14.04.2015Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht April 2015

Stimmverbot des GmbH-Gesellschafters bei Interessenkollision

KG Berlin, Urteil vom 8. Mai 2014 – 12 U 22/13, NZG 2015, 198

Ein GmbH-Gesellschafter darf gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts ihm gegenüber betrifft, nicht mitstimmen. Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass dieses Stimmverbot entsprechend anzuwenden sei, wenn über ein Rechtsgeschäft zwischen der GmbH und einer „dritten“ Gesellschaft, an der der GmbH-Gesellschafter zu 50 Prozent beteiligt und deren alleiniger Geschäftsführer er ist, Beschluss gefasst wird.

Das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG zielt darauf ab, eine (abstrakt) bestehende Interessenkollision bei Beschlussfassungen in der GmbH zu vermeiden. Durch den präventiven Ausschluss des Stimmrechts soll der Gefahr begegnet werden, dass sich ein GmbH-Gesellschafter bei Abstimmungen über Rechtsgeschäfte zwischen ihm und der GmbH einseitig Vorteile zu Lasten der Gesellschaft verschafft. Die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft soll nicht von gesellschaftsfremden, privaten Sonderinteressen beeinflusst bzw. beeinträchtigt werden.

Einer differenzierten Betrachtung bedarf die praxisrelevante Konstellation, in der nicht Rechtsgeschäfte unmittelbar zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter, sondern zwischen der GmbH und einer „dritten“ Gesellschaft, an der der GmbH-Gesellschafter beteiligt ist und bei der er ggf. Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt, in Rede stehen.

Zweck des Stimmverbots entscheidend

Mit Blick auf den Wortlaut des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG ist fraglich, inwiefern hier ein Stimmverbot greift. Formal wird kein Rechtsgeschäft zwischen der GmbH und dem GmbH-Gesellschafter abgeschlossen, und die Drittgesellschaft als Vertragspartnerin ist nicht Gesellschafterin der GmbH. Die Rechtsprechung erkennt jedoch an, dass bei der Reichweite des Stimmverbots keine rein formale Betrachtung vorzunehmen ist, sondern Sinn und Zweck des Stimmrechtsverbots maßgeblich sind (BGH NJW 1973, 1039, 1041). Ausgehend von der Zielrichtung, Interessenkonflikte zu vermeiden, lautet die entscheidende Frage daher: Wann befindet sich ein GmbH-Gesellschafter bei einem Geschäft zwischen der GmbH und der Drittgesellschaft in einem Interessenwiderstreit, der seine Stimmabgabe als Gesellschafter der GmbH nachteilig beeinflussen, d. h. ihn befangen machen kann.

Interessenidentität zwischen GmbH-Gesellschafter und Drittgesellschaft maßgeblich

Als maßgebliches Kriterium stellt der BGH darauf ab, inwiefern zwischen dem GmbH-Gesellschafter und der Drittgesellschaft eine wirtschaftliche und unternehmerische Einheit besteht, die es rechtfertigen kann, das Rechtsgeschäft der Drittgesellschaft als ein solches des GmbH-Gesellschafters zu werten (BGH NJW 1973, 1039, 1041). Der BGH hatte bei einem Rechtsgeschäft zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG, bei der der GmbH-Gesellschafter alleiniger Gesellschafter der Komplementär- GmbH war, die wiederum alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG war, eine derartige Interessenidentität und damit ein Stimmverbot bejaht. In vergleichbarer Weise nimmt der BGH ein Stimmverbot für den Fall an, dass der GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter der Drittgesellschaft ist (BGH NJW 1971, 1265, 1267).

Weite Auslegung der Vorschrift des § 47 Abs. 4 GmbHG

In dem jüngst vom KG Berlin entschiedenen Fall ging es um die Beschlussfassung bei einer GmbH über einen mit einer dritten Gesellschaft abzuschließenden Gaststättenmietvertrag. Der Geschäftsführer und Mitgesellschafter der GmbH war zugleich zu 50 Prozent an der Drittgesellschaft beteiligt und deren Alleingeschäftsführer. Gegen seine wirksame Teilnahme an der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung der GmbH wandte sich ein Mitgesellschafter mittels Anfechtungsklage. Das KG Berlin hat ein Stimmverbot des betroffenen GmbH-Gesellschafters bejaht. Ausgehend von dem gesetzgeberischen Ziel, durch das Stimmverbot Interessenkollisionen zu verhindern, hält es eine weite Auslegung oder auch eine Analogie der Vorschrift des § 47 Abs. 4 GmbHG für angemessen. Dem stehe nicht entgegen, dass § 47 Abs. 4 GmbHG kein allgemeines Prinzip zu entnehmen sei, wonach beim Vorliegen jedweden Interessenkonflikts ein Stimmrechtsausschluss zu greifen habe.

„Erhebliche Beteiligung“ und „weitere Einflussnahmemöglichkeiten, z. B. Geschäftsführungsfunktion“ als maßgebliche Kriterien

Das KG Berlin stellt also im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH als maßgebliches Kriterium auf die Interessenidentität zwischen GmbH-Gesellschafter und Drittgesellschaft und nicht auf die Herrschaftsverhältnisse ab. Grundsätzlich könne bereits eine erhebliche Beteiligung des GmbH-Gesellschafters an der Drittgesellschaft genügen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der GmbH-Gesellschafter in der Drittgesellschaft zugleich eine unternehmerische Funktion wahrnehme, wobei diese Begrifflichkeit nicht näher präzisiert wird. In der Gesamtschau des Urteils wird man hierunter zusätzliche Einflussnahmemöglichkeiten des GmbH-Gesellschafters wie die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben zu verstehen haben. Da der betroffene GmbH Gesellschafter als Gesellschafter und Geschäftsführer sowohl der GmbH als auch der Drittgesellschaft das Wohl beider Gesellschaften im Auge haben müsse, lag für das KG Berlin eine Interessenkollision auf der Hand.

50 Prozent-Beteiligung und Alleingeschäftsführung bei Drittgesellschaft begründet Stimmverbot

Die Entscheidung des KG Berlin verdient Zustimmung und gibt dem Praktiker eine (weitere) Richtschnur an die Hand für die – mitunter nicht einfache – Bestimmung von Stimmverboten für GmbH-Gesellschafter. Für die Annahme des von der Rechtsprechung entwickelten Kriteriums der Interessenidentität zwischen GmbH-Gesellschafter und Drittgesellschaft genügt eine erhebliche Beteiligung des GmbH-Gesellschafters an der Drittgesellschaft, sofern er zugleich über weitere Einflussnahmemöglichkeiten, z. B. durch die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben, verfügt. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der GmbH-Gesellschafter zu 50 Prozent an der Drittgesellschaft beteiligt und dort Alleingeschäftsführer ist. Jenseits dieser konkret festgestellten Leitlinien ist das Eingreifen eines Stimmverbots weiterhin anhand der Besonderheiten des Einzelfalls zu prüfen. Im Übrigen ist zu beachten, dass die vorgenannten Grundsätze zum Stimmverbot in gleicher Weise im Konzernverbund zur Anwendung gelangen. Ein Konzernprivileg besteht hier grundsätzlich nicht.

Fazit

Sind GmbH-Gesellschafter an anderen „dritten“ Gesellschaften nicht nur unerheblich beteiligt und verfügen sie dort über zusätzliche Einflussnahmemöglichkeiten (z. B. durch Geschäftsführungsfunktionen), ist bei einer Beschlussfassung über die Vornahme von Rechtsgeschäften zwischen der GmbH und der Drittgesellschaft stets an ein mögliches Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG zu denken. Eine ein Stimmverbot begründende Interessenidentität zwischen GmbH-Gesellschafter und Drittgesellschaft ist nach dem jüngsten Urteil des KG Berlin dann gegeben, wenn der GmbH-Gesellschafter zu 50 Prozent an der Drittgesellschaft beteiligt und dort zugleich Alleingeschäftsführer ist.

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