12.08.2020CSRFachbeitrag

Update Vertriebsrecht 12. August 2020

Corporate Social Responsibility in der Lieferkette – Eckpunkte eines „Sorgfaltspflichtengesetzes“

Der Entwurf eines Eckpunktepapiers von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil für ein „Sorgfaltspflichtengesetz“ ist an die Öffentlichkeit gelangt. Der Startschuss, eine nationale gesetzliche Regelung für unternehmerische Sorgfaltspflichten in der Lieferkette zu erarbeiten, ist damit gefallen. Die Bundesregierung will sich darüber hinaus, auch dies wurde bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, für eine EU-weite Regelung einsetzen.

Anwendungsbereich

Das Sorgfaltspflichtengesetz soll in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern erfassen. Die Arbeitnehmer konzernangehöriger Gesellschaften werden bei der Konzernmutter miteinbezogen. Für die Ansässigkeit eines Unternehmens soll es unter anderem darauf ankommen, ob eine „unternehmerische Steuerungsentscheidung in Deutschland“ getroffen wird.

Sorgfaltspflichten im Lieferkettenmanagement

Unternehmen sollen darin bestärkt werden, gemeinsam mit den Zulieferern oder innerhalb der Branche nach Lösungen für einen besseren Schutz von Mensch und Umwelt zu suchen. Es soll also keine Erfolgs-, sondern eine Bemühungspflicht verankert werden. Hierbei verhält sich sorgfältig, wer für die folgenden fünf Schritte Prozesse im Unternehmen etabliert:

  • Menschenrechts- und Umweltrisiken in der Lieferkette ermitteln;
  • Besondere Verfahren verankern, um Risiken zu analysieren und zu bewerten;
  • Gegenmaßnahmen ergreifen, um negativen Auswirkungen vorzubeugen;
  • Wirksamkeit der Maßnahmen kontrollieren;
  • Verletzungen durch ein internes Beschwerdeverfahren frühzeitig identifizieren;
  • Transparente und öffentliche Berichterstattung an die zuständige Behörde.

Das geforderte Risikomanagement muss jedoch mit Blick auf die Art und den Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auch „angemessen“, d. h. verhältnismäßig und zumutbar sein. Für die Bestimmung der Angemessenheit spielen Kriterien wie die Wahrscheinlichkeit der Risikoverwirklichung, die Schwere eines möglichen Schadens und die Einwirkungsmöglichkeiten des Unternehmens eine wichtige Rolle. Für Letztere ist die Nähe des Unternehmens zum Zulieferer entscheidend. Für ein Risiko am eigenen Standort oder einen direkten Zulieferer soll das Unternehmen eine größere Verantwortung tragen als für einen Zulieferer am Ende der Lieferkette.

Schadensersatzansprüche vor deutschen Zivilgerichten einklagbar

Kommt es zu einem Verstoß, können die Betroffenen das Unternehmen vor deutschen Zivilgerichten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Hierbei soll das Gesetz als „Eingriffsnorm“ nach EU-Recht ausgestaltet werden. Damit wäre bei grenzüberschreitenden Fällen allein deutsches Recht anwendbar, da an das in Deutschland stattfindende Liefer-kettenmanagement angeknüpft werden soll. Parallele Schadensersatzklagen in anderen EU-Mitgliedsstaaten werden hingegen grundsätzlich ausgeschlossen. Auch wenn sich somit die Grundzüge der angestrebten Durchgriffshaftung zugunsten ausländischer Betroffener abzeichnen, ist unklar, wie der neue Schadensersatzanspruch rechtstechnisch und systematisch ausgestaltet werden soll.

Konkreter wird das Eckpunktpapier bei den Grenzen einer möglichen Haftung: Unternehmen sollen nur haften, wenn die Beeinträchtigung bei Erfüllung der Sorgfaltspflicht „vorhersehbar und vermeidbar“ war und wenn elementare Rechtsgüter wie Leben, Körper, Gesundheit usw. beeinträchtigt wurden. Da lediglich ein Bemühen der Unternehmen gefordert ist, scheidet eine Haftung gleichfalls aus, wenn das Unternehmen im Rahmen seiner tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten das Angemessene zur Erfüllung seiner Pflichten getan hat.

Neu wäre die Möglichkeit für Unternehmen, ihre zivilrechtliche Haftung mit Hilfe eines staatlich anerkannten Branchenstandards zu beschränken (Safe Harbor). Wenden Unternehmen den Branchenstandard an, beschränkt sich ihre zivilrechtliche Haftung unter bestimmten Voraussetzungen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.

Öffentliche Sanktionen

Zur Durchsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten wird ein elektronisches Berichtsverfahren diskutiert. Die zuständige Bundesbehörde kann bei einem Mangel das Unternehmen zur Nachbesserung anhalten. Bleibt die Nachbesserung erfolglos, kann ein angemessenes Bußgeld verhängt werden. Daneben sollen Einzelfallüberprüfungen bei einem Verdacht auf schwere Verstöße möglich sein. Werden schwere Verstöße festgestellt, können auch diese durch ein Bußgeld geahndet werden. Wurde ein rechtskräftiges Bußgeld gegen ein Unternehmen verhängt, kann dies dazu führen, dass dieses Unternehmen für eine angemessene Zeit von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen wird.

Fazit und Ausblick

Die gesetzgeberischen Aktivitäten zu einem „Sorgfaltspflichtengesetz“ haben neuen Schwung bekommen. Wenn die Eckpunkte in der geschilderten oder ähnlichen Fassung umgesetzt werden, wäre dies eine Neuerung im deutschen Recht mit weitreichenden Folgen für die deutsche Wirtschaft. Der finanzielle und bürokratische Aufwand könnte für die deutschen Unternehmen immens werden. Auffallend ist, dass das Eckpunktepapier viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthält und die Gestaltungsüberlegungen des Gesetzgebers zu den einzelnen Bereichen unterschiedlich weit gediehen sind. Dies mag u. a. politische Gründe haben, denn gerade aus der Wirtschaft gibt es auch viele Bedenken gegen eine Verpflichtung der Unternehmen. In jedem Fall wird der Gesetzgeber nur Erfolg haben, wenn er verbindliche und klare rechtliche Regelungen schafft, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden.

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