28.03.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht März 2023

Verhandlungssache oder Equal Pay?

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. Februar 2023 – Az. 8 AZR 450/21 (Pressemitteilung)

Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit – so entschied das BAG nun auch für den Fall, dass ein männlicher Arbeitnehmer sein Gehalt besser verhandelt hat, als seine weibliche Kollegin. Welche Auswirkungen diese Entscheidung für die Praxis hat, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Sachverhalt

Die Klägerin ist seit dem 1. März 2017 bei der Beklagten als Vertriebsmitarbeiterin angestellt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundgehalt betrug zu Beginn des Arbeitsverhältnisses 3.500,00 € brutto.

Einem zwei Monate vor der Klägerin eingestelltem männlichen Vertriebsmitarbeiter zahlte die Beklagte ein höheres Grundgehalt. Ihm waren – wie auch der Klägerin – 3.500,00 € brutto angeboten worden. Dieses Angebot lehnte er jedoch ab und verhandelte für die Zeit bis zum 31. Oktober 2017 ein höheres Grundgehalt in Höhe von 4.500,00 € brutto. Ab Juli 2018 vereinbarte die Beklagte mit dem männlichen Kollegen ein Festgehalt, das mit 4.000,00 € brutto immer noch höher war, als das der Klägerin. Zur Begründung berief sich die Beklagte unter anderem darauf, dass der männliche Kollege einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei.

Ab dem 1. August 2018 richtete sich die Vergütung der Klägerin und des männlichen Kollegen nach einem Haustarifvertrag, der für beide – da sie sich in derselben Entgeltgruppe befanden – ein Grundgehalt in Höhe von 4.140,00 € brutto vorsah.

Der Haustarifvertrag enthielt jedoch eine Deckelungsregelung, die eine Gehaltssteigerung nur in Höhe von 120,00 € brutto erlaubte. Dies führte dazu, dass die Beklagte dem männlichen Kollegen ein Grundgehalt von 4.120,00 € brutto und der Klägerin lediglich ein Grundgehalt in Höhe von 3.620,00 € brutto zahlte.

Die Vertriebsangestellte klagte auf die rückständige Vergütung und begehrte zudem eine angemessene Entschädigung in Höhe von mindestens 6.000,00 €.

Rechtliche Lösung

Nachdem die Vorinstanzen die Klage abwiesen, gab das BAG der Zahlungsklage insgesamt statt und sprach der Klägerin zudem eine Entschädigung in Höhe von 2.000,00 € gemäß § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu.

Das BAG stellte fest, dass die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Denn sie und ihr männlicher Kollege verrichteten zwar die gleiche Arbeit, die Klägerin habe hierfür jedoch ein niedrigeres Grundgehalt erhalten. Aus diesem Grund habe sie einen Anspruch aus Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV), § 3 Abs. 1 und § 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) auf das gleiche Grundgehalt, wie ihr männlicher Kollege.

Darüber hinaus begründe der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Gehalt erhalten habe, die Vermutung gemäß § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei (so bereits BAG, Urteil vom 21. Januar 2021 – 8 AZR 488/19).

Das BAG stellte ausdrücklich klar, dass der Verweis auf das vermeintlich bessere Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen der Klägerin die Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht widerlegen kann.

Auch die spätere Begründung, dass ein höheres Gehalt gezahlt worden sei, da der männliche Kollege einer besser vergüteten Arbeitnehmerin nachgefolgt sei, überzeugte das BAG nicht.

Ausblick für die Praxis

Die Entscheidung des BAG macht deutlich, dass das Argument eines individuellen Verhandlungsgeschicks nicht geeignet ist, eine unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern zu rechtfertigen.

Kann eine Arbeitnehmerin – wie hier geschehen – darlegen, dass ein männlicher Kollege mehr verdient und die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit leistet, so liegt hierin die Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Diese Vermutung muss der Arbeitgeber seinerseits widerlegen. Er hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass objektive und geschlechtsneutrale Gründe eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen. Als solche kommen (weiterhin)

  • die Qualifikation oder
  • die Berufserfahrung

in Betracht.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung sollten Arbeitgeber ihre vorhandenen Vergütungssysteme auf Risiken einer Diskriminierung überprüfen. Bei künftigen Gehaltsverhandlungen sollten sie genau dokumentieren, welche objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien zu einer konkreten Vergütungsentscheidung geführt haben.

Für eine weitergehende Einordnung der Entscheidung – insbesondere zu der Frage, ob die vorgenannten Grundsätze auch zu Gunsten eines männlichen Kollegen gelten würden – bleiben die Urteilsgründe des BAG abzuwarten.

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