Newsletter Gesellschaftsrecht Oktober 2016
Verzicht des geschäftsführenden Gesellschafters auf Tätigkeitsvergütungen
Eine zum Zufluss von Arbeitslohn führende verdeckte Einlage kann nur dann gegeben sein, wenn der Steuerpflichtige nach Entstehung seines Gehaltsanspruchs aus gesellschaftsrechtlichen Gründen auf diesen verzichtet, da in diesem Fall eine Gehaltsverbindlichkeit in eine Bilanz hätte eingestellt werden müssen.
Befindet sich eine Gesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten und verzichtet der geschäftsführende Gesellschafter aus diesem Grund ganz oder teilweise auf seinen Arbeitslohn, stellt sich stets die Frage, ob trotz erklärten Verzichts steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt oder nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nun über einen Fall zu befinden, in dem der Kläger mit 35 Prozent an einer GmbH beteiligt und deren alleiniger Geschäftsführer war. Er schloss mit der GmbH eine Vereinbarung, nach welcher er zu Gunsten der GmbH während eines Liquiditätsengpasses auf sein Gehalt verzichten konnte. Als die GmbH im Streitjahr in finanzielle Schwierigkeiten geriet, verzichtete der Kläger teilweise auf seinen Arbeitslohn. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte er sodann einen niedrigeren Bruttoarbeitslohn als auf der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesen wurde. Das Finanzamt legte der Besteuerung jedoch den Bruttoarbeitslohn laut Lohnsteuerbescheinigung zugrunde. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt. Nunmehr hat der BFH dazu Stellung genommen, welche Anforderungen an einen Verzicht zu stellen sind, damit kein der Besteuerung unterliegender Arbeitslohn in Höhe dieses Verzichts vorliegt.
Arbeitslohn ist grundsätzlich mit Zufluss steuerpflichtig
Grundsätzlich unterliegt nur zugeflossener Arbeitslohn der Einkommensteuer, so dass zu klären war, ob Arbeitslohn trotz Verzichtserklärung zufließen kann. Zufluss ist immer dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis über die Einnahmen erlangt hat. Dies erfolgt bei Geldbeträgen durch Barauszahlung oder Kontogutschrift. Bei einem Verzicht ist dies nur dann zu bejahen, sofern die Verpflichtung erstens buchhalterisch so erfasst ist, dass zum Ausdruck kommt, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verfügung steht und dieser zweitens die Auszahlung ohne weiteres Zutun des Schuldners herbeiführen kann. Letzteres ist in der Regel nicht der Fall.
Zuflussfiktion von Einnahmen bei beherrschenden Gesellschaftern
Bei beherrschenden Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften (mindestens 50 prozentige Beteiligung) und diesen gleichgestellten Gesellschaftern (weniger als 50 prozentige Beteiligung, aber bewusstes Zusammenwirken mit gleichgesinnten Gesellschaftern, um eine entsprechende Willensbildung der Gesellschaft herbeizuführen) wird unterstellt, dass diese über den von der Gesellschaft geschuldeten Arbeitslohn bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können. Der Zufluss des Arbeitslohns wird ausnahmsweise fingiert mit der Folge, dass trotz des Verzichts zu versteuernder Arbeitslohn vorliegt.
Verzicht auf Arbeitslohn als Zuflussbegründende verdeckte Einlage
Unabhängig von der Art der Beteiligung des Gesellschafters, kann sich ein Verzicht auf den Arbeitslohn Zufluss begründend auswirken, sofern darin eine verdeckte Einlage zu sehen ist.
Voraussetzungen einer verdeckten Einlage
Eine verdeckte Einlage liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn z. B. ein Gesellschafter der Gesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet, ohne dafür seinerseits neue Gesellschaftsanteile zu erhalten, und die Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Letzteres ist zu bejahen, wenn ein Nichtgesellschafter der Gesellschaft den Vermögensvorteil bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht eingeräumt hätte. Geeignet sind jedoch nur Wirtschaftsgüter, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens. Dies beurteilt sich nach Bilanzrecht.
Beurteilung nach Bilanzrecht
Die Kontrollüberlegung des BFH zur Einlagefähigkeit ist, ob im Zeitpunkt des Verzichts eine Gehaltsverbindlichkeit in eine (gedachte) Bilanz hätte eingestellt werden müssen, die zum Zeitpunkt des Verzichts erstellt worden wäre.
Wird der Verzicht vor der Entstehung des Gehaltsanspruchs (vor Beginn des jeweiligen Gehaltsmonats) erklärt, ist der geschäftsführende Gesellschafter unentgeltlich tätig geworden. Ihm steht folglich kein Gehaltsanspruch zu, so dass auch keine Verbindlichkeit zu passivieren ist. Mangels Auswirkung des Verzichts auf das Vermögen der Kapitalgesellschaft liegt kein einlagefähiges Wirtschaftsgut vor. Dies hat zur Folge, dass keine verdeckte Einlage gegeben ist und kein der Besteuerung unterliegender Arbeitslohn vorliegt.
Wird der Verzicht hingegen erst nach der Entstehung des Gehaltsanspruchs (nach Beginn des jeweiligen Gehaltsmonats) erklärt, ist der geschäftsführende Gesellschafter entgeltlich tätig geworden. Sein Gehaltsanspruch ist als Verbindlichkeit zu passivieren und nach erklärtem Verzicht wiederum auszubuchen. Da der Verzicht mithin Auswirkungen auf das Vermögen der Kapitalgesellschaft hat (ein Passivposten fällt weg), liegt ein einlagefähiges Wirtschaftsgut vor. Nach Entstehung des Gehaltsanspruchs führt der Verzicht mithin zu einer verdeckten Einlage. Der Arbeitslohn ist zugeflossen und unterliegt der Besteuerung.
Fazit: Für die Frage, ob ein Gehaltsverzicht zum Zufluss von Arbeitslohn und mithin zu steuerpflichtigen Einkünften führt, kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Erklärung des Gehaltsverzichts an. Damit bestätigt der BFH das Senatsurteil vom 15. Mai 2013 – VI R 24/12, welches sich in dieser Frage bereits der Verwaltungsauffassung angeschlossen hatte. Für die Praxis folgt daraus, dass der Zufluss von Arbeitslohn und die damit einhergehende Steuerpflicht durch einen Nachweis über die interne Meinungsbildung vermieden werden kann. Eine entsprechende Dokumentation vor Beginn des jeweiligen Gehaltsmonats könnte sowohl in der Gestalt eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses oder der rechtzeitigen Mitteilung an den Steuerberater, die Lohnbuchhaltung o.ä., für den geschäftsführenden Gesellschafter keine bzw. eine dem Teilverzicht angepasste Gehaltsabrechnung zu erstellen, vorgenommen werden.