Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 4/2018
Ausschreibung darf auch gewichtige Risiken für Auftragnehmer vorsehen, wenn zumutbar
Die Vergabekammer Bund hat entschieden (Beschluss vom 14.02.2018 – Az.: VK 2-3/18), dass Auftraggeber „riskante“ Leistungen ausschreiben dürfen, die nur funktional beschrieben und in der Menge hochgerechnet sind. Auch gewichtige Vertragsrisiken dürfen zumindest teils dem Auftragnehmer angelastet werden, selbst wenn sie nach BGB primär der Auftraggeber trägt. Die einer Rahmenvereinbarung immanent innewohnenden zumutbaren Ungewissheiten trägt im Übrigen der Bieter.
Ein Auftraggeber hat einen Rahmenvertrag über Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung ausgeschrieben. Der Bieter sollte dabei Personal und Räume stellen für eine definierte maximale Teilnehmerzahl und eine maximale Zuweisungsdauer der Teilnehmer von acht Wochen. Wenn einer Maßnahme nicht die volle Teilnehmerzahl zugewiesen würde, sollte nach 70 Prozent der Teilnehmer und einer Verweildauer in der Maßnahme von sechs Wochen abgerechnet werden. Aus Sicht eines Bieters werde dabei den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis überbürdet und die Leistungsbeschreibung sei bezüglich ihrer Anforderungen und Vergütungsregeln nicht eindeutig und erschöpfend. Außerdem verstoße die Ausschreibung gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, da die Bieter Unsicherheiten in ihrer Kalkulation durch entsprechende Aufschläge berücksichtigen müssten, was zu erheblichen Mehrkosten beim Auftraggeber führe.
Zumutbare Risiken für Bieter möglich
Die angerufene Vergabekammer Bund hat den eingelegten Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Sie sieht in den Vergütungsregeln ein zumutbares Risiko für die Bieter. Ein Auftraggeber kann funktional bestimmte und in der Menge hochgerechnete, „riskante“ Leistungen ausschreiben. Zudem dürfen Vertragsrisiken, auch wenn sie gewichtig und gemäß BGB prinzipiell vom Auftraggeber zu tragen sind, so das Risiko der Verwendung bereitzustellender Mittel, zumindest teils auf den Auftragnehmer verlagert werden.
Rahmenverträge ohnehin mit Unsicherheiten belastet
Schon naturgemäß sind laut der Vergabekammer Rahmenverträge anerkanntermaßen mit Unsicherheiten bezüglich des vom Auftraggeber letztlich abgerufenen Volumens belastet. Diese Risiken hat neben dem Auftraggeber der Bieter zu tragen. Vorliegend ist das Risiko zwischen Auftraggeber und Bieter zumutbar verteilt, speziell hinsichtlich der Nachfragemacht des Auftraggebers und der einzukalkulierenden Vorhaltekosten der Bieter. Zudem ist das alte Verbot einer Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse auf den Bieter aus der VOL/A, das der Antragsteller nennt, mit der Vergaberechtsreform 2009 ersatzlos entfallen. Daher können laut der Vergabekammer nur unzumutbare Ansprüche an die Angebote, wie zur Kalkulation, geprüft und ggf. beanstandet werden, wozu hier kein Grund bestand.
Angebote vergleichbar, wenn transparente Risiken
Auch ist die Leistungsbeschreibung laut der Vergabekammer eindeutig und erschöpfend nach § 121 GWB, da sich auch der Antragsteller der Folgen der Angebotsanforderungen und Vergütungsregeln bewusst war. Zudem haben keine anderen Bieter Unklarheiten gerügt. Dass wegen der transparent vorhandenen Risiken die Bieter verschieden kalkulieren und divergierende Risikozuschläge vorsehen, heißt nicht, dass die Angebote nicht vergleichbar sein werden. Im Fall transparenter Risiken ist an der Vergleichbarkeit der Angebote nicht zu zweifeln. Auch war die vorliegende Ausschreibung funktional, was den Bestimmtheitsgrad nochmal reduziert.
Auch kein Verstoß gegen Wirtschaftlichkeitsgebot
Die Ausschreibung verstößt weiter nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 97 Abs. 1 S. 2 GWB. Bezüglich befürchteter Mehrkosten durch Kalkulationsrisiken der Bieter obliegt es dem Auftraggeber, die wirtschaftlichen Folgen der Ausschreibung abzuschätzen. Es ist Bietersache, die unternehmerischen Risiken abzuschätzen, und den Angebotspreis darauf auszurichten. Auch darf dem Auftraggeber keine möglichst risikoarme und preisgünstige Vergabevariante vorgeschrieben werden.
Fazit
Die Vergabekammer macht in ihrer Entscheidung schlüssig deutlich, dass Ausschreibungen auch Kalkulationsrisiken für Auftragnehmer enthalten dürfen, vor allem wenn sie funktional gestaltet sind und Rahmenverträge betreffen. Auch wenn hier konkret die Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse nicht mehr untersagt ist, hat der Auftraggeber aber die Zumutbarkeit der Risiken zu beachten.