Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A April 2019
Verjährung von Schadenersatzansprücheneiner AG gegen Aufsichtsratsmitglieder
BGH, Urteil vom 18.09.2018 - II ZR 152/17, BeckRS 2018, 26058
Der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt in dem Urteil vom 18. September 2018 klar, dass die Verjährung von Schadensersatzansprüchen einer Aktiengesellschaft gegen ein Aufsichtsratsmitglied, wenn dieses Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied pflichtwidrig verjähren lässt, mit dem Zeitpunkt der Verjährung des Ersatzanspruches der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied beginnt. Zudem äußert sich der BGH zu der Frage, ob ein betroffenes Aufsichtsratsmitglied der Pflicht zur Anspruchsverfolgung den Einwand der Selbstbelastungsfreiheit entgegen halten kann.
Im vorliegenden Fall hatte der Vorstand einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr mehrere Zahlungen, unter anderem auch an das in Anspruch genommene Aufsichtsratsmitglied, geleistet. Etwaige Schadenersatzansprüche der Gesellschaft aufgrund der Auszahlungen gegen den Vorstand verfolgte der Aufsichtsrat aber nicht, so dass die Ansprüche verjährten. Die Gesellschaft hat daraufhin gegenüber dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied Schadenersatzansprüche geltend gemacht, welche nach Ansicht der Vorinstanzen ebenfalls allesamt verjährt sein sollten.
Verjährungsbeginn erst mit abgeschlossener Verjährung der Vorstandshaftung
Dieser Ansicht tritt der BGH im ersten Teil seiner Entscheidung entgegen. Sowohl bei einer einheitlichen Dauerhandlung durch Verletzung der Verfolgungspflicht als auch bei wiederholter Unterlassung der Anspruchsverfolgung beginnt eine Verjährung des Schadenersatzanspruches der Aktiengesellschaft gegen das Aufsichtsratsmitglied erst mit dem Zeitpunkt der Verjährung des Schadenersatzanspruches der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied. Auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung des Vorstands, hier also dem Zeitpunkt der durch die Aktiengesellschaft geleisteten verbotenen Zahlungen, kommt es für den Verjährungsbeginn nicht an.
Reichweite des Einwands der Selbstbelastungsfreiheit
Im zweiten Teil seiner Entscheidung tritt der BGH zudem der Argumentation der Vorinstanz entgegen, wonach eine Haftung des Aufsichtsratsmitgliedes auch deshalb ausscheide, da es sich zur Vermeidung der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung selbst hätte bezichtigen müssen. Denn im konkreten Fall hat auch das betroffene Aufsichtsratsmitglied Zahlungen von der Gesellschaft erhalten. Unter Bezugnahme auf die Grundsätze der ARAG-Garmenbeck-Rechtsprechung führt der BGH aus, dass eine Verfolgung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat im Einzelfall auch dann geboten sein kann, wenn dadurch eigene Pflichtverletzungen des Aufsichtsrates offengelegt werden.
Überwachungs- und Schutzfunktion des Aufsichtsrates darf nicht zu sehr geschwächt werden
Das Recht zur Wahrung eigener Interessen sowie das Verbot der Selbstbelastung stehen dem nicht entgegen. Das aus dem Grundgesetz abgeleitete Verbot der Selbstbezichtigung kann nicht uneingeschränkt gelten, da anderenfalls die Überwachungs- und Schutzfunktion des Aufsichtsrates zu sehr geschwächt würde. Offen gelassen hat der 2. Zivilsenat die Frage, wie dies zu betrachten wäre, wenn strafrechtlich relevantes Verhalten offengelegt werden könnte.