Update Arbeitsrecht Januar 2021
Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes bei der Arbeit als Flugsicherheitsassistentin
Das Arbeitsgericht Berlin hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Pflicht zum Tragen eines vom Arbeitgeber bereitgestellten Mund-Nasen-Schutzes bestätigt. Insbesondere konnte im Streitfall anstelle des hier vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutzes demnach auch kein Gesichtsvisier getragen werden, weil es für den Schutz Dritter weniger geeignet sei.
Sachverhalt
Das Arbeitsgericht Berlin hatte sich im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren im Oktober 2020 im Wesentlichen mit der Frage zu beschäftigen, ob der Arbeitgeber das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Wege seines Direktionsrechts grundsätzlich anordnen darf und falls ja, ob dem Infektionsschutz stattdessen auch durch das Tragen eines Gesichtsvisiers Rechnung getragen werden kann.
Die Verfügungsklägerin ist bei der Verfügungsbeklagten, welche Sicherheitsdienstleistungen an Berliner Flughäfen erbringt, als Flugsicherheitsassistentin beschäftigt. Die Verfügungsbeklagte verpflichtete ihre Mitarbeiter seit April 2020 in einer Betriebsanweisung zur Verwendung eines bereitgestellten Mund-Nasen-Schutzes, um Infektionsrisiken zu verringern. Die Verfügungsklägerin trug anfangs ein durchsichtiges Gesichtsvisier, einen Mund-Nasen-Schutz trug sie zunächst nicht. Anfang September 2020 verlangte die Verfügungsbeklagte von der Verfügungsklägerin das Tragen eines von ihr bereitgestellten medizinischen Mund-Nasen-Schutzes, dessen Verwendungszweck der Fremdschutz ist. Nach einer Abmahnung wegen mehrerer Verletzungen der Tragepflicht des bereitgestellten Mund-Nasen-Schutzes sowie einem Versuch des Tragens eines solchen – verbunden mit gewissen gesundheitlichen Beeinträchtigungen – wurde der Verfügungsklägerin tatsächlich in einem Kurzbefund von einer Fachärztin für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde empfohlen, ein Vollvisier anstelle eines Mund-Nasen-Schutzes zu tragen. Streit zwischen den Parteien entzündete sich nun insbesondere in der Frage, ob das von der Verfügungsklägerin getragene Gesichtsvisier als ausreichende Mund-Nasen-Bedeckung angesehen werden kann.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Berlin erkannte bereits keinen Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin an und stellte fest, dass diese zum Tragen des von der Verfügungsbeklagten zur Verfügung gestellten Mund-Nasen-Schutzes verpflichtet werden kann. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin ist diese Anordnung vom Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten, die dieses auch nach billigem Ermessen ausgeübt hatte, erfasst. Hierbei fanden zum einen die Interessen der Verfügungsklägerin, ihrer Arbeit weiterhin ohne Mund-Nasen-Schutz und damit einhergehenden – teilweise streitigen – eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachzugehen Berücksichtigung. Andererseits wurde das Interesse der Verfügungsbeklagten am höchstmöglichen Infektionsschutz ihrer Mitarbeiter sowie des Publikums an den Berliner Flughäfen und die Einhaltung gesetzlicher und arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften in die Abwägung mit eingestellt. Unter Berücksichtigung der SARS-CoV-2-Umgangsverordnung (Brandenburg) zu Verkehrsflughäfen sowie der Handlungsempfehlungen des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, stellte das Arbeitsgericht Berlin fest, dass Arbeitgeber berechtigt – im Falle der Verfügungsbeklagten sogar gesetzlich verpflichtet – sind, Mund-Nasen-Bedeckungen an Arbeitnehmer, die unvermeidbare Kontakte haben bzw. Schutzabstände nicht einhalten können, verpflichtend zur Verfügung zu stellen. Insbesondere ist demnach ein Gesichtsvisier nicht geeignet, die Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln in gleichwertiger Weise zu verringern. Es handele sich dabei schon begrifflich nicht um eine Mund-Nasen-Bedeckung, welche textile Bekleidungsgegenstände darstellen und dem Fremdschutz dienen sollen. Strukturell davon unterscheiden sich Gesichtsvisiere, welche lediglich dem Eigenschutz dienen sollen (vgl. auch „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“). Insbesondere habe die Verfügungsklägerin auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass ihr die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung wegen einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen gänzlich unmöglich oder unzumutbar ist.
Einordnung in die weitere Rechtsprechung
Abgesehen davon, dass eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten bleibt, trägt diese Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin einen weiteren „Mosaik-Stein“ zur bisher ergangenen Rechtsprechung im Themenfeld des Infektionsschutzes im Betrieb bei. So hatten mit Blick auf die Maskenpflicht bereits Gerichte verschiedener Rechtsbereiche entschieden, dass der lediglich pauschale Verweis auf „medizinische Gründe“ nicht ausreichend ist, ohne jedoch die konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufzuführen oder woraus diese Beeinträchtigungen im Einzelnen resultierten (vgl. aktuell OLG Dresen vom 6. Januar 2021 – 6 W 939/20; OVG Münster vom 24. September 2020 – 13 B 1368/20; Arbeitsgericht Siegburg vom 16. Dezember 2020 – 4 Ga 18/20; a.A. in einem Eilverfahren OVG Berlin-Brandenburg vom 4. Januar 2021 – 11 S 132/20). Teilweise wird sogar verlangt, dass relevante Vorerkrankungen konkret bezeichnet werden und (regelmäßig) erkennbar wird, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist. Die hiesige Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin dürfte dazu beitragen, dass Mitarbeiter – welche Gesichtsvisiere anstelle einer Mund-Nasen-Bedeckung tragen möchten – einem erhöhten Begründungsaufwand unterliegen dürften, warum diese gleich geeignet zur Verhinderung der Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln sind.