Newsletter Gesellschaftsrecht April 2015
Zuständigkeit nach EuInsVO für Haftungsklagen gegen den GmbH-Geschäftsführer
EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 - C-295/13
Rechtsprechung des EuGH zur internationalen Zuständigkeit bei insolvenzrechtlichen Annexverfahren im Rahmen der EuInsVO
Die internationale gerichtliche Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Annexverfahren ist nicht ausdrücklich geregelt. Durch sein Urteil vom 4. Dezember 2014 hat der EuGH nunmehr klargestellt, dass die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch für insolvenzrechtliche Haftungsklagen gegen den Geschäftsführer einer GmbH zuständig sind.
Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 2014 – C-295/13 erneut mit der Reichweite der Zuständigkeitsregelung des Art. 3 Abs. 1 der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) befasst.
In dem Ausgangsverfahren klagte der Insolvenzverwalter einer deutschen GmbH mit Sitz in Deutschland vor dem Landgericht Darmstadt gegen den in der Schweiz ansässigen Geschäftsführer der GmbH auf Ersatz von nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommener Zahlungen. Das erkennende Gericht ersuchte den EuGH im Wege der Vorabentscheidung zu klären, ob die Klage des Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 64 S. 1 GmbHG unter die Zuständigkeitsregelung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO fällt. Sofern diese Frage zu bejahen sei, bat das Gericht den EuGH um Klärung, ob dies auch gelte, wenn der Geschäftsführer seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-II Übereinkommen) – vorliegend in der Schweiz – hat.
Keine direkte Regelung der internationalen Zuständigkeit
Die Entscheidung des EuGH betrifft das Problem der internationalen Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Annexverfahren. Die internationale Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Annexverfahren ist trotz ihrer Bedeutung in der Praxis nicht ausdrücklich in der EuInsVO geregelt. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO regelt direkt nur, welcher Mitgliedstaat für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständig ist. Danach richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO enthält eine (widerlegbare) gesetzliche Vermutung, dass Gesellschaften und juristische Personen den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen am Ort des satzungsmäßigen Sitzes haben.
Internationale Zuständigkeit nach der Rechtsprechung des EuGH
Nach der Rechtsprechung des EuGH findet Art. 3 Abs. 1 EuInsVO auch auf Annexverfahren im Zusammenhang mit Insolvenzanfechtungen Anwendung. Dies hat der EuGH (Urteil vom 12. Februar 2009 - C-339/07) bereits für Anfechtungsklagen gemäß §§ 129 ff. InsO entschieden, wenn der Anfechtungsgegner seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Mit Urteil vom 16. Januar 2014 (C-328/12) hat der EuGH diese Rechtsprechung auf Fälle ausgeweitet, in denen der Anfechtungsgegner seinen Sitz in einem Drittstaat hat.
Der EuGH stellt mit seinem Urteil vom 4. Dezember 2014 nunmehr klar, dass Art. 3 Abs. 1 EuInsVO dahin auszulegen ist, dass die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet worden ist, zudem für Klagen gegen den Geschäftsführer aus § 64 GmbHG zuständig sind. Gemäß § 64 GmbHG hat die Gesellschaft einen Anspruch gegen ihren Geschäftsführer auf Ersatz von Zahlungen, welche die Gesellschaft nach Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit geleistet hat.
Haftungsklagen gegen den Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft aus § 64 GmbHG fallen nach dem Urteil des EuGH zumindest dann unter Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, wenn bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Die Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO sei selbst dann gegeben, wenn der Geschäftsführer seinen Wohnsitz nicht in einem anderen Mitgliedstaat, sondern in einem Vertragsstaat des Lugano-II-Übereinkommens hat.
Der EuGH wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sich eine andere Beurteilung ergeben könne, wenn Klagen aus § 64 GmbHG erhoben werden, ohne dass bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet ist.
Fazit
Die Entscheidung führt die bisherige Rechtsprechung des EuGH zur internationalen Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen konsequent für insolvenzrechtliche Haftungsklagen gegen Geschäftsführer fort. Die daraus folgende Zuständigkeitsbündelung sorgt für Rechtssicherheit hinsichtlich der Zuständigkeit für Annexverfahren. Angesichts der hohen praktischen Bedeutung dieser Verfahren stellt die Entscheidung des EuGH einen wichtigen Schritt zur effektiven Anreicherung des Gesellschaftsvermögens und somit zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger dar.