Update Compliance 11/2024
Reformvorschlag: Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft
Das Bundesjustizministerium hat einen Gesetzesvorschlag zur Reform der Weisungsrechte gegenüber der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Der Reformvorschlag will dem „bösen Anschein“ unzulässiger politischer Einflussnahme begegnen und facht damit eine bereits jahrelang geführte Diskussion an.
Derzeit unterliegt die Staatsanwaltschaft einem (externen) Weisungsrecht des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz bzw. der Landesjustizverwaltung (§§ 146 f. GVG). Dies ist nicht nur von der Bundesrechtsanwaltskammer, sondern auch von Transparency International kritisiert worden. Das Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft ist zwar nicht grenzenlos, jedoch sind diese Grenzen nicht im Gesetz verankert. Auch müssen Weisungen nicht in den Akten dokumentiert werden.
Das Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft de lege lata
Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben gemäß § 146 GVG den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen. Nach § 147 Nr. 1 GVG steht dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hinsichtlich des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte das Recht der Aufsicht und Leitung zu. Gleiches gilt nach § 147 Nr. 2 GVG für die Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des betreffenden Landes.
Wenngleich das Weisungsrecht freilich nicht grenzenlos besteht, finden sich im GVG zu den Grenzen (bislang) keine näheren Regelungen. Aus diesem Grund wird befürchtet, dass ein „böser Anschein“ unzulässiger politischer Einflussnahme entstehe.
Die aktuellen Reformüberlegungen
Nicht zuletzt, um dem Anschein unzulässiger politischer Einflussnahme zu begegnen, werden seit Jahrzehnten unterschiedlichste Reformüberlegungen zum Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft angestrengt und rege diskutiert. Zum Teil wird vorgeschlagen, das Weisungsrecht im Einzelfall generell und kompensationslos aus dem Gesetz zu streichen. Andere befürworten, dass der Bundes- und Landesjustizverwaltung als Kompensation für die Streichung des Weisungsrechts zumindest ein eigenständiges Klageerzwingungsverfahren eingeräumt werden müsse.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 27. Mai 2019
Anstoß für den nun vorliegenden Gesetzentwurf war ferner ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2019 (EuGH v. 27. Mai 2019, C-508/18 PPU, C-82/19 PPU). In diesem wurde festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft als ausstellende Justizbehörde eines Europäischen Haftbefehls die Gewähr für unabhängiges Handeln im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Haftbefehls nicht biete. Es bestünde die Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft einer Einzelweisung seitens der Exekutive unterworfen werde. Dies stehe der für eine ausstellende Justizbehörde erforderlichen Unabhängigkeit entgegen.
Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft de lege ferenda
Nach dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft des Bundesministeriums der Justiz vom 26. März 2024 sollen in § 146 Abs. 2 GVG n.F. die engen rechtlichen Grenzen des Weisungsrechts zukünftig ausdrücklich normiert werden. Nach § 146 Abs. 2 S. 1 GVG n.F. haben Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft stets den Legalitätsgrundsatz zu beachten. Zulässig sein sollen danach nur Weisungen zur Verhinderung rechtswidriger Entscheidungen (Nr. 1), soweit in tatsächlicher Hinsicht ein Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum besteht (Nr. 2) oder im Bereich der Ermessensausübung (Nr. 3). Ferner haben die Weisungen nach § 146 Abs. 2 S. 2 GVG n.F. frei von justizfremden Erwägungen zu ergehen.
Darüber hinaus ist vorgesehen, in § 146 Abs. 3 S. 1 GVG n.F. gesetzlich zu regeln, dass Weisungen zur Sachleitung durch Vorgesetzte nach § 147 Nr. 1, 2 GVG in Textform erteilt und begründet werden sollen. Hierdurch solle eine nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle von externen Weisungen ermöglicht werden. Nur in Ausnahmefällen solle eine Weisung mündlich und ohne Begründung erteilt werde können. Falls solche besonderen Gründe vorliegen und die Weisung auf diese Art und Weise erfolgt, ist die Weisung nach § 146 Abs. 3 S. 2 GVG n.F. spätestens am folgenden Tag in Textform zu bestätigen und zu begründen.
Ausblick
Ob sich der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. In den zahlreichen Stellungnahmen zum aktuellen Reformvorschlag ist jedenfalls zu erkennen, dass die Diskussion rund um das Thema des Weisungsrechts gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht abreißt. Eine klare Tendenz, ob das Weisungsrecht nun völlig abgeschafft oder – wie es der aktuelle Referentenentwurf vorsieht – ob das GVG vordergründig nur aus Klarstellungsgründen geändert werden sollte, lässt sich auch den unterschiedlichen Stellungnahmen nicht abschließend entnehmen.
Wird das Gesetzesvorhaben bis zum Abschluss der laufenden Legislaturperiode nicht abgeschlossen, fällt das Gesetz dem Diskontinuitätsgrundsatz zum Opfer.
Dieser Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Frau Rechtsreferendarin Dr. Theresa Acker erstellt.