Update Arbeitsrecht März 2025
Vorübergehender Mehrbedarf als Befristungsgrund
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 10.12.2024 – 10 SLa 230/24
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat sich kürzlich mit der Frage befasst, was der Arbeitgeber im Prozess darzulegen und zu beweisen hat, wenn er sich auf den Befristungsgrund des „vorübergehenden Mehrbedarfs“ stützen möchte.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Befristungsabrede. Der beklagte Arbeitgeber hat sich darauf berufen, dass die Befristung wegen eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs aufgrund der Nachholung während der COVID-19-Pandemie ausgefallener Lehrveranstaltungen sachlich gerechtfertigt sei. Der Kläger war allerdings nicht mit der Nachholung der ausgefallenen Lehrveranstaltungen betraut gewesen. Das Arbeitsgericht Göttingen in erster Instanz konnte daher nicht feststellen, dass der dargelegte zusätzliche Arbeitskräftebedarf ursächlich war für die nur befristete Beschäftigung des Klägers und hat der Klage stattgegeben. Die von dem Arbeitgeber hiergegen eingelegte Berufung blieb vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen erfolglos.
Entscheidung
Der Befristungsgrund des vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs – sogenannter „vorübergehender Mehrbedarf“ – gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG, auf den sich der Arbeitgeber beruft, erfordert zwar nicht, dass der befristet beschäftigte Arbeitnehmer in dem Bereich eingesetzt wird, in dem der zusätzliche Arbeitskräftebedarf entstanden ist. Dass der Kläger selbst nicht mit der Nachholung der Lehrveranstaltungen betraut war, war also befristungsrechtlich unschädlich.
Für den Befristungsgrund „vorübergehender Mehrbedarf“ genügt es vielmehr, wenn zwischen dem zeitweilig erhöhten Arbeitskräftebedarf und der befristeten Beschäftigung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen, seine Arbeitsorganisation zu ändern oder die zusätzlichen Arbeiten anderen Arbeitnehmern zuzuweisen. Er darf einen zeitweilig erhöhten Arbeitskräftebedarf jedoch nicht zum Anlass nehmen, beliebig viele Arbeitnehmer befristet zu beschäftigen. Vielmehr muss sich die Zahl der befristet beschäftigten Arbeitnehmer im Rahmen des prognostizierten Mehrbedarfs an zeitweilig erhöhtem Arbeitsanfall halten und darf diesen nicht überschreiten. Für das Vorliegen des Kausalzusammenhangs zwischen prognostiziertem Mehrbedarf und befristeter Beschäftigung trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.
Weil der beklagte Arbeitgeber die konkrete Planung hinsichtlich der Wahrnehmung nachzuholender Lehrveranstaltungen und der darauf beruhenden Aufgabenumverteilung im Prozess nicht mehr nachvollziehen konnte, genügte sein Vortrag den Anforderungen des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen nicht. Das Urteil ist rechtskräftig.
Praxistipp
Um in einem etwaigen Prozess über die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages wegen „vorübergehenden Mehrbedarfs“ den Kausalzusammenhang zwischen prognostiziertem Mehrbedarf an zeitweilig erhöhtem Arbeitsanfall und befristeter Beschäftigung substantiiert darlegen zu können, muss vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages dokumentiert werden,
- ob der befristet beschäftigte Arbeitnehmer selbst in dem Bereich eingesetzt wird, in dem der Mehrbedarf entstanden ist (unmittelbare Tätigkeit) oder
- ob der zusätzliche Mehrbedarf dadurch entsteht, dass die vorhandene Arbeitsmenge verteilt, die Arbeitsorganisation geändert oder die zusätzlichen Arbeiten anderen Arbeitnehmern zugewiesen werden (mittelbare Tätigkeit).
Nur so kann der Arbeitgeber seiner Darlegungslast in einem etwaigen Prozess genügen.