Auflösung sowie die Schließung von Einrichtungen in Betracht. Außerdem sollen gegen juristische Personen verhängte gerichtliche Entscheidungen über die begangene Straftat und die verhängten Sanktionen vollständig oder teilweise veröffentlicht werden.
Derzeit sehen die umweltbezogenen Straf- und Sanktionsvorschriften in Deutschland bei weitem nicht alle der zuvor genannten – erheblichen – Sanktionsmöglichkeiten sowohl gegen natürliche als auch juristische Personen vor. Deutschland muss somit, ebenso wie andere EU-Mitgliedstaaten, innerhalb der Umsetzungsfrist sein Sanktionsregime jedenfalls im Hinblick auf Umweltkriminalität nachschärfen und strengere Sanktionen einführen beziehungsweise bereits bestehende Sanktionsvorschriften an die Vorgaben der Richtlinie anpassen. Insbesondere wird sicherzustellen sein, dass nach dem nationalen Recht Umweltkriminelle neben den bekannten Sanktionen (Bußgelder, Geld- und Freiheitsstrafe) mit den zuvor aufgezeigten zusätzlichen Maßnahmen bestraft werden können.
Entsprechendes gilt im Übrigen auch in Bezug auf etwaige mildernde Umstände: Die Mitgliedstaaten müssen auch sicherstellen, dass beispielsweise als eine Art Kronzeugenregelung die Unterstützung bei der Ermittlung oder Strafverfolgung anderer Straftäter oder die Sammlung von Beweisen als mildernde Umstände bei der Sanktionierung von Umweltstraftätern berücksichtigt werden können.
Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität
Ergänzend sieht die Richtlinie weitere Maßnahmen vor, die eine bessere nationale wie grenzüberschreitende Zusammenarbeit der nationalen wie internationalen (Strafverfolgungs-)Behörden ermöglichen sollen. Beispielsweise ist normiert, dass in den Mitgliedstaaten mehr Ressourcen für die Verfolgung von Umweltstraftaten zur Verfügung gestellt und Strafverfolgungsbehörden regelmäßig spezialisierte Schulungen im Hinblick auf die Bekämpfung von Umweltkriminalität erhalten. Zusätzlich sollen nationale Strategien und Sensibilisierungskampagnen in den Mitgliedstaaten der Umweltkriminalität entgegenwirken. Personen, die Umweltdelikte melden, Beweise vorlegen oder mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten, sollen – neben der zuvor aufgezeigten milderen Sanktionierungsmöglichkeit – auch Zugang zu Unterstützungs- und Hilfemaßnahmen erhalten. Zudem sieht die Richtlinie Verfahrensrechte für betroffene Personen wie Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, vor, sowie Informationsrechte der gegebenenfalls betroffenen Öffentlichkeit. Zuletzt sollen statistische Datenerhebungen der betreffenden Strafverfahren in den Mitgliedstaaten zu einer zielgerichtete(re)n Bekämpfung der Umweltkriminalität in der EU beitragen.
Praxishinweis
Bereits heute sieht die nationale Rechtslage im Falle von Umweltkriminalität die Möglichkeit der Verhängung erheblicher Sanktionen nicht nur gegen Individuen, sondern auch gegen juristische Personen vor. In einigen Bereichen ist Deutschland im Vergleich zu den Richtlinienregelungen auch bereits gut aufgestellt, beispielsweise bezüglich der möglichen Höchststrafen für umweltkriminelle Individualpersonen oder im Hinblick auf die Kooperation der nationalen Strafverfolgungsbehörden. Beispielsweise wurde erst im November 2023 in Nordrhein-Westfalen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund eine Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität (ZeUK NRW) eingerichtet. Allerdings sind aufgrund der dargestellten europäischen Entwicklungen und insbesondere aufgrund der hiesigen Richtlinie weitere Strafbarkeits- wie Sanktionsrisiken und -verschärfungen auch des nationalen Rechts zu erwarten – dies insbesondere im Hinblick auf die Sanktionierung juristischer Personen. Wie gezeigt, besteht erheblicher Handlungsbedarf des deutschen Gesetzgebers insbesondere in Bezug auf die – sich in den letzten Jahren wiederholt stellende Frage der Ausgestaltung – der Verbandssanktionierung.
Die EU-Mitgliedstaaten – so auch Deutschland – haben seit dem gerade erfolgten Inkrafttreten der Richtlinie am 20. Mai 2024 zwei Jahre Zeit, die Anforderungen der Richtlinie in das nationale Recht zu überführen. Ob dies aber tatsächlich bedeutet, dass Deutschland sich zwei Jahre Zeit lässt oder lassen sollte, ist im Hinblick auf die erheblichen erforderlichen Anpassungen der (neben-) strafrechtlichen wie strafprozessualen Vorschriften in verschiedenen Gesetzen fraglich.
Vor diesem Hintergrund ist Unternehmen dringend zu raten, die dynamische und vielfältige Regulatorik im Hinblick auf Umweltkriminalität im Blick zu behalten, ihre Prozesse sowie ihr Compliance-System im Hinblick auf Risiken für umweltstrafrechtliche Verstöße zu überprüfen und diese regelmäßig zu aktualisieren. Ein wirksames und effektives Compliance-System hilft an dieser Stelle nicht nur präventiv zur Verhinderung von Verstößen, sondern kann auch repressiv im Falle der Sanktionierung von Verstößen hilfreich sein. Ein Risiko im Bereich der Umweltkriminalität einzugehen, lohnt sich bereits heute nicht – und zukünftig erst recht nicht (mehr). Die drohenden Strafbarkeits- und Sanktionsrisiken und auch die nicht zu unterschätzenden Reputationsschäden im Falle von Umweltverstößen sind bereits heute erheblich und werden nunmehr, wie gezeigt, noch erheblicher.
In diesem Zusammenhang sei nur ergänzend auf die ebenfalls vor wenigen Tagen in Kraft getretene neue Abfallverbringungsverordnung hingewiesen, die strengere Vorschriften für die Ausfuhr von Abfällen in Nicht-EU-Länder enthält. Illegaler Abfallhandel wird als eine der schwersten Formen von Umweltkriminalität eingestuft und soll somit ebenfalls nach der Richtlinie zur Bekämpfung von Umweltkriminalität erheblich sanktioniert werden. Teilweise werden durch die Richtlinie auch bereits zuvor verabschiedete Verordnungen, wie beispielsweise die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), hinsichtlich der Sanktionen nochmals verschärft.