16.12.2015Fachbeitrag

Newsletter Health Care 4/2015

Die „e-Vergabe“ im Verordnungsentwurf des Bundeministeriums für Wirtschaft und Energie

Mit dem Referentenentwurf des Bundeministeriums für Wirtschaft und Energie vom 9. November 2015 über eine neue Vergabeverordnung (VgV) liegen nun erstmals auch Detailregelungen zur tatsächlichen Umsetzung der e-Vergabe im nationalen Recht vor. Zwar kann der Verordnungsentwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen erfahren. Unabhängig davon ist der Blick auf dessen Eckpunkte und wesentlichen Inhalte allerdings lehrreich. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Vorgaben an die e-Vergabe.

Der Kommunikation im Vergabeverfahren hat der Verordnungsgeber im Entwurf der neuen VgV zunächst einen eigenen Abschnitt gewidmet. In den dort enthaltenen fünf Paragrafen werden insbesondere die Grundsätze der (elektronischen) Kommunikation, die Anforderungen an den Einsatz und die zu verwendenden elektronischen Mittel sowie an den Einsatz alternativer elektronischer Mittel zur Kommunikation festgelegt. Zudem ist hier in § 13 VgV-Entwurf auch die Möglichkeit vorgesehen, dass die Bundesregierung weitergehende Verwaltungsvorschriften über die zu verwendenden elektronischen Mittel sowie über die einzuhaltenden technischen Standards erlassen kann. Der Verordnungsgeber hat allerdings nicht alle die e-Vergabe betreffenden Inhalte in diesem Abschnitt „vor die Klammer“ gezogen. Weitere Details ergeben sich nämlich auch aus einzelnen Regelungen in den im VgV-Entwurf dann folgenden Abschnitten, auf welche später eingegangen wird.

Eingangs hinzuweisen ist weiterhin darauf, dass die e-Vergabe in den jeweiligen Vergabeverordnungen – neben der neuen VgV also insbesondere der Sektoren- und Konzessionsvergabeverordnung – weitgehend identisch geregelt wurde. Die nachfolgenden Darstellungen konzentrieren sich allerdings, wenn nicht anders angegeben, der Einfachheit halber exemplarisch auf den VgV-Entwurf.

Ausweitung der Verpflichtung zur Nutzung der e-Vergabe auf Konzessionsvergabeverfahren

Der Verordnungsgeber hat sich im Referentenentwurf also insbesondere auch bei Vergabeverfahren im Anwendungsbereich der Konzessionsvergabeverordnung für eine Verpflichtung zur Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel entschieden (s. § 7 Entwurf Konzessionsvergabeverordnung). Hiermit geht er über die Anforderungen der neuen EU-Richtlinien hinaus.

Eine verpflichtende Einführung der e-Vergabe war dort nur für die „klassischen“ Vergabeverfahren und im Sektorenbereich vorgesehen. Diese Ausweitung der Verpflichtung ist allerdings durchaus nachvollziehbar, macht doch eine Zersplitterung der Nutzung der e-Vergabe nach Sachbereichen weder für Auftraggeber noch für die Unternehmen Sinn.

In all den vorgenannten Verordnungen ist der Grundsatz der Verpflichtung der Auftraggeber zur Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel zentral als erstes in den die Kommunikation betreffenden Abschnitten genannt. Dort heißt es jeweils, dass für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung (elektronische Mittel) verwenden (§ 9 Abs. 1 VgV-Entwurf). Mit dieser Formulierung hat sich der Verordnungsgeber sprachlich zwar etwas von den Vorgaben des EU-Rechts – etwa in Artikel 22 Abs. 1 Satz der VRL – entfernt. Ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs soll diese Formulierung – wie auch in Artikel 22 Abs. 1 Satz 1 VRL vorgesehen – aber dafür sorgen, dass in jedem Stadium eines öffentlichen Vergabeverfahrens sowohl Öffentliche Auftraggeber als auch Unternehmen grundsätzlich nur noch elektronische Mittel verwenden.

Zulässigkeit mündlicher Kommunikation

Ausnahmen zu diesem Grundsatz sind ebenfalls in allen Verordnungsentwürfen identisch geregelt. Insbesondere kann durchaus noch mündliche Kommunikation in einem Vergabeverfahren stattfinden. Allerdings soll sie nach der Vorstellung des Verordnungsgebers „nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, die Interessenbestätigungen oder die Angebote betreffen“ und muss angemessen dokumentiert werden.

Damit wird eine schon in der neuen Vergaberichtlinie wenig gelungene Vorgabe umgesetzt, bei der man sich durchaus fragen darf, wie unter diesen Bedingungen noch ein Verhandlungsverfahren durchführbar sein soll. Da diese Verfahrensart aber weiterhin sowohl im europäischen als auch im nationalen Vergaberecht vorgesehen ist und zu ihr das mündliche Verhandeln über das Angebot bzw. den Vertrag gehört, wird man nicht umhin kommen, diese mündliche Verhandlung als ein Anwendungsfall der Ausnahme zum Grundsatz der elektronischen Kommunikation anzusehen.

Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel

Wer weiterhin gehofft hatte, dass der nationale Gesetzgeber die Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren gegenüber den Vorgaben in den neuen EU-Richtlinien konkretisiert, wird vom Referentenentwurf etwas enttäuscht. Dieser stellt ebenfalls zunächst bloß fest, dass durch ihren Einsatz der Zugang der Unternehmen zum Verfahren nicht eingeschränkt werden darf (§ 11 Abs. 1 Satz 2 VgV-Entwurf) und insbesondere der Zugang zu den Vergabeunterlagen zudem unentgeltlich und vollständig direkt erfolgen können muss (§ 52 Abs. 3 Nr. 4 VgV-Entwurf).

Keine Registrierung vor dem Zugang zu Vergabeunterlagen


Klar geäußert hat sich der Verordnungsgeber allerdings zu dem in den einschlägigen Vergabeforen bisher intensiv diskutierten Thema der Registrierung der Wettbewerber zur Erlangung der Vergabeunterlagen. Deren Zulässigkeit wurde in den Foren immer wieder vehement eingefordert, könne man sonst doch nicht kontrollieren, wer sich die Vergabeunterlagen heruntergeladen habe und mit diesen Wettbewerben auch im Fall der Änderung der Vergabeunterlagen mangels Kontaktdaten nicht kommunizieren.

Der Verordnungsgeber geht gleichwohl offensichtlich davon aus, dass eine Registrierung eine Einschränkung des Zugangs bzw. des direkten vollständigen Zugriffs auf die Vergabeunterlagen darstellt und erklärt, Auftraggeber könnten sie zwar grundsätzlich verlangen, allerdings dieses Verlangen nicht mit dem Zugang zur Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen verbinden. Freiwillig könne sich ein Unternehmen aber selbstverständlich registrieren (insgesamt dazu § 9 Abs. 3 VgV-Entwurf).

Informationsfluss zwischen Auftraggeber und Wettbewerber

Für den Informationsfluss zwischen Auftraggeber und Wettbewerbern wird man daher in Abänderung der bisher anerkannten Praxis wohl von Folgendem ausgehen müssen: Die Wettbewerber sind grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, ihre Angebote auf Basis der aktuellen Vergabeunterlagen zu erstellen. Sie unterliegen hier einer Holschuld, werden sich über Veränderungen an den Vergabeunterlagen selbst informieren müssen und können die Auftraggeber grundsätzlich nicht dafür verantwortlich machen, sie hätten von einer solchen Änderung nichts mitbekommen. Der Auftraggeber ist demnach nur noch für das (direkte und unentgeltliche) Bereitstellen aller die Vergabeunterlagen betreffenden Informationen verantwortlich. Anderes kann nur noch gelten, wenn sich der Wettbewerber freiwillig registriert hat.

Anforderungen an die eingesetzten elektronischen Mittel


Was die Anforderungen an die eingesetzten elektronischen Mittel anbetrifft, erläutert der Verordnungsgeber vor dem Hintergrund des uneingeschränkten Zugangs der Wettbewerber zum Vergabeverfahren zunächst, dass elektronische Mittel und deren technische Merkmale allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und allgemein (technisch) kompatibel sein müssen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 VgV-Entwurf). Die eingesetzten elektronischen Mittel müssen aber eine Reihe von technischen Kriterien erfüllen (§ 10 Abs. 1 VgV-Entwurf), und zwar müssen sie gewährleisten, dass Uhrzeit und Tag des Datenempfanges bestimmbar sind (1), kein vorfristiger Zugriff auf die Daten möglich ist (2), der Termin und die Berechtigung des erstmaligen Zugriff auf die Daten festgelegt oder geändert werden kann (3), nur die Berechtigten auch tatsächlich Zugriff haben (4) bzw. nur diese nach dem Öffnungszeitpunkt Dritten Zugriff ermöglichen können (5), empfangene Daten nicht an Unberechtigte weitergeleitet werden können (6) und Verstöße oder versuchte Verstöße gegen die vorgenannten Anforderungen eindeutig festgestellt werden können (7).

Einsatz von Signaturen nur entsprechend dem Sicherheitsniveau der zu übermittelnden Daten


Interessant für die Praxis ist zu guter Letzt, dass der Verordnungsgeber mit der Einführung der e-Vergabe vom bisher geltenden Schriftformerfordernis Abstand genommen hat. Ohne weitere Erläuterungen sieht der Referentenentwurf insoweit nunmehr vor, dass die Unternehmen, ihre Angebote, Teilnahmeanträge, Interessenbekundungen und Interessenbestätigungen in Textform nach § 126b BGB mithilfe elektronischer Mittel übersenden.

Für die Praxis sicher erfreulich ist, dass damit die flächendeckende Nutzung elektronischer Signaturen vom Tisch ist. Auftraggeber können diese nur (noch) dann nutzen, wenn das Sicherheitsniveau der zu übermittelnden Daten dies erfordert (Vgl. §§ 10 Abs. 1, 53 Abs. 3 VgV-Entwurf). Solange allerdings im Unterschwellenbereich auf dem Postweg oder direkt eingereichte Angebote möglich sind und diese dann unterschrieben sein müssen (etwa § 13 Abs. 1 Satz 2 VOL/A) bzw. für den Fall der elektronischen Übermittlung der Angebote, diese entweder mit einer fortgeschrittenen oder qualifizierten Signatur versehen sein müssen, besteht hier ein deutlicher Wertungswiderspruch zwischen Unter- und Oberschwellenbereich, der in der Praxis für Verwirrung sorgen wird.

Fazit

Die Umsetzung der e-Vergabe in den bisherigen Entwürfen zu den neuen Vergabeverordnungen trägt durchaus zur Klärung einiger ihrer bisher diskutierten Problembereiche (grundsätzlich keine Registrierung erforderlich und keine Notwendigkeit des Einsatzes von elektronischen Signaturen) bei. In der Praxis werden sich diese Regelungen gleichwohl erst noch beweisen müssen, auch wenn sie die tatsächliche Anwendung der e-Vergabe im Oberschwellenbereich zunächst erleichtern dürften. Insbesondere zu Regelungen im Unterschwellenbereich ergeben sich jedoch Wertungsunterschiede, die noch Fragen aufwerfen und die Anwender verwirren können. Sollten die Vergabeverordnungen in der jetzigen Form verabschiedet werden, werden sich die Vergabeausschüsse bei einer Neuauflage der VOL/A und der VOB/A wohl mit ihnen auseinandersetzen müssen.

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