Update Energie Nr. 27
Gaskrise: Anpassung des EnSiG und weiterer energierechtlicher Vorschriften
Gestern (7. Juli 2022) hat der Bundestag am späten Abend den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen „zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ verabschiedet. Damit wurde unter anderem das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) erneut angepasst. Die entsprechenden Änderungen hierzu wurden erst zwei Tage zuvor durch den Ausschuss für Klimaschutz und Energie in den Entwurf eingefügt.
Stabilisierungsmaßnahmen gemäß § 29 EnSiG
Im Mai 2022 wurde bereits die Möglichkeit einer Treuhandverwaltung über Unternehmen der kritischen Infrastruktur und – als letztes Mittel – auch die Möglichkeit einer Enteignung in das EnSiG eingefügt (wir berichteten). Nun wurde in einem weiteren Schritt auch ein Einstieg des Bundes bei strauchelnden Gasimporteuren erleichtert (vgl. § 29 EnSiG). Der Mechanismus entspricht weitgehend den Regelungen, mit denen auch die Lufthansa während der Corona-Pandemie gerettet worden ist.
Umlagemechanismus nach § 26 EnSiG
Eine weitere Neuregelung trifft die Gaskunden: Der neue § 26 EnSiG sieht die Möglichkeit vor, die steigenden Kosten der Gasimporteure bei der Ersatzbeschaffung ausgefallender Gaslieferungen aus Russland per Umlage auf die Gasverbraucher zu verteilen. Dies und die Einzelheiten einer solchen „saldierten Preisanpassung“ müssten jedoch noch in einer Rechtsverordnung der Bundesregierung geregelt werden.
Anwendung des § 24 EnSiG unsicher
Die Branche hatte darauf gehofft, dass der Gesetzgeber das Preisanpassungsrecht nach § 24 EnSiG vollständig zu Gunsten des Umlagemechanismus streichen würde, da die Einzelheiten des § 24 EnSiG nach wie vor unklar sind (wir berichteten). Dass dies nicht geschehen ist, wird teilweise kritisiert, da sich betroffene Unternehmen nun auf beide Systeme parallel einstellen müssten. Der Gesetzgeber hat jedoch klargestellt, dass § 24 EnSiG nur nachrangig zu § 29 EnSiG (1. Stufe) und § 26 EnSiG (2. Stufe) zur Anwendung kommen soll. Daher spricht derzeit vieles dafür, dass die erforderliche Feststellung der Gasmangellage durch die BNetzA erst getroffen werden könnte, wenn die Verordnung zum Umlagemechanismus in Kraft getreten ist. Dann würde direkt die „saldierte Preisanpassung“ greifen und Preisanpassungen nach § 24 EnSiG wären ausgeschlossen.
Leistungsverweigerung nur nach Genehmigung
Neu ist auch § 27 EnSiG, der die Wirksamkeit von Leistungsverweigerungen unter den Vorbehalt der Genehmigung der BNetzA stellt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Leistungsverweigerungsrechte regelmäßig nicht bestehen, wenn eine Ersatzbeschaffung möglich ist. Dies gelte erst Recht, wenn eine vertragliche oder gesetzliche Preisanpassung gegenüber den Kunden möglich sei oder höhere Ersatzbeschaffungskosten über eine saldierte Preisanpassung kompensiert werden könnten. Die Regelung diene daher dem Interesse der Versorgungssicherheit und schütze Kunden vor der ungerechtfertigten Ausübung von Leistungsverweigerungsrechten.
Bereithaltung von Ersatzkraftwerken
Durch Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sollen dem Strommarkt für einen befristeten Zeitraum zusätzliche Erzeugungskapazitäten zur Stromerzeugung mit den Energieträgern Stein- und Braunkohle sowie Mineralöl zur Verfügung gestellt werden. Dazu sollen Kraftwerke genutzt werden, die gegenwärtig nur eingeschränkt verfügbar sind, demnächst stillgelegt würden oder sich in einer Reserve befinden. Dadurch soll soweit wie möglich die Stromerzeugung mit Erdgas ersetzt und Erdgas eingespart werden. Die Maßnahmen sollen spätestens am 31. März 2024 enden.
Beschränkung des Einsatzes von Gaskraftwerken
Für den Bereich der Gaskraftwerke wurde eine Verordnungsermächtigung geschaffen, um im Fall einer Gefährdung des Gasversorgungssystems den Einsatz von Gaskraftwerken schnell beschränken und dadurch den Gasverbrauch in der Stromerzeugung noch weiter senken zu können.
Fazit
Energieversorger wie auch Endkunden sollten die aktuell sehr dynamischen Entwicklungen auf den Energiemärkten genau verfolgen und darauf gefasst sein, sich kurzfristig auf Marktveränderungen einstellen zu müssen.