Update Compliance 166
Heimliche interne Ermittlungen: Das BAG setzt der Verwertung Grenzen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in zwei Verfahren die prozessuale Verwertung heimlich durchgeführter Ermittlungsmaßnahmen als unzulässig angesehen. In beiden Verfahren hatte sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung seiner Kündigungen auch auf heimlich gewonnene Erkenntnisse berufen. Die Entscheidungen sind für unternehmensinterne Ermittlungen durch den Arbeitgeber selbst, aber auch für sog. "Internal Investigations" durch externe Berater von Bedeutung.
Im ersten Fall (Urt. v. 20.6.2013 – 2 AZR 546/12) hegte der Arbeitgeber den Verdacht, sein Arbeitnehmer entnehme Waren aus dem Bestand des Arbeitgebers. Er durchsuchte deshalb im Beisein des Betriebsrates – jedoch ohne Wissen des Arbeitnehmers – den persönlichen, verschlossenen Spind des Arbeitnehmers und fand dort nach eigenen Angaben entsprechendes Diebesgut vor. Im zweiten Fall (Urt. v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11) erfolgte eine heimliche Videoüberwachung von Verkaufskassen, um festgestellten Leergutdifferenzen nachzugehen. Hierbei stellte der Arbeitgeber als „Zufallsfund“ fest, dass eine Arbeitnehmerin – entgegen ausdrücklicher Vorgaben – im Kassenbereich Kleingeld in einem Becher sammelte, welches offenbar von Kunden stammte, die ihr Wechselgeld nicht annahmen. Auf dem Video war ersichtlich, dass die Arbeitnehmerin Münzen aus dem Becher an sich nahm.
Allgemeines Persönlichkeitsrecht steht Verwertung entgegen
Der Verwertung der heimlich gewonnenen Erkenntnisse tritt das BAG entgegen: Im Arbeitsgerichtsprozess dürfe weder im ersten Fall eine Beweiserhebung über das Ergebnis der Schrankdurchsuchung erfolgen, noch könne im zweiten Fall der Inhalt der Videoaufzeichnungen prozessual berücksichtigt werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des jeweils betroffenen Arbeitnehmers stehe einer Verwertung entgegen. Zwar führt das BAG aus, dass nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, Erkenntnisse zu verwerten, die sich eine Prozesspartei durch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verschafft hat. Jedoch müsse eine Abwägung der beteiligten Belange ergeben, dass das Interesse an einer Verwertung der Beweise trotz der damit einhergehenden Rechtsverletzung das entgegenstehende Interesse des Arbeitnehmers überwiegt.
Die heimliche Schrankdurchsuchung sei angesichts einer Vielzahl anderer Aufklärungsoptionen unverhältnismäßig gewesen, zumal ein Teil der Privatsphäre betroffen war. Auch die Verwertung des verdeckt gewonnen Videomaterials sei im konkreten Fall unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig. Für das BAG war schon nicht erkennbar, dass die Videoaufzeichnungen im Rahmen der Interessenabwägung angemessen waren, um die festgestellten Leergutdifferenzen aufzuklären. Bezogen auf „Zufallserkenntnisse“ müsse für eine Verwertbarkeit das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das sei nur anzunehmen, wenn das mittels Videodokumentation zu beweisende Verhalten zumindest eine schwerwiegende Pflichtverletzung zum Gegenstand hat und die verdeckte Videoüberwachung nicht selbst dann noch unverhältnismäßig wäre. Die Verwertung von Videomaterial müsse deshalb unterbleiben, wenn das in Rede stehende Verhalten diesen Erheblichkeitsgrad – wie im vorliegenden Fall – nicht erreicht.
Praxishinweis
Beide Entscheidungen zeigen, dass Arbeitgeber bei der Wahl ihrer Mittel, die sie zur Aufklärung von Straftaten oder Pflichtverletzungen einsetzen, stets eine Abwägung vornehmen müssen, um sich in einem späteren Arbeitsgerichtsprozess auch auf diese Erkenntnisquellen berufen zu können. Nicht immer ist das Mittel, welches den schnellsten Aufklärungserfolg verspricht, auch geeignet, um als Beweismittel zur Verfügung zu stehen. Mit einer geschickten Wahl der Aufklärungsmaßnahmen können aber prozessuale Überraschungen vor den Arbeitsgerichten verhindert werden.
Die Entscheidungen sind auch bei umfassenderen Internal Investigations zu beachten. In Bezug auf diese unternehmensinternen Ermittlungen durch Externe, z. B. Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer, wird über das Verhältnis zwischen den Befugnissen des Arbeitgebers und Belangen des Arbeitnehmerdatenschutzes und der Schutzmechanismen der Strafprozessordnung gestritten.