24.02.2025Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Februar 2025

Überstundenvergütung und Beweislast im Arbeitsrecht

LAG Niedersachsen, Urteil vom 09.12.2024 – 4 SLa 52/24

In der betrieblichen Praxis kommt es häufiger vor, dass Arbeitnehmer Überstunden leisten und dafür eine Vergütung verlangen. Hierbei bedarf es stets einer Abwägung der gegenseitigen Interessen und einer klaren Darlegung und Beweisführung der geleisteten Überstunden. Das LAG Niedersachsen hatte sich jüngst mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Überstundenvergütung besteht und wie die Darlegungs- und Beweislast verteilt ist.

Sachverhalt

Die Klägerin war vom 1. April 2012 bis zum 31. August 2023 bei der Beklagten als Lageristin und kaufmännische Angestellte beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war eine regelmäßige Arbeitszeit von 24 Stunden pro Woche festgelegt. Die Klägerin machte Überstundenvergütung für den Zeitraum von Februar 2020 bis Dezember 2022 geltend und trug vor, sie habe täglich von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr mit einer Stunde Pause sowie an vereinbarten Samstagen gearbeitet. Die Beklagte bestritt dies und führte an, dass die Klägerin ihre Arbeitszeiten nicht hinreichend konkret dargelegt habe.

Die Klägerin legte Kalendereintragungen vor, die ihre Überstunden dokumentierten. Die Beklagte hingegen konnte keine konkreten Gegenbeweise vorbringen und argumentierte, dass die Klägerin ihre Arbeitszeiten nicht glaubhaft gemacht habe. Zudem behauptete die Beklagte, dass die Klägerin ohne Anordnung oder Billigung des Arbeitgebers Überstunden geleistet habe.

Entscheidung

Das LAG Niedersachsen entschied zugunsten der Klägerin und sprach ihr eine Überstundenvergütung in Höhe von 46.531,42 € brutto zu. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin ihre Überstunden hinreichend und schlüssig anhand von Kalendereintragungen dargelegt habe. Die Beklagte konnte keine substantiierten Gegenbeweise vorbringen, weshalb die von der Klägerin vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden galten. Die Beklagte konnte kein einziges Datum benennen, an welchem die Klägerin entgegen ihren Aufzeichnungen und entsprechend ihrer behaupteten Absprache keine Arbeitsleistung erbracht haben mag.

Das Gericht führte aus, dass der Anspruch auf Überstundenvergütung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer Arbeit in einem die vereinbarte Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang erbracht hat und der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Für beides trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Die Klägerin konnte durch ihre Kalendereintragungen nachweisen, dass sie regelmäßig Überstunden geleistet hat. Die Beklagte hingegen konnte nicht darlegen, welche Arbeiten sie der Klägerin zugewiesen hat und an welchen Tagen die Klägerin diesen Weisungen nicht nachgekommen ist.

Das Gericht betonte, dass die Beklagte nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ist, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Diese Verpflichtung schließt auch die Erfassung der Überstunden mit ein. Da die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war, konnte sie den Vortrag der Klägerin nicht substantiiert widerlegen.

Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht nach der im Arbeitsvertrag geregelten Ausschlussfrist erloschen, weil die Ausschlussklausel unwirksam ist.

Die Klausel hat Ansprüche aus vorsätzlicher, unerlaubter Handlung nicht ausgenommen. Danach verfallen ausnahmslos alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. Rechtsfolge daraus ist, dass die Verfallklausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig sei und nach § 306 Abs. 1 BGB unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen entfällt.

Praxistipp

Die Entscheidung des LAG Niedersachsen verdeutlicht, dass Arbeitgeber ihre Pflichten zur Erfassung der Arbeitszeiten ernst nehmen müssen. Um im Streitfall substantiiert erwidern zu können, sollten Arbeitgeber sicherstellen, dass sie die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer nachweisen können. Ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit, das Beginn und Ende sowie die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst, kann etwaige Streitigkeiten über Überstunden verhindern.

Arbeitgeber sollten zudem klare Anweisungen zur Lage und zum Umfang der Arbeitszeit geben und sicherstellen, dass Überstunden nur nach ausdrücklicher Anordnung oder Billigung geleistet werden. Dies kann helfen, Missverständnisse und Streitigkeiten über die geleisteten Arbeitsstunden zu vermeiden. Es ist ratsam, etwaige Arbeitszeitaufzeichnungen zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen, um sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden.

Im Übrigen sollten Arbeitgeber stets auf eine wirksame vertragliche Ausschlussklausel achten, um dem Risiko entgegenzuwirken, hohen Nachforderungsansprüchen ausgesetzt zu sein.

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