Update Arbeitsrecht Januar 2024
Zukünftige Betriebszugehörigkeit als Voraussetzung für die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie
ArbG Stuttgart, Urteil vom 14.11.2023 – 3 Ca 2173/23
Seit dem 26.10.2022 können Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern steuer- und abgabenfrei einen Geldbetrag von bis zu € 3.000,00 gewähren, um die Auswirkungen der Inflation abzumildern. Arbeitgeber können von dieser Möglichkeit noch bis Ende 2024 Gebrauch machen. Dabei stellt sich für Arbeitgeber immer wieder die Frage, ob und inwieweit die Inflationsausgleichsprämie jedem Arbeitnehmer zu gewähren ist. Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte sich jüngst mit einem Fall auseinanderzusetzen, in dem der Arbeitgeber bei der Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie eine Differenzierung zwischen befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern vorgenommen hat.
Sachverhalt
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Inflationsausgleichsprämie in Höhe von € 1.000,00 geltend. Der Kläger war vom 14.02.2022 bis 30.06.2023 befristet bei der Beklagten als Steuerassistent eingestellt. Die Befristung wurde innerhalb dieses Zeitraums einmal verlängert. Im Dezember 2022 erfolgte eine Gesamtzusage der Beklagten an alle Arbeitnehmer, dass im Januar 2023 unabhängig vom Beschäftigungsgrad oder der Betriebszugehörigkeit eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von € 1.000,00 gewährt wird. Die Beklagte stellte die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie im Januar 2023 unter folgende Voraussetzungen:
„1. Es besteht ein aktives Beschäftigungsverhältnis im Dezember 2022.
2. Es besteht ein ungekündigtes Beschäftigungsverhältnis zum Zeitpunkt der Gehaltsabrechnung im Januar 2023.
3. Im Falle einer Befristung muss das Befristungsende am 31.12.2023 oder später liegen.“
Die Beklagte zahlte dem Kläger die Inflationsausgleichsprämie nicht aus. Daraufhin machte er diese gegenüber der Beklagten geltend und erhob sodann Klage vor dem Arbeitsgericht Stuttgart.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Stuttgart stellte fest, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von € 1.000,00 gemäß § 611 a BGB i.V.m. § 4 Abs. 2 TzBfG zusteht. Das Arbeitsgericht Stuttgart weist darauf hin, dass die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie zwar von der zukünftigen Betriebstreue abhängig gemacht werden könne. Bei der konkreten Ausgestaltung habe die Beklagte aber befristet beschäftigte Arbeitnehmer, deren Befristungsende vor dem 31.12.2023 liegt, ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG darf ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer wegen der Befristung des Arbeitsvertrags nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Danach seien für die Schlechterstellung objektive Gründe erforderlich, die einem billigenswerten Bedürfnis des Arbeitgebers entsprechen und im Hinblick auf dessen Verwirklichung geeignet und erforderlich sind. Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben verstoße die Herausnahme von Arbeitnehmern, deren Befristungsdauer vor dem 31.12.2023 endet, von der Gewährung der Inflationsausgleichsprämie gegen § 4 Abs. 2 TzBfG. Zwar sei der von der Beklagten gewählte Zweck, neben dem Inflationsausgleich auch die Betriebstreue honorieren zu wollen, nicht unbillig. Jedoch benachteiligen die konkreten Voraussetzungen befristet beschäftigte Arbeitnehmer, da von ihnen für den Erhalt der Inflationsausgleichsprämie im Vergleich zu unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern eine längere Betriebstreue verlangt werde.
Das Arbeitsgericht Stuttgart weist jedoch darauf hin, dass die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie grundsätzlich von der zukünftigen Betriebstreue abhängig gemacht werden könne. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.07.2023 (1 Ca 54/23) stellt das Arbeitsgericht Stuttgart klar, dass eine weitere Zwecksetzung bei der Inflationsausgleichsprämie als zulässig erachtet werde. Dafür spreche der Charakter der Inflationsausgleichsprämie, zu deren Zahlung gerade keine Verpflichtung seitens des Arbeitgebers bestehe. Anders als bei der Energiepreispauschale nach § 112 EStG sei bei der Inflationsausgleichsprämie sowohl das ob als auch die Höhe der Zahlung im freien Ermessen des Arbeitgebers. Dem liegt zugrunde, dass der Arbeitgeber die Finanzierung der Inflationsausgleichsprämie selbst zu tragen habe.
Praxistipp
Bei der Ausgestaltung einer Gesamtzusage für die Inflationsausgleichsprämie haben Arbeitgeber darauf zu achten, dass keine Ungleichbehandlung erfolgt. Vielmehr ist zu prüfen, sachliche Rechtfertigungsgründe für eine ungleiche Behandlung bei den Arbeitnehmern vorhanden sind. Anderenfalls besteht das Risiko, dass Arbeitnehmer, die eigentlich nicht die Voraussetzungen für die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie erfüllen, dennoch diesen Anspruch gerichtlich durchsetzen können.
Dem Arbeitgeber steht es nach der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Stuttgart aber frei, die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie an die zukünftige Betriebstreue zu knüpfen. Damit können Arbeitgeber Anreize für eine langfriste Bindung der Arbeitnehmer setzen.