Newsletter Gesellschaftsrecht / M&A November 2018
Vorsteuerabzug aus Beratungskosten für gescheiterten Share Deal – Ryanair / Aer Lingus
EuGH, Urteil vom 17.10.2018, 2017 – C-249/17, Ryanair
Beratungskosten für einen gescheiterten Share Deal berechtigen zum Vorsteuerabzug, wenn der potenzielle Erwerber die Absicht hatte, entgeltliche Geschäftsführungsleistungen an die Zielgesellschaft zu erbringen.
Die Vorsteuerabzugsberechtigung von Holdinggesellschaften ist ein dauerhaft streitanfälliges Thema. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich entschieden, dass eine Gesellschaft, die beabsichtigt, sämtliche Anteile einer anderen Gesellschaft zu erwerben, um künftig umsatzsteuerpflichtige Geschäftsführungsdienstleistungen an die Zielgesellschaft zu erbringen, die Vorsteuer aus Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Transaktion in vollem Umfang abziehen kann, auch wenn es wegen des Scheiterns der geplanten Transaktion tatsächlich nicht zur Erbringung solcher Geschäftsführungsleistungen kommt.
Ausgangssituation: Vorsteuerabzug nur bei wirtschaftlicher Tätigkeit der Holdinggesellschaft
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH steht einer Gesellschaft, deren einziger Zweck im Erwerb und Halten von Beteiligungen besteht, kein Vorsteuerabzug zu. Wenn die Holdinggesellschaft dagegen in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft(en) dadurch eingreift, dass sie Managementleistungen gegen Entgelt an die Tochtergesellschaft(en) erbringt, geht sie einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach, die sie zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der EuGH hat nun entschieden, worauf es beim Vorsteuerabzug aus Beratungskosten im Fall einer gescheiterten Unternehmensübernahme ankommt.
Sachverhalt
Ryanair beabsichtigte, im Rahmen einer förmlichen Übernahme sämtliche Anteile der Fluggesellschaft Aer Lingus zu erwerben. Nach Erlangung der Kontrolle wollte Ryanair in die Verwaltung von Aer Lingus eingreifen, indem sie für diese mehrwertsteuerpflichtige Geschäftsführungsleistungen erbringen wollte. Die Unternehmensübernahme wurde jedoch aus kartellrechtlichen Gründen untersagt; Ryanair konnte nur 29 Prozent des Kapitals von Aer Lingus erwerben und die Gesellschaft daher nicht, wie geplant, durch Geschäftsführungsleistungen steuern.
Rechtsfrage
Die irische Steuerverwaltung verweigerte Ryanair den Vorsteuerabzug aus den Beratungskosten für das Übernahmeangebot. Das dagegen angerufene Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die Absicht, nach einer erfolgreichen Übernahme zukünftig entgeltliche Geschäftsführungsleistungen zu erbringen, ausreicht, um trotz des Scheiterns der Transaktion den Vorsteuerabzug aus entsprechenden Eingangsleistungen zu gewähren.
Absicht der wirtschaftlichen Tätigkeit ist entscheidend
Aus Sicht des EuGH ist es irrelevant, dass Ryanair die geplanten Geschäftsführungsleistungen tatsächlich nicht erbringen konnte. Es kommt vielmehr darauf an, dass zu dem Zeitpunkt, in dem die Ausgaben für Beratungsleistungen getätigt wurden, die Absicht bestand, künftig eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Kommt es später tatsächlich nicht zur Ausführung der Tätigkeit, ist dies nach Ansicht des EuGH unschädlich, da das einmal entstandene Recht auf Vorsteuerabzug dadurch nicht entfällt.
Beratungsausgaben sind ausschließlich der beabsichtigten Geschäftsführungsleistung zuzurechnen
Erforderlich ist für den Vorsteuerabzug aber daneben ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der fraglichen vorsteuerbehafteten Eingangsleistung (Beratung) und der – beabsichtigten – steuerbaren Ausgangsleistung (künftige Geschäftsführungsdienstleistung). Diesen Zusammenhang hat der EuGH im vorliegenden Fall vollumfänglich bejaht. Die Beratungsausgaben seien ausschließlich in der beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeit (Geschäftsführungsleistung) von Ryanair begründet.
Offen: Kriterien für den Zusammenhang zwischen Eingangs- und geplanter Ausgangsleistung
Allerdings hat der EuGH keine Kriterien dafür genannt, wann und in welchem Umfang der erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingangs- und geplanter Ausgangsleistung vorliegt. Mit dieser Frage werden sich folglich die nationalen Gerichte beschäftigen müssen.
Nachweisfragen
Für die Praxis wird es darüber hinaus schwierig sein, die ernsthafte Absicht einer wirtschaftlichen Betätigung bei einem gescheiterten Share Deal nachzuweisen. Hier ist von Anfang an auf eine entsprechende Dokumentation zu achten.
Fazit
Der EuGH hat entschieden, dass die Vorsteuer aus den Beratungskosten eines gescheiterten Anteilserwerbs in voller Höhe abgezogen werden kann, wenn die Erwerbergesellschaft beabsichtigt hatte, eine wirtschaftliche Tätigkeit in Form der Erbringung mehrwertsteuerpflichtiger Geschäftsführungsleistungen gegenüber der Zielgesellschaft zu erbringen.