Update Restrukturierung 12/2021
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Flutschäden 2021
Bundestag beschließt Gesetz im Rahmen der Aufbauhilfe
Der Bundestag hat am 07.09.2021 beschlossen, die Insolvenzantragspflicht für Geschädigte der Flutkatastrophe im Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vorübergehend auszusetzen. Anfang August hatte die Bundesregierung bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet.
Drohende Insolvenzantragspflicht durch Betriebsunterbrechung
Durch die Starkregenfälle und die dadurch verursachten Hochwasserereignisse im Juli 2021 entstanden bei einer Vielzahl von Betrieben Schäden und dadurch auch Betriebsunterbrechungen. In vielen Fällen kann dies dazu führen, dass sich Unternehmen mangels weiterer Umsätze oder auch infolge eines größeren Schadensbeseitigungs- oder Investitionsbedürfnisses einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gegenübersehen. Die Bundesregierung hat dieses Risiko erkannt und beabsichtigt nun, mit dem vorgeschlagenen Gesetz den geschädigten Unternehmen und ihren organschaftlichen Vertretern die nötige Zeit zu geben, um notwendige finanzielle Dispositionen zu treffen und notwendige Finanzierungs- und ggf. Sanierungsverhandlungen zu führen, wenn eine Insolvenz durch mögliche öffentliche Hilfen, Entschädigungsleistungen, Versicherungsleistungen, Zins- und Tilgungsmoratorien oder auf andere Wiese abgewendet werden kann.
Grundsätzlich Insolvenzantragspflicht für AG, GmbH, GmbH & Co. KG u.a. ab Eintritt eines Insolvenzgrundes
Die Insolvenzordnung (InsO) sieht grundsätzlich vor, dass juristische Personen und andere haftungsbeschränkte Gesellschaften (z.B. AG, GmbH, GmbH & Co. KG) unverzüglich nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen und die Fortführung des Unternehmens ab Eintritt der Insolvenzreife an den Befriedigungsinteressen der Gesamtheit der Gläubiger ausrichten. Die Nichtbeachtung einer Insolvenzantragspflicht ist strafbewehrt und kann auch eine persönliche Haftung der organschaftlichen Vertreter auslösen.
Insolvenzantragspflicht aussetzen, wenn Insolvenzreife auf Flutereignis beruht und begründete Aussichten für Sanierung bestehen
Das nun zugleich mit der Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ beschlossene Gesetz zielt darauf ab, eine unter normalen Umständen bestehende Insolvenzantragspflicht ausnahmsweise auszusetzen, wenn eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Starkregenfälle oder der Hochwasserereignisse im Juli 2021 beruht und aufgrund ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen begründete Aussichten auf eine Sanierung des Unternehmens bestehen.
Inkrafttreten rückwirkend zum 10.07.2021 Aussetzung bis 31.01.2022, längstens bis zum 30.04.2022
Das Gesetz tritt rückwirkend zum 10.07.2021 in Kraft. Eine Aussetzung der Antragspflicht gilt längstens bis zum 31.01.2022. Allerdings sieht das Gesetz auch die Möglichkeit vor, den Zeitraum über den 31.01.2022 hinaus längstens bis zum 30.04.2022 durch Rechtsverordnung zu verlängern.
Aussetzung der Antragspflicht würde Strafbarkeit und Haftung verhindern
Eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bewirkt, dass die organschaftlichen Vertreter von grundsätzlich insolvenzantragspflichtigen Gesellschaften während der Aussetzungszeit keinen Insolvenzantrag stellen müssen und sich folglich auch nicht wegen eines unterlassenen Insolvenzantrages haft- oder strafbar machen können. Mit der Rückwirkung auf den 10.07.2021 (erste Ausrufungen des Katastrophenfalls in einigen Städten und Kreisen) will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass im Einzelfall aufgrund des Zeitablaufs bereits Antragsfristen laufen. Um hier für Rechtssicherheit zu sorgen, soll sich eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auch auf die Vergangenheit erstrecken.
Aussetzung nur bei Ursächlichkeit der Flutereignisse 2021 und nur solange ernsthafte Verhandlungen über aussichtsreiche Sanierung geführt werden
Bei der Frage, wann eine Insolvenzreife auf den Starkregenfällen und dem Hochwasserereignis „beruhen“ und in welchen Fällen „Aussichten auf Sanierung“ im Sinne des Gesetzes bestehen soll, kann auf die Begründung des Gesetzentwurfs und auch auf Erfahrungen aus der Vergangenheit zurückgegriffen werden. Die Gesetzesbegründung selbst sieht vor, dass es unerheblich sein soll, ob sich ein von den Starkregenfällen bzw. dem Hochwasserereignis im Juli 2021 betroffenes Unternehmen bereits vorher schon in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, soweit diese nicht vorher bereits eine Insolvenzantragspflicht begründeten. Zudem soll eine Antragspflicht nur so lange ausgesetzt sein, wie ernsthafte Verhandlungen mit Banken, Entschädigungsfonds, Versicherungen, der öffentlichen Hand etc. stattfinden und nicht bereits endgültig gescheitert sind. Ernsthafte Aussichten auf eine Sanierung sollen dann vorliegen, wenn aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters eine begründete Aussicht darauf besteht, dass das Unternehmen nach Erreichen eines Entschuldungskonzepts, nach Feststellung und Gewährung von Versicherungsleistungen oder nach der Zusage von staatlichen oder karitativen Entschädigungsleistungen überlebensfähig sind. Das Gesetz entspricht im Übrigen dem bereits im Zusammenhang mit der historischen Flutkatastrophe im Jahr 2013 verabschiedeten Gesetz über die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasserbedingter Insolvenz (BGBl. I Nr. 38, S. 2402). Die mit diesem Gesetz gemachten Erfahrungen werden auch hier herangezogen werden können.
Flutgeschädigte Unternehmen und deren organschaftliche Vertreter sollten bei sich abzeichnender wirtschaftlicher Krise die weitere Entwicklung genau beobachten und rechtzeitig fachkundigen Rat einholen, um strafrechtliche Risiken und Haftungsrisiken zu vermeiden.