Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2014
Tätigkeit als Leiharbeitnehmer ist nicht auf Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anrechenbar
BAG, Urteil vom 20.2.2014 – 2 AZR 859/11
Die Beschäftigung als Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers wird nicht auf die spätere Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG angerechnet. Innerhalb des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) entscheidet der jeweilige Normzweck darüber, ob die Leiharbeitnehmer als Angestellte des Entleihers gewertet werden.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte im Rahmen einer Kündigungsschutzklage über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu entscheiden.
Die Klägerin war über Jahre in einem Drogeriemarkt des Schlecker-Konzerns tätig. Als dieser geschlossen wurde, einigte sich die Klägerin mit ihrem bisherigen Arbeitgeber über eine Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses und schloss einen Arbeitsvertrag mit einer Zeitarbeitsgesellschaft. Diese überließ die Klägerin an die Beklagte, welche ebenfalls dem Schlecker- Konzern angehörte. Schließlich hob die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis mit der Zeitarbeitsgesellschaft auf und begründete ein Anstellungsverhältnis mit der Beklagten.
Weniger als 6 Monate später kündigte die Beklagte das Anstellungsverhältnis mit der Klägerin ordentlich. Die Klägerin hält die Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung. Unter anderem führte sie auf, dass die Zeit, die sie als Leiharbeitnehmerin im Betrieb der Beklagten verbrachte, auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG angerechnet werden müsse.
Das BAG verwies die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht. Das BAG konnte nicht abschließend feststellen, ob das KSchG Anwendung finde. Aus der vorhergehenden Tätigkeit der Klägerin als Leiharbeitnehmerin folge die Anwendbarkeit des KSchG aber nicht.
Grundsätzlich keine Anrechnung der Tätigkeit als Leiharbeitnehmer auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG
Nach Ansicht des BAG finden Zeiten, die der Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert war, in einem späteren Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Entleiher bei der Berechnung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG grundsätzlich keine Berücksichtigung. Dies gelte auch bei einem nahtlosen Übergang zwischen Überlassung und Arbeitsverhältnis.
Das BAG beruft sich zunächst auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 KSchG. Dieser knüpft an das ununterbrochene Bestehen des Arbeitsverhältnisses im betroffenen Betrieb oder Unternehmen, aber gerade nicht an die tatsächliche Beschäftigung an.
Zudem entspreche die fehlende Anrechnung auch dem Sinn und Zweck der Wartefrist. Diese diene der gegenseitigen Erprobung. Eine solche Erprobung sei während einer Überlassung aber nicht in vollem Umfang möglich. So könne der Arbeitgeber etwa nicht beurteilen, ob der Arbeitnehmer im Bereich der Lohnzahlung und der Urlaubsgewährung seinen Nebenpflichten nachkomme. Insoweit bestehe während einer Überlassung keine Beziehung zwischen den Parteien.
Einordnung von Leiharbeitnehmern in § 23 KSchG steht nicht entgegen
Nach Ansicht des BAG steht dieser Entscheidung auch nicht entgegen, dass Leiharbeitnehmer im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG bei der Berechnung der Betriebsgröße mit einbezogen werden, wenn sie einen in der Regel vorhandenen Personalbedarf abdecken. § 23 KSchG verfolge den Zweck, nur solche Unternehmen von der Geltung des KSchG auszunehmen, die die typischen Merkmale eines Kleinbetriebes aufweisen. Dafür sei es unerheblich, ob die Aufgaben durch eigene oder fremde Arbeitnehmer erfüllt werden.
Zurückverweisung der Sache an das LAG
Das BAG hat die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Die Anwendbarkeit des KSchG könne sich aus einer individuellen Vereinbarung der Parteien ergeben. Über derartige Vereinbarungen sei aber bislang keine Feststellung getroffen worden.
Fazit
Arbeitgeber können auch weiterhin darauf vertrauen, dass sie sechs Monate Zeit haben, die Zusammenarbeit mit einem neuen Mitarbeiter zu erproben. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Die tatsächliche Beschäftigung von Leiharbeitnehmern im Betrieb wird nicht auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG angerechnet, auch wenn sie auf dem gleichen Arbeitsplatz erfolgt und die Tätigkeit sich unmittelbar an die Überlassung anschließt. Im Arbeitsvertrag sollte tunlichst alles vermieden werden, was bei dem Arbeitnehmer den Eindruck entstehen lassen könnte, sein Beschäftigungsverhältnis bestehe trotz Wechsel des Vertragsarbeitgebers unverändert fort (etwa der Verzicht auf die Probezeit).