30.12.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Dezember 2022

Wirksame (Nach-)Kündigungen bei Air Berlin

Viele Fluggesellschaften haben schwere Jahre hinter sich. So erging es auch der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin. Eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige unter Verkennung des unionsrechtlich determinierten Betriebsbegriffs führte zur Unwirksamkeit zahlreicher Kündigungen des Kabinenpersonals im Jahr 2018 – wir berichteten mit Newsletter vom 31. August 2021. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Nachkündigungen durch den Insolvenzverwalter der Fluggesellschaft aus dem Jahr 2020 wirksam sind.

Sachverhalt

Air Berlin beschäftigte die Klägerin als Flugbegleiterin am Standort Düsseldorf. Die Fluggesellschaft kündigte das Arbeitsverhältnis aufgrund der Stilllegung des Flugbetriebs zunächst bereits im Januar 2018. Aufgrund dieser ersten Kündigung wurde das Arbeitsverhältnis jedoch nicht wirksam beendet. Mit Urteil vom 14. Mai 2020 entschied das BAG (Az.: 6 AZR 235/19), dass die Kündigungen des Kabinenpersonals wegen einer formal fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG i.V.m. § 134 BGB unwirksam waren. Air Berlin hatte damals die verpflichtende Massenentlassungsanzeige an seinem Sitz bei der (unzuständigen) Agentur für Arbeit erstattet – zuständig war hingegen die Agentur für Arbeit im Bezirk der Stationierung. Ferner war in der damaligen Anzeige der Stand des Konsultationsverfahrens mit dem Betriebsrat nicht ausreichend dargelegt worden.

Mit Schreiben vom 27. August 2020 kündigte nunmehr der Insolvenzverwalter im Rahmen einer weiteren Massenentlassung u.a. der verbliebenen Klägerin (erneut). Die Klägerin war der Ansicht, auch diese Kündigung sei insbesondere wegen formeller Mängel unwirksam. Die Vorinstanzen haben die Kündigungsschutzklage jedoch abgewiesen.

Entscheidung

Das BAG bestätigte nun die Entscheidungen der Vorinstanzen. Durch die (Nach-) Kündigung vom 27. August 2020 wurde das Arbeitsverhältnis wirksam beendet. Wegen der Stilllegung des Flugbetriebs ist die Kündigung sozial gerechtfertigt.

Auch wurden dieses Mal die gem. § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Anforderungen an das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat erfüllt. Unter anderem wurde die Personalvertretung ausreichend über den Zeitraum der beabsichtigten Entlassungen informiert. Weiterhin hat der Insolvenzverwalter im zweiten Anlauf die Massenentlassung bei der zuständigen Agentur für Arbeit in Düsseldorf angezeigt.

Praxistipp

Die Bedeutung der Planung und Sorgfalt bei der Anzeige einer Massenentlassung – als Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung – kann gar nicht genug betont werden. Immer wieder setzten sich die Arbeitsgerichte in den letzten Jahren insbesondere mit den Voraussetzungen ebendieser auseinander. Zudem ist aktuell noch ein Vorabentscheidungsverfahren des BAG beim EuGH anhängig (vgl. BAG vom 27. Januar 2022 – 6 AZR 155/21). In diesem Verfahren soll beantwortet werden, ob eine Kündigung unwirksam ist, wenn lediglich ein Verstoß gegen die gem. § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG bestehende Pflicht vorliegt, der Agentur für Arbeit eine Abschrift der das Konsultationsverfahren einleitenden und an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung zu übermitteln.

Die Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass die Rechtsprechung einen harten Kurs fährt und formale Fehler unbedingt zu vermeiden sind. Die Vorbereitung komplexer Massenentlassungen und die damit verbundenen Verfahren erfordern die strikte Einhaltung aller Formvorschriften – hierbei stehen wir zur Unterstützung jederzeit gern zur Verfügung. Sprechen Sie uns hierzu gern an!

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