Update Arbeitsrecht Januar 2025
Kein Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis bei weit entfernten neuem Einsatzort
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.07.2024 – 6 Sa 579/23
Nachdem während der Corona-Pandemie die Arbeit im Homeoffice weitgehend zur Normalität wurde, zeichnet sich nunmehr ein Trend dahingehend ab, dass Unternehmen wieder vermehrt Büropräsenz anordnen („Return-to-Office-Policy“). War es der Belegschaft in den letzten Jahren also oft noch freigestellt, an welchen und an wie vielen Tagen sie im Büro arbeiten wollten, wird aktuell immer öfter die Anzahl an wöchentlichen Präsenz-Arbeitstagen arbeitgeberseitig festgelegt. Da viele Beschäftigte Homeofficearbeit mittlerweile fest in ihre Lebensplanung integriert haben (Wohnsitz, Kinderbetreuung, etc.), führt die entgegengesetzte Anordnung von Büropräsenz zuletzt auch häufiger zu entsprechenden Rechtsstreitigkeiten.
In diesem Zusammenhang befasste sich jüngst das LAG Köln mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber gewährte Homeoffice-Erlaubnis kraft seines Direktionsrechts widerrufen kann und stellte dabei fest, dass im Einzelfall Billigkeitsgründe eine wesentliche Rolle spielen.
Sachverhalt
Der 1969 geborene Kläger war seit 2017 bei dem beklagten Arbeitgeber, einem Automobilzulieferer mit verschiedenen deutschen Standorten, als Projektmanager und Niederlassungsleiter beschäftigt. Aufgrund der Corona-Pandemie und in Einverständnis mit dem Arbeitgeber erbrachte der Kläger seine Arbeitsleistung in den letzten drei Jahren zu etwa 80 Prozent aus dem Homeoffice. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine Regelung, nach der sich sein Einsatzort auf die gesamte Unternehmensgruppe bezieht und sich nach den laufenden Projekten richtet.
Anlässlich der Betriebsschließung des Heimatstandorts des Klägers versetzte der Arbeitgeber den Kläger Ende März 2023 unter Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis mit Wirkung zum Mai 2023 an einen 500 Kilometer entfernten Standort, und wies ihn an, seine Arbeitsleistung dort in Präsenz zu erbringen. Hilfsweise – für den Fall, dass die Versetzung unwirksam sein sollte – sprach der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus. Der Kläger lehnte dies ab und erhob Klage gegen die Versetzung und die Änderungskündigung. Er hielt die Maßnahme für unzumutbar, da es ihm aus privaten Gründen nicht möglich sei, seinen Lebensmittelpunkt so kurzfristig an einen so weit entfernten Ort zu verlagern.
Das Arbeitsgericht Köln gab der Klage statt und stellte fest, dass die Versetzung und die Änderungskündigung unwirksam sind. Dabei folgte das Gericht der Argumentation des Klägers und betonte, dass der Arbeitgeber die gesetzlichen Grenzen des Direktionsrechts nicht eingehalten habe. Der Arbeitgeber legte daraufhin Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln ein.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte allerdings das Urteil der Vorinstanz und wies die Berufung des Arbeitgebers ab.
In seiner Begründung erklärte das Landesarbeitsgericht Köln die Versetzung insgesamt für unwirksam, weil die im Rahmen der Ausübung des Direktionsrechts zu beachtende Grenze des billigen Ermessens nicht eingehalten wurde. Der Arbeitgeber habe die Interessen des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt und keine nachvollziehbare Organisationsentscheidung vorgetragen, die den Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis rechtfertigen könnte.
Das Landesarbeitsgericht Köln führte dabei aus, dass der Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis nicht durch überwiegende sachliche Arbeitgeberinteressen gerechtfertigt war. Der Kläger habe ein erhebliches Bestands- und Ortsinteresse, da er über Jahre hinweg im Homeoffice gearbeitet habe und familiär sowie logistisch an diesen Ort gebunden sei. Der Arbeitgeber hätte konkrete betriebliche Erfordernisse darlegen müssen, die eine Anwesenheit des Klägers im weit entfernten Betrieb notwendig machen würden. Zwar rechtfertige die Betriebsschließung grundsätzlich die Versetzung an einen anderen Standort, dies gelte hingegen nicht für den damit verbundenen Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis.
Praxistipp
Generell bleibt es im Grundsatz dabei, dass allein aus der längeren, vorbehaltslosen Gestattung von Homeoffice keine stillschweigende Vertragsergänzung dahingehend folgt, dass eine Einschränkung nicht mehr einseitig möglich ist. Die Beendigung der Tätigkeit im Homeoffice kann also grundsätzlich aufgrund des Direktionsrechts erfolgen, weil hierdurch der Ort der Arbeitsleistung festgelegt wird. Eines Änderungsvertrages oder einer Änderungskündigung bedarf es dazu nicht.
Dennoch verdeutlicht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln, dass Arbeitgeber gut beraten sind, die Gewährung von Homeoffice, dessen Ausgestaltung und eben auch dessen Beendigung mittels einer arbeitsvertraglichen Homeoffice-Vereinbarung oder auf kollektiver Ebene mittels einer Betriebsvereinbarung ausdifferenziert zu regeln, um die Reichweite des Direktionsrechts zu schärfen. Denn ansonsten kann ein Arbeitgeber seine Weisung (unter Billigkeitsgesichtspunkten) regelmäßig nur dann ändern und die Rückkehr ins Büro anordnen, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen das Homeoffice sprechen (vgl. hierzu Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 26.08.2021 - 3 SaGa 13/21). Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber zum Schutz ihrer Flexibilität die Gewährung von Homeoffice an Vereinbarungen knüpfen und sich entsprechende (wirksame) Versetzungs- bzw. Rückkehrklauseln im Hinblick auf den Arbeitsort vorbehalten.