11.11.2024Fachbeitrag

Update Compliance 12/2024

US-Wahl 2024: Konsequenzen für Compliance in Deutschland

Die Präsidentschaftswahlen in den USA haben nicht nur innenpolitische, sondern auch weitreichende globale Auswirkungen – besonders für international tätige Unternehmen. Auch deutsche Unternehmen sind hiervon betroffen, insbesondere im Bereich Compliance. Von US-Sanktionen über Datenschutzbestimmungen bis hin zu regulatorischen Veränderungen können politische Entscheidungen in Washington erhebliche Auswirkungen auf Geschäftsstrategien und Risikomanagement in Deutschland haben. Eine Verschärfung von Compliance-Regularien ist von der Trump-Administration nicht zu erwarten, wohl aber Änderungen in der internationalen Zusammenarbeit. Deutsche Unternehmen müssen mögliche Szenarien frühzeitig erkennen und ihre Compliance-Strategien entsprechend anpassen.

HEUKING-Compliance-Experten geben einen Überblick über die zu erwartenden Änderungen:

Überblick | Compliance allgemein

Dr. Martin Ströhmann, LL.M.

Die Haltung der Trump-Administration ist klar: America first, weniger Regelungen, international verursachte „Widerstände“ beseitigen. Dies wird zwar wohl weniger die seit inzwischen schon Jahrzehnten praktizierte Strafverfolgung internationaler Korruption unter der Ägide des Foreign Corrupt Practices Act betreffen – hier ist keine wesentliche Änderung zu erwarten. Bei aktuellen und zukünftigen Compliance-Themen wie Human Rights Compliance, ESG oder Lieferkettensorgfalt steht jedoch zu vermuten, dass eine Trump-Administration auf die Bremse treten wird. Eine „lockere“ Politik unter Trump wird die Probleme der Marktteilnehmer außerhalb der USA sicher beeinflussen. Können US-Unternehmen etwa im Hinblick auf Lieferkettensorgfalt „freier“ agieren als andere Marktteilnehmer, wird das den Wettbewerbsdruck nur noch erhöhen – die Frage der Compliance-Akzeptanz in diesem Bereich liegt auf der Hand. In Bezug auf Whistleblowing ist nicht auszuschließen, dass die kürzlich vom US-Justizministerium artikulierten allgemeinen Hinweisgeberregeln überdacht und möglicherweise „kassiert“ werden – auch hier dürfte wohl eine Lockerung zu erwarten sein.

Außenwirtschaftsrecht

Anna Coenen

Trumps wirtschaftspolitische Agenda sieht insbesondere die Stärkung der amerikanischen Industrie und die Bekämpfung des wirtschaftlichen Einflusses Chinas vor. Zur Minimierung des wirtschaftlichen Einflusses Chinas plant Trump unter anderem, gegen China gerichtete Zölle auszuweiten und drastisch zu erhöhen – bis zu 60 Prozent. Darüber hinaus könnte er Exportkontrollen verschärfen, Sanktionen gegen chinesische Unternehmen verhängen und andere Maßnahmen zum Schutz wichtiger Industrien und Technologien ergreifen, um die USA von bestimmten Teilen des chinesischen Marktes zu entkoppeln und den Wettstreit um die technologische Vorherrschaft für die USA zu entscheiden.

Aufgrund des Prinzips der Extraterritorialität des US-Exportkontrollrechts wären von etwaigen Sanktionen gegen chinesische Unternehmen neben den USA auch alle anderen Staaten von einer solchen Entscheidung der USA betroffen. Denn die USA differenzieren zwischen sog. Primary und Secondary Sanctions: Primary Sanctions richten sich direkt an US-Personen und müssen von diesen umgesetzt werden. Secondary Sanctions hingegen betreffen Nicht-US-Personen und sanktionieren bestimmte Aktivitäten, die den Zielen der US-Sanktionen zuwiderlaufen. Secondary Sanctions dienen dazu, die Wirkung amerikanischer Primary Sanctions durch eine Ausweitung der Restriktionen auf Geschäftsbeziehungen außerhalb der US-Jurisdiktion zu verstärken.

Zudem sprach Trump auch in Bezug auf die Europäische Union davon, höhere Steuern/Zölle auf Produkte aus der Europäischen Union einzuführen. Während seines Wahlkampfes drohte er mit Importzöllen in Höhe von zehn bis 20 Prozent.

Datenschutz

Dr. Philip Kempermann, LL.M.

President Biden hat eine Executive Order und andere administrative Maßnahmen erlassen, um mit dem EU-US Data Protection Framework („DPF“) einen Nachfolger des vom EuGH 2020 gekippten Privacy Shields zu errichten. Daraufhin hat die EU Kommission einen Angemessenheitsbeschluss gefasst, aufgrund dessen europäische Unternehmen personenbezogene Daten gemäß Art. 45 DSGVO an entsprechend DPF zertifizierte Empfänger in den USA transferieren können, ohne weitere Maßnahmen zu treffen. Auch an nicht DPF zertifizierte Empfänger können sie Daten transferieren, wenn sie mit diesen Standardvertragsklauseln gemäß Art. 46 DSGVO schließen. Diese Maßnahmen haben die tägliche Arbeit der Unternehmen sehr erleichtert und Rechtssicherheit gegeben. 

Sollte die Administration Trump die dem DPF zugrundeliegenden Rechtsakte abändern, wäre die EU Kommission gezwungen, den Angemessenheitsbeschluss zu überprüfen und im schlimmsten Falle zu widerrufen. Die privilegierende Wirkung des DPF könnte dann entfallen. Unternehmen müssten wieder vollständig auf Standardvertragsklauseln zurückgreifen und dafür umfangreiche Transfer Impact Assessments anstellen.

Noch ist nicht bekannt, ob Trump Änderungen am DPF bzw. den zugrundeliegenden Rechtsakten plant. Unternehmen sollten das jedoch genau beobachten, damit sie ggfs. rechtzeitig mit Dienstleistern und anderen Datenempfängern in den USA ergänzende Maßnahmen treffen und Verträge schließen können.

Environmental Social Governance

Dr. Christoph Schork, LL.M.

Unter der Führung von Präsident Trump werden die Vereinigten Staaten von den globalen und nationalen Bemühungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen abrücken und stattdessen die Produktion fossiler Energieträger steigern. Als eine seiner ersten Maßnahmen hat Trump bereits den erneuten Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt. Es ist auch davon auszugehen, dass er zahlreiche weitere Vorschriften der Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) zurücknimmt. Damit werden sich die Vereinigten Staaten nicht mehr länger an den Bemühungen der EU um mehr Klima-, Umwelt-, und Menschenrechtsrechtsschutz orientieren, sondern einen eigenen weniger ambitionierten Weg bei diesen Themen einschlagen.

International tätige Unternehmen werden sich daher in Sachen ESG in den nächsten Jahren auf eine zweigeteilte Welt einstellen müssen. Strenge Regeln zur Einhaltung von Menschenrechten in Lieferketten, dem Inverkehrbringen entwaldungsfreier und nachhaltiger Produkte auf dem EU-Binnenmarkt sowie eine umfangreiche Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa stehen einer vermeintlich geringeren ESG-Regulierung in den USA gegenüber. Angesichts der vielfältigen Probleme bei Klimaschutz und Biodiversität und einer zeitlich begrenzten Amtszeit des neuen Präsidenten kann dies aber auch nur eine Momentaufnahme sein. 

Finanzmarktregulierung, insbesondere Krypto

Dr. Dr. Johannes Blassl

Die amerikanische Finanzindustrie, insbesondere die Banken, dürften mehrheitlich die Wahl Donald Trumps begrüßen. Es ist damit zu rechnen, dass Trump bestehende Regulierungsplanungen im Bereich der Finanzmarktregulierung stoppen oder zumindest abmildern wird. So sieht Donald Trump das Basel-3-Abkommen kritisch. Dieses Abkommen sieht vor, dass Banken unter anderem bei ihrer Kreditvergabe höhere Eigenkapitalquoten bereithalten müssen. Dies stärkt zwar die Robustheit der jeweiligen Bank gegen Kreditausfälle, sorgt aber gleichzeitig auch dafür, dass die Kreditvergabe für die Banken teurer wird.

Auch ist zu erwarten, dass die Trump-Administration verschiedene unter Biden geschaffene Regulierungen, wie die Leitlinien des Office of the Comptroller of the Currency zur Sanierungsplanung, die Regelungen der Federal Deposit Insurance Corporation zur Werbung, die Regelungen Consumer Financial Protection Bureau über die Pflichten der Banken zur Datenweitergabe an Kunden oder Anti-Geldwäsche-Regelungen des Financial Crimes Enforcement Networks lockert oder teilweise gänzlich abschafft.

Für die europäischen Banken, die mit den amerikanischen Banken in Wettbewerb stehen, könnte eine solche weitreichende Deregulierung des amerikanischen Bankensektors einen erheblichen Wettbewerbsnachteil darstellen, da Regulierung immer auch Geld kostet.

Auch die Kryptomärkte reagieren positiv auf Trumps Wahlsieg. So hat die bekannteste Kryptowährung Bitcoin nach dem Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl erstmals die Schwelle von 75.000 Dollar übersprungen. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, er wolle die USA zum weltweiten Zentrum „für Krypto und Bitcoin“ machen. Insbesondere hat er angekündigt, die USA würden einen „government stockpile of Bitcoin“, also eine Art Währungsreserve in Bitcoin einrichten.

Auch hat Trump bereits im Wahlkampf die Entlassung des Vorsitzenden der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC), Gary Gensler, angekündigt. Dieser hatte im September 2021 vor einem Komitee des US-Senats den Kryptowährungsmarkt mit dem Wilden Westen verglichen und ist ein erklärter Kritiker von Kryptowährungen.

Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

Dr. André-M. Szesny, LL.M.

Strafrecht ist ein klassisch national-geprägtes Rechtsgebiet: Traditionell bestimmt jeder Staat selbst, wegen welcher Taten er seine Bürger bestrafen möchte. Doch in der Strafverfolgung unterstützen sich Staaten gegenseitig.

Die USA verfolgen schon seit jeher einen extraterritorialen Ansatz, in dem sie auch ausländische Unternehmen und Auslandspraktiken in den Anwendungsbereich ihrer nationalen Gesetze fassen. Prominentes Beispiel ist der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA), der korruptes Verhalten nicht nur in-, sondern auch ausländischer Unternehmen bestraft, wenn nur irgendein Bezug zu den USA besteht, z. B. eine Börsennotierung an der New Yorker Börse oder die Abwicklung einer Banktransaktion über ein US-Institut.

Umgekehrt haben die USA sich seit jeher dem Zugriff ausländischer Strafverfolgung entzogen: Bereits während der Bush-Administration haben die Vereinigten Staaten ihre Unterschrift unter das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH) zurückgenommen und gesetzliche Maßnahmen gegen IStGH-Entscheidungen vollzogen. Trump setzte diese Linie fort, indem er während seiner ersten Amtszeit Richtern des IStGH die Einreise in die USA verbieten wollte.

Hingegen bestehen durchaus Auslieferungsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten einerseits und Deutschland und der Europäischen Union andererseits, die auch in der ersten Amtszeit Trumps nicht aufgekündigt wurden. Ob sie allerdings auch in der Praxis weiter durchgesetzt werden, steht in den Sternen.

Die verstärkt protektionistische Haltung der neuen Präsidentschaft („America First“) könnte aber dazu führen, dass ausländische Unternehmen und Beschuldigte anders, nämlich strenger, behandelt werden als inländische.

Was können wir für Sie tun?

Deutsche Unternehmen, die den Weg in die Vereinigten Staaten wagen oder dort bereits geschäftlich tätig sind, beraten wir rechtlich und zeigen Strategien im Umgang mit dem Regulatorium der USA auf. Als Mitglied internationaler Netzwerke sorgt HEUKING für eine maßgeschneiderte Beratung unserer Mandanten auch im Ausland. Grenzüberschreitende Themen mit US-Bezug beraten wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern in den Vereinigten Staaten. Als deutsches Mitglied der World Services Group arbeiten wir mit bewährten Full-Service-Kanzleien in der ganzen Welt erfolgreich zusammen – auch in den Vereinigten Staaten.

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