Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Dezember 2020
Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bedarf hinreichender Legitimation
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2020 – II ZR 359/18
Bei der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des geschäftsführenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft handelt es sich nach jüngster Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. Oktober 2020 um ein sog. relativ unentziehbares Recht, in welches nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters oder dann eingegriffen werden kann, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter zumutbar ist.
Gesellschaftsvertragliche Regelung zur Entziehung (verzichtbarer) Gesellschafterrechte grundsätzlich möglich
Die Gesellschafter einer Personengesellschaft investieren Vermögen und Arbeitskraft für die Zweckförderung der Gesellschaft. Auch besteht im Falle der Übernahme der persönlichen Haftung ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko. Sollte die Zusammenarbeit mit einem Mitgesellschafter nicht mehr funktionieren, kann es also durchaus ein berechtigtes Interesse geben, diesem Mitgesellschafter (verzichtbare) Gesellschafterrechte zu entziehen – und zwar ohne Nachweis eines wichtigen Grundes sowie eines ggf. langwierigen Rechtsstreits. Angesichts dieses Umstandes hat der BGH es bereits in den 1970er Jahren für rechtmäßig befunden, den Gesellschaftsvertrag so auszugestalten, dass dieser die konkrete Möglichkeit zur Entziehung von relativ unentziehbaren Rechten ohne wichtigen Grund vorsieht.
Nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf bei gewünschter Entziehung relativ unentziehbarer Rechte besonderer Rechtfertigung
In der nunmehr ergangenen Entscheidung des BGH machte dieser deutlich, dass eine derartige Regelung nicht ohne Weiteres nachträglich in den Gesellschaftsvertrag integriert werden könne. Nicht erst der auf Basis des geänderten Gesellschaftsvertrages einhergehende Entziehungsbeschluss, sondern bereits eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrages sei als Eingriff in das relativ unentziehbare Recht des betroffenen Gesellschafters zu werten. Für die Rechtmäßigkeit des Eingriffs bedürfe es einer hinreichenden Legitimation.
Diese könne etwa darin bestehen, dass der betroffene Gesellschafter der Entziehung seiner Rechte zugestimmt hat. Ist dies nicht der Fall, sei die Entziehung relativ unentziehbarer Rechte zulässig, sofern das Interesse der Gesellschaft eine Entziehung dieser Rechte gebiete und zudem für den Betroffenen zumutbar sei. Allein das Bestehen eines berechtigten Interesses der Gesellschaft, z.B. die Vermeidung eines Rechtsstreites oder der Wunsch nach Entziehung der Geschäfts- und Vertretungsbefugnis aufgrund eines Vertrauensverlustes, reicht demnach nicht aus, um den Eingriff in die Rechte des betroffenen Gesellschafters zu rechtfertigen. Vielmehr ist eine Situation notwendig, in der die Rechtsentziehung für die Gesellschaft unerlässlich bzw. notwendig und mithin geboten ist.
Antizipierte Zustimmung nicht durch Änderungsmöglichkeit des Gesellschaftsvertrages mit einfacher Mehrheit
Die (antizipierte) Zustimmung der Komplementärin zur Einführung eines Rechts zur Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis kann auch nicht darin gesehen werden, dass der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag mit einfacher Mehrheit der Gesellschafter geändert werden kann. Die Rechtsprechung des BGH fordert für eine solch antizipierte Zustimmung eine hinreichend konkrete Regelung im Gesellschaftsvertrag, die das Ausmaß einer möglichen Belastung des Gesellschafters deutlich erkennen lässt.
Fazit
Die nachträgliche Integration einer Regelung in den Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft, welche die Möglichkeit einer Entziehung relativ unentziehbarer Rechte ohne den Nachweis eines wichtigen Grundes vorsieht, ist mit der Überwindung nicht unwesentlicher Hürden verbunden. Sofern also eine solche Möglichkeit vertraglich geregelt werden soll, ist es ratsam, eine entsprechende Regelung bereits in den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag aufzunehmen