07.09.2023FachbeitragEuropean Unitary Patent

Update IP, Media & Technology Nr. 85

99 Tage UPC – Erste Schlussfolgerungen für Unternehmen

Das neue europäische Einheitliche Patentgericht (Unified Patent Court – UPC) hat am 1. Juni 2023 seine Arbeit aufgenommen. Seitdem sind über 50 Verfahren dort anhängig und das Gericht hat schon erste Entscheidungen gefällt. Was bedeutet das für Unternehmen? Wir geben konkrete Tipps.

Beobachtung: Gerichtliche Durchsetzung funktioniert gut

Das Gerichtssystem wird angenommen. Auch kleinere und mittelständische Unternehmen klagen dort. Bisher werden vor allem Kammern in Deutschland, Italien und Skandinavien angerufen. Die Lokalkammer in Düsseldorf hat für ein mittelständiges Unternehmen (Bereich „Fahrräder“) eine einstweilige Verfügung in einer Messesache erlassen, sogar ohne vorherige mündliche Verhandlung. Mailand hat Beweissicherungsanträgen stattgegeben. Es bestätigt sich, was wir vorher vermutet hatten: Das neue Gericht zeigt sich attraktiv für Patentinhaber. Bisher entscheidet es sehr schnell und noch hat es Kapazitäten, so dass sich daran erst einmal nichts ändern dürfte.

Schlussfolgerung für Patentinhaber: Opt-Out kein Muss, Einheitspatent ist attraktiv

Es gibt bisher kaum zentrale Nichtigkeitsklagen, per Ende August 2023 nämlich insgesamt sechs. Wer das Opt-Out noch nicht erklärt hat, braucht es jetzt im Regelfall auch nicht mehr nachzuholen. Zu den Ausnahmen und zu den Hintergründen siehe hier unsere Erläuterungen. Die Möglichkeit einer zentralen Nichtigkeitsklage sollte auch keinen davon abhalten, die Option „Einheitspatent“ zu nutzen. Ganz im Gegenteil. Unser Rat: Einheitspatent nutzen! Und bei Bedarf auch das einheitliche Patentgericht.

Schlussfolgerung für potenzielle Verletzer: Schutzschrift besser nicht – auch wenn es schwer fällt

Das neue Gerichtssystem kennt das Institut der Schutzschrift. Im deutschen Recht ist diese Möglichkeit seit langem bekannt. Für die meisten anderen teilnehmenden Mitgliedsstaaten ist es neu. Im bereits erwähnten „Fahrrad-Fall“ erließ die Lokalkammer Düsseldorf eine einstweilige Verfügung, trotz (oder gerade wegen?) einer vorhandenen Schutzschrift. Dazu muss man wissen: In Deutschland hält sich die Fehlvorstellung, dass eine Schutzschrift eine einstweilige Verfügung ohne vorherige mündliche Verhandlung verhindert. Das war vielleicht einmal früher so. Mittlerweile ist oft das Gegenteil der Fall. Denn durch die Schutzschrift kennt das Gericht schon die Argumente des Antragsgegners. Daher sieht es das Gericht häufig nicht mehr als erforderlich an, den Antragsgegner noch einmal zu hören. Damit sind potenzielle Antragsgegner in einem psychologischen Dilemma: Einerseits will man sich bestmöglich schützen. Da fällt es schwer die Möglichkeit einer Schutzschrift ungenutzt zu lassen. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass eine Schutzschrift häufig sogar kontraproduktiv ist. Durch eine Schutzschrift macht man die eigene Anhörung entbehrlich und erhöht damit sogar die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht zügig eine einstweilige Verfügung erlässt. Zudem äußert man sich in einer Schutzschrift in der Regel zu Eigenschaften des Produkts oder Verfahrens. Es besteht die Gefahr, dass einem diese Äußerungen später, vielleicht in einem vollkommen anderen Kontext, vorgehalten werden. Daher unser Rat: In der Regel keine oder nur eine sehr begrenzte Schutzschrift einreichen. Und Vorsicht mit ausführlichen außergerichtlichen Stellungnahmen, denn sie können einen ähnlichen Effekt haben. Häufig ist es wichtiger, intensiv nach Stand der Technik zu recherchieren und Umgehungslösungen auszuarbeiten.

Risikomanagement bleibt wichtig

Jedes Unternehmen kann vor diesem neuen Gericht verklagt werden. Dieses Gericht ist entscheidungsfreudig, und seine Entscheidungen haben häufig größere Auswirkungen als die bisherigen Entscheidungen nationaler Gerichte. Damit gibt es ein neues und zusätzliches Risiko. Darauf müssen Unternehmen mit ihrem Risikomanagement reagieren, aus Eigeninteresse und weil sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Eine Geschäftsführung, die dieser Pflicht nicht nachkommt, kann persönlich haftbar werden. In unserem Update IP Nr. 82 vom 25. Mai 2023 hatten wir hierauf schon hingewiesen. Konkrete Tipps haben wir hier für Sie zusammengestellt.

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