Newsletter Gesellschaftsrecht Oktober 2016
Verlegung von Gesellschafterversammlungen auf Antrag eines verhinderten Gesellschafters
Das OLG Köln hat entschieden, dass eine Gesellschafterversammlung einer personalistisch strukturierten Gesellschaft mit geringer Gesellschafterzahl auf Antrag eines verhinderten Gesellschafters verlegt werden muss, solange die Antragstellung nicht missbräuchlich ist, dem Gesellschafter eine sachgerechte Vertretung nicht möglich ist und die Beschlussfassung einen Aufschub duldet. Das OLG begründet seine Entscheidung insbesondere mit dem Teilnahmerecht des verhinderten Gesellschafters sowie der Rücksichtnahmepflicht der übrigen Gesellschafter.
Die Parteien des Verfahrens vor dem OLG Köln waren Gesellschafter der „Privatbrauerei H. & Co. oHG“. Einer der Gesellschafter kündigte an, bei einer bevorstehenden Gesellschafterversammlung wegen eines geplanten Auslandsaufenthalts verhindert zu sein. Auch sein Rechtsanwalt sei verhindert. Der Gesellschafter beantragte die Verlegung der Versammlung. Die Gesellschafterversammlung beschloss in Abwesenheit des verhinderten Gesellschafters eine Erhöhung der Vergütung der anwesenden Gesellschafter. Das OLG Köln entschied, dass der Geschäftsführer die Versammlung auf Antrag des verhinderten Gesellschafters hätte verlegen müssen. Aufgrund ihrer Rücksichtnahmepflicht müssten Gesellschafter erkennbare Verhinderungen eines Gesellschafters beachten, insbesondere wenn im Vorfeld keine Terminabsprache getroffen wurde. Stelle sich nach der Einladung der Gesellschafter heraus, dass einer von ihnen verhindert ist, könne dieser die Verlegung der Gesellschafterversammlung beantragen. Finde die Gesellschafterversammlung dennoch wie geplant statt, seien in diesem Rahmen gefasste Beschlüsse nichtig. Der Gesellschafter müsse sich auch nicht auf eine anderweitige Vertretung verweisen lassen.
Ausnahme: Unaufschiebbarkeit der Beschlussfassung
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sah das OLG nur für Beschlussfassungen vor, welche keinen kurzfristigen Aufschub duldeten. Die Unaufschiebbarkeit sei, ebenso wie die Missbräuchlichkeit des Antrages, durch die übrigen Gesellschafter darzulegen und zu beweisen.
Verpflichtung zu kurzzeitigem Aufschub
Das OLG Köln schloss sich insofern einer Entscheidung des OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Urteil v. 24.3.1999 – 7 U 249/98) an, aus der hervorgeht, dass auf eine kurz-, nicht jedoch auf eine längerfristige Verhinderung Rücksicht zu nehmen ist. In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall befand sich einer der Gesellschafter bei Zustellung der Einladung zur Gesellschafterversammlung in Untersuchungshaft. Als Tagesordnungspunkt sah die Einladung die Einziehung seiner Geschäftsanteile vor, da ein Ermittlungsverfahren größeren Ausmaßes gegen ihn eingeleitet worden war. Das OLG Brandenburg entschied, dass selbst dann keine Rücksicht auf die Abwesenheit des Gesellschafters genommen werden müsse, wenn die Inhaftierung zu dem Zeitpunkt der Absendung der Einladung bereits bekannt war. Der inhaftierte Gesellschafter könne daher wirksam auf einen Termin geladen werden, zu dem er sich voraussichtlich und auch tatsächlich weiterhin in Untersuchungshaft befinde.
Weitere Grundsätze zur Verhinderung des Gesellschafters stellten bereits die Oberlandesgerichte München (OLG München, Urteil v. 31.7.2014 – 23 U 3842/13) und Bremen (OLG Bremen, Urteil v. 9.4.2010 – 2 U 107/09) auf. Aus der Entscheidung des OLG München ergibt sich, dass der verhinderte Gesellschafter seiner Mitteilung keine Nachweise über den Grund seiner Verhinderung beifügen muss. Eine eindeutige Aussage, warum er nicht in der Lage ist, an der terminierten Gesellschafterversammlung teilzunehmen, sei ausreichend. Bei einem Klinikaufenthalt sei es zwar zu vage, die Versammlung auf den unbestimmten Zeitpunkt der tatsächlichen Wiedergenesung zu verlegen, es könne jedoch auf den voraussichtlichen Entlassungstermin abgestellt werden. Das OLG Bremen entschied in einem Fall, in dem ein Gesellschafter kurzzeitig erkrankt war und umgehende Maßnahmen eine Kapitalerhöhung erforderten, dass auf die Verhinderung des erkrankten Gesellschafters keine Rücksicht genommen werden müsse, ihm jedoch die wesentlichen Informationen und Unterlagen bezüglich der geplanten Kapitalerhöhung zu verschaffen seien. Das OLG Bremen stellte jedoch darauf ab, dass sich aus der Vorkorrespondenz der Gesellschafter das grundsätzliche Einverständnis des verhinderten Gesellschafters mit der Kapitalerhöhung ergab.
Voraussetzungen einer wirksamen zeitlichen Verlegung der Gesellschafterversammlung
Die Pflicht zur Verlegung von Gesellschafterversammlungen wirft weitere Rechtsfragen auf, da die Verlegung als solche gesetzlich nicht geregelt ist. Wird etwa ein Termin aufgrund der Verhinderung eines Gesellschafters verlegt, muss sich der einladende Geschäftsführer mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße zeitliche Verlegung auseinandersetzen. Die Verlegung einer Gesellschafterversammlung bedarf grundsätzlich einer form- und fristgerechten Neueinladung der Gesellschafter. Bei kurzzeitigem Hinausschieben des Termins um wenige Stunden ist allerdings davon auszugehen, dass Gesellschafter mit Verspätungen zu rechnen haben und dass daher eine formlose Benachrichtigung ausreicht. Bei einem um wenige Stunden vorverlegten Beginn sollte das Einverständnis der Gesellschafter eingeholt werden. Wird die Versammlung um ganze Tage verschoben, sind Form und Frist für eine Neueinladung strikt zu wahren.
Anforderungen an den in der Neueinladung zu bezeichnenden Versammlungsort
Neben der Zeit müssen Einladungen zu Gesellschafterversammlungen auch einen Ort benennen. Grundsätzlich sieht § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG (analog) den Sitz der Gesellschaft als Versammlungsort vor. Anderenorts kann die Gesellschafterversammlung nur stattfinden, wenn eine entsprechende Regelung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wurde oder wenn es den Gesellschaftern zumutbar ist, die Versammlung an einem anderen Ort abzuhalten, was bei besserer Erreichbarkeit des Ortes oder bei Ungeeignetheit des Gesellschaftssitzes der Fall ist. Der Ort kann sich insbesondere auch im Ausland befinden. Die Grenze der Unzumutbarkeit ist für die Rechtsprechung allerdings erreicht, wenn die Gesellschafterversammlung in den Wohnräumen eines verfeindeten Gesellschafters oder in den Kanzleiräumen eines Rechtsanwalts, der einen anderen Gesellschafter in gesellschaftsinternen Streitigkeiten berät, stattfinden soll.
Fazit: Eine Abstimmungspflicht des Geschäftsführers, in Vorbereitung einer Gesellschafterversammlung einen für alle Gesellschafter passenden Termin zu finden, besteht nicht. Geschäftsführern einer personalistisch strukturierten Gesellschaft ist in der Praxis dennoch dazu zu raten. Denn in Ermangelung einer Absprache ist nach der Entscheidung des OLG Köln davon auszugehen, dass die Verhinderung eines Gesellschafters vorhersehbar war. Deswegen soll grundsätzlich ein Recht des verhinderten Gesellschafters auf die Verlegung des Termins bestehen. Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen bei Darlegung und Beweis der Missbräuchlichkeit des Antrags des verhinderten Gesellschafters oder bei Unaufschiebbarkeit der Beschlussfassung. Wird die Gesellschafterversammlung verlegt, sollte besonderes Augenmerk auf die form- und fristgerechte Neueinladung aller Gesellschafter gelegt werden. Im Zweifel, so beispielsweise bei lediglich stundenweiser Verschiebung, sollte zur Sicherheit zumindest das Einverständnis der Gesellschafter eingeholt werden. Soll der in der Neueinladung benannte Versammlungsort nicht der Gesellschaftssitz sein, so ist zu beachten, dass die Wahl eines anderen Ortes dem Gesellschafter aus bestimmten Gründen nicht zumutbar sein kann.