Update Restrukturierung 3/2020
Erster Entwurf zur Implementierung des europäischen Restrukturierungsrahmens und zur Umsetzung der ESUG-Evaluation veröffentlicht
Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz („StaRUG“)
Am 18.09.2020 hat das Bundesjustizministerium den mit Spannung erwarteten ersten Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie vom Juni 2019 veröffentlicht, der neben der Schaffung eines neuen Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes („StaRUG“) auch diverse Änderungen und Ergänzungen der Insolvenzordnung (InsO) und anderer Gesetze vorsieht. Damit sollen insbesondere Erkenntnisse aus der sog. ESUG-Evaluation gesetzlich berücksichtigt werden. Das StaRUG wird Unternehmen in Deutschland - bei Inkrafttreten zum Januar 2021 zeitgleich mit dem erwarteten Außerkrafttreten der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Corona bedingten Überschuldungsfällen - einen gangbaren Weg zur Reduzierung übermäßiger Schuldenlasten ohne Insolvenzverfahren bieten. Wir stellen die wesentlichen Punkte des Entwurfes vor.
Krisenfrüherkennung und -management
Vorstände und Geschäftsführer sollen künftigbei Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeitausdrücklich auch zur Wahrung der Interessen der Gläubigergesamtheit verpflichtet sein. Zudem sollen die Überwachungs- und Aufklärungspflichten von Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Wirtschaftsprüfern um eine gesetzliche Hinweispflicht bei Vorliegen von Insolvenzgründen und sonstigen existenzbedrohenden Risiken erweitert werden.
Restrukturierungsplan: vorinsolvenzlich, Ähnlichkeit zum Insolvenzplan
Der Reaktion auf solche Hinweise und einer möglichst werterhaltenden Sanierung ohne Insolvenzverfahren dient insbesondere der von der EU-Richtlinie vorgesehene Restrukturierungsplan. Dieser soll nach dem Referentenentwurf weitgehend dem bereits aus dem Insolvenzverfahren bekannten Insolvenzplan entsprechen, dabei aber auch dem vorinsolvenzlichen Charakter Rechnung tragen.
Auswahlmöglichkeit bezüglich der einzubeziehenden Gläubigergruppen
Abweichend vom Insolvenzplanverfahren sollen im Rahmen eines Restrukturierungsplans nicht alle Gläubiger einbezogen werden müssen. Vielmehr soll das schuldnerische Unternehmen weitgehend die Wahl haben, welche in Gruppen einzuteilende Gläubiger es in den Plan einbeziehen will.
Weitere Restrukturierungsinstrumente
Der Referentenentwurf sieht zudem eine Reihe weiterer sog. Restrukturierungsinstrumente vor, derer sich ein Unternehmen in der Krise künftig vor Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und nach Anzeige der Restrukturierungsabsicht an das Restrukturierungsgericht bedienen können soll. So soll künftig bei drohender Zahlungsunfähigkeit z.B. eine Aufhebung von Vertragsverhältnissen durch eine Entscheidung des Restrukturierungsgerichts auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens möglich sein, soweit keine einvernehmliche Vertragsanpassung erfolgen konnte. Auch eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre für die Dauer von bis zu drei Monaten (bzw. bis zu acht Monaten, wenn und solange ein angenommener Restrukturierungsplan noch nicht bestätigt ist) ist vorgesehen, die auf Antrag vom Restrukturierungsgericht angeordnet werden kann, wenn eine vorgelegte Restrukturierungsplanung vollständig und schlüssig ist. Zum Schutz der Gläubigerinteressen ist allerdings eine Zinszahlungs- und Wertverlustausgleichspflicht vorgesehen.
Restrukturierungsbeauftragte in besonderen Risikokonstellationen und Sanierungsmoderation
In besonderen Risikokonstellationen oder auf Antrag des schuldnerischen Unternehmens sollen künftig Restrukturierungsbeauftragte bestellt werden können. Dies soll vor allem in Fällen beabsichtigter Eingriffe in Verbraucherrechte oder Rechte mittlerer und kleiner Unternehmen, bei Stabilisierungsanordnungen gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger, bei der Beantragung von Vertragsbeendigungen oder Eingriffen in gruppeninterne Drittsicherheiten, bei geplantem cross-class Cram-down, d.h. wenn der Plan im Restrukturierungsplanverfahren voraussichtlich gegen den Widerstand einer Gläubigergruppe durchgesetzt werden muss, oder bei Beantragung von Stabilisierungsanordnungen gelten, wenn dem Gericht die Voraussetzungen nicht durch Sachverständigen-Bescheinigung nachgewiesen sind oder wenn das Gericht Zweifel am Fortbestand der Anordnungsvoraussetzungen hat. Speziell für kleine Unternehmen, denen Mittel für eine umfangreiche Sanierungsberatung fehlen, soll künftig auch eine Sanierungsmoderation vorgesehen sein, die zu einem Sanierungsvergleich mit den beteiligten Gläubigern führen kann.
Änderungen und Ergänzungen der Insolvenzordnung nach ESUG-Evaluation
Im Rahmen der Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts sollen auch die Ergebnisse der sog. ESUG-Evaluation umgesetzt werden. So sieht der Referentenentwurf beispielsweise die Einführung eines Anspruchs auf ein richterliches Vorgespräch vor, eine Verlängerung der maximalen Insolvenzantragsfrist im Falle der Überschuldung auf sechs Wochen sowie eine Privilegierung von Zahlungen als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar (vgl. §§ 92 AktG, 64 GmbHG), solange diese während der Vorbereitung der Antragstellung oder während sorgfältiger Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung einer Überschuldung erfolgen.
Überschuldungstatbestand und Fortführungsprognose
Die Überschuldung soll weiter Insolvenzgrund bleiben, jedoch sollen unterschiedliche Prognosezeiträume für die Ermittlung der sog. positiven Fortführungsprognose und der drohenden Zahlungsunfähigkeit festgeschrieben werden. Überschuldung soll künftig nicht vorliegen, solange die Zahlungsfähigkeit für die nächsten zwölf Monate gesichert ist. Für die drohende Zahlungsunfähigkeit soll künftig in der Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen sein.
Strengere Zugangsvoraussetzungen für Eigenverwaltungen
Vor Anordnung der Eigenverwaltung soll künftig eine detaillierte Eigenverwaltungsplanung vorgelegt werden, die u.a. einen Finanzplan für sechs Monate, ein Konzept für die Bewältigung der Insolvenz, eine Darstellung des Verhandlungsstands mit beteiligten Gläubigern und relevanten Dritten, eine Darstellung der Vorkehrungen zur Sicherstellung der Erfüllung der insolvenzrechtlichen Pflichten sowie einen Kostenvergleich zwischen Eigenverwaltung und Regelverfahren enthalten muss. Ferner sollen künftig auch außerhalb eines Schutzschirmverfahrens die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten und ein Zustimmungsvorbehalt für den Sachwalter vorgesehen sein.
Auch die Bestellung eines Sondersachwalters ist künftig vorgesehen, dem die Prüfung von Haftungsansprüchen gegen amtierende oder ehemalige Mitglieder der Organe sowie von Anfechtungsansprüchen übertragen werden kann. Die Haftung von Organen des eigenverwaltenden Unternehmens soll künftig positiv geregelt sein und der Haftung eines Insolvenzverwalters im Regelverfahren entsprechen.
Eine Langversion des Newsletters können Sie hier als PDF herunterladen.
Sprechen Sie uns bei Fragen gerne an.