Update Arbeitsrecht Mai 2023
Wirksame Kündigung einer Vereinbarung über Homeoffice durch den Arbeitgeber
LAG Hamm, Urteil vom 16.03.2023 – 18 Sa 832/22
Spätestens seit der Corona-Pandemie ist das Thema Homeoffice aus der betrieblichen Praxis vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Nicht zuletzt aus Recruiting Gesichtspunkten nimmt die Möglichkeit aus dem Homeoffice zu arbeiten auch im Rahmen der Vertragsgestaltung eine immer größere Rolle ein. Gleichzeitig entsteht jedoch auch häufiger Streit über die Frage unter welchen Bedingungen Mitarbeiter von zu Hause arbeiten dürfen und wann eine gewährte Homeoffice Tätigkeit vom Arbeitgeber wieder beendet werden kann.
Mit der Frage, wann eine arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung über Homeoffice arbeitgeberseitig rückgängig gemacht werden kann, hatte sich jüngst das LAG Hamm auseinanderzusetzen.
Sachverhalt
Der Kläger ist seit Februar 2017 als Sales Account Manager für das beklagte Software-Unternehmen tätig. Bereits im November 2016 hatten die Parteien eine „Zusatzvereinbarung über Tätigkeit im Home-Office“ getroffen. Diese sah vor, dass der Kläger „im Wesentlichen“ in seiner Wohnung arbeiten wird, jedoch verpflichtet ist, nach Arbeitsbedarf auch im Büro der Beklagten tätig zu werden. Mit Blick auf die Beendigung der Tätigkeit im Homeoffice wurde vereinbart, dass die Zusatzvereinbarung spätestens mit Ende des Arbeitsverhältnisses ebenfalls endet, sofern sie nicht vorher durch eine Partei mit einer Frist von einem Monat gekündigt wird.
Nachdem der Kläger seit Mitte 2021 arbeitsunfähig erkrankt war, kündigte die Beklagte im Januar 2022 die Zusatzvereinbarung. In dem Schreiben begründete die Beklagte die Kündigung damit, dass man sich „nach rund 8 Monaten gesundheitlich bedingten Ausfalls der Arbeitsleistung den Realitäten stellen müsse“ und daher den Schwerpunkt der Tätigkeit in den Innendienst verlegt habe.
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gerichtlich gegen die Kündigung der Zusatzvereinbarung gewandt. Der dort geregelte Kündigungsvorbehalt sei unwirksam, da die Bestimmungen der Zusatzvereinbarung allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) darstellen und der Vorbehalt zum einen gegen das Transparenzgebot verstoße und zum anderen kündigungsschutzrechtliche Vorschriften umgehe.
In erster Instanz folgte das Arbeitsgericht Rheine der Argumentation des Klägers und gab der Klage statt. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten, über die das LAG Hamm zu entscheiden hatte.
Entscheidung
Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG Hamm die Entscheidung abgeändert und die Klage unter Verweis auf die wirksame Kündigung der Zusatzvereinbarung nunmehr abgewiesen.
Das LAG Hamm begründet die Entscheidung im Kern damit, dass zwar eine (Teil-)Kündigung, die nur einzelne Bestandteile des Arbeitsvertrages betrifft, im Grundsatz unzulässig ist, da eine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners nicht erfolgen kann. Dagegen könne aber die Teilkündigung einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen jedoch zulässig sein, wenn dem Kündigenden – wie hier – das Recht dazu eingeräumt wurde. Denn dann erfolge die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen nicht gegen den Willen des anderen Vertragspartners, sondern aufgrund des vereinbarten Teilkündigungsrechts.
Der vereinbarte Kündigungsvorbehalt sei ferner wirksam und umgehe insbesondere keine zwingenden Kündigungsschutzbestimmungen nach dem Kündigungsschutzgesetz. Grund dafür sei, dass das Kündigungsschreiben nicht die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Pflichten des Arbeitsverhältnisses tangiere, sondern lediglich die „Erfüllungsmodalität“, ob und unter welchen Bedingungen der Kläger berechtigt ist, seine Arbeitsleistung von zu Hause aus zu erbringen.
Auch sei – entgegen der Bewertung der Vorinstanz – der Kündigungsvorbehalt AGB-rechtlich nicht zu beanstanden, da dem Kläger keine wesentliche Rechtsposition entzogen wird. So bleibe zum einen auch nach der Kündigung eine Tätigkeit im Homeoffice auf arbeitsvertraglicher Grundlage noch möglich. Zum anderen wurde die Homeoffice Möglichkeit nie für einen bestimmten Anteil der Arbeitszeit festgelegt.
Praxistipp
Die Entscheidung des LAG Hamm ist zwar zu begrüßen, da sie voraussetzungslose Kündigungsvorbehalte in Homeoffice-Vereinbarungen im Grundsatz für wirksam hält und damit für mehr Rechtssicherheit im Rahmen der Vertragsgestaltung sorgt.
Dennoch hält auch das LAG Hamm Kündigungsvorbehalte unter Verweis auf die Rechtsprechung des LAG Düsseldorf (Urteil vom 10.09.2014 – 12 Sa 505/14) nicht pauschal für wirksam. Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber insbesondere folgenden Punkt beachten: Wird einem Mitarbeiter vertraglich ein Anspruch auf eine ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice eingeräumt oder wird dieser berechtigt, einen bestimmten Teil (z.B. 40%) der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu erbringen, so sollte der Kündigungsvorbehalt vorsorglich einen Maßstab für die Ausübung des Kündigungsrechts im Sinne eines billigen Ermessens enthalten. Denn ein Kündigungsvorbehalt, der die Beendigung der Homeoffice-Tätigkeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos und grundlos ermöglicht, kann in solchen Fällen AGB-rechtlich unwirksam sein.